„DAS WAR HART“


Vor 70 Jahren in Italien – Das Urteil im Prozess gegen den deutschen Kriegsverbrecher Herbert Kappler

Zu lebenslanger Haft verurteilt: SS-Offizier Herbert Kappler, dem später die Flucht aus Italien gelang

Rom / Mailand – Gut drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird am 20.Juli 1948 beim ersten großen Prozess gegen deutsche Kriegsverbrecher in Italien das Urteil gesprochen. Angeklagt sind der 41jährige Herbert Kappler und einige Untergebene. Dem Leiter des nationalsozialistischen Sicherheitsdienstes SD in Rom wird vor allem die Erschießung von 335 Geiseln im März 1944 sowie die Erpressung der jüdischen Gemeinde zu Schutzzahlungen zur Last gelegt.

General Euclide Fantoni verkündet das Strafmaß: „ Verurteilt zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe für die erste Straftat, zu 15 Jahren Freiheitsentzug für die zweite, außerdem zu 4 Jahren Isolationshaft mit allen gesetzlichen Folgen.“

Der von Heinrich Himmler 1931 gegründete Sicherheitsdienst des Reichsführers SS, abgekürzt SD, war eine parteiinterne Geheimpolizei der NSDAP. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurde er zu einem bedeutenden Instrument der Repression von Oppositionellen und der Durchsetzung der Judenverfolgung im Ausland. Nach der Besetzung Italiens im September 1943 leitete SS-Obersturmbannführer Herbert Kappler die SD Außenstelle in Rom. Er ließ unter anderem Folterzentren einrichten und war an mehreren verbrecherischen Aktionen wie an der Erschießung von Geiseln in den Ardeatinischen Höhlen beteiligt. Nach Kriegsende stellte sich Kappler in Südtirol britischen Behörden, die den ehemaligen deutschen Polizeichef Roms dann an Italien auslieferten.

Eine mustergültige Nazi-Karriere

Herbert Kappler, geboren 1907 in Stuttgart, trat 1931 der NSDAP bei und begann 1933 eine Laufbahn bei der Polizei. Sie führte ihn zum Sicherheitsdienst des Reichsführers SS, einer parteiinternen Geheimpolizei, die eng mit der Gestapo zusammen arbeitete. „Kappler war schon 1939 als Verbindungsmann der deutschen Polizei nach Rom gekommen und als Polizeiattaché in die deutsche Botschaft eingegliedert worden“, erinnert der Historiker Lutz Klinkhammer, der stellvertretende Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom.

„Nach der deutschen Besatzung Italiens, also nach dem 8. September, hatte Berlin ein Netz von Dienststellen der Sicherheitspolizei in Italien aufgebaut und Kappler leitete das Außenkommando der Sicherheitspolizei und des SD in Rom.“

Ende September 1943 organisierte der inzwischen zum SS-Obersturmbannführer avancierte Kappler dort zunächst die erpresserische Beschlagnahme von jüdischem Besitz und kurz darauf die Deportation von über 1000 jüdischen Bewohnern in das Vernichtungslager Auschwitz. Als im März 1944 Partisanen in der Via Rasella ein Attentat auf eine vorbeimarschierende Kompanie des SS-Polizeiregiment „Bozen“ verübten, bei dem 33 aus Südtirol stammende Polizisten starben, leitete er auf Anordnung der militärischen Führung eine Aktion zur Vergeltung des Anschlags. Dabei wurden 335 italienische Geiseln, darunter auch viele Juden, in den Ardeatinischen Höhlen erschossen. Kappler und andere SS-Offiziere ermordeten die ersten Geiseln mit Genickschüssen selbst.

Der Verurteilte versuchte sich zwanzig Jahre später in einem Interview mit dem italienischen Fernsehen im Zuchthaus von Gaeta zu rechtfertigen: „Ja, ich war dabei. Aber ich habe nicht angefangen. Ich habe nicht die Umstände geschaffen. Ich habe nur Befehle ausgeführt. Und das war hart.“

Der Prozess gegen Kappler war einer der ganz wenigen Prozesse, die in Italien wegen NS-Verbrechen durchgeführt wurden. Erst Jahrzehnte später, 1998, konnte Erich Priebke als weiterer Verantwortlicher für das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen abgeurteilt werden.

„Die Italiener“, so Lutz Klinkhammer, „mussten erst überhaupt darum kämpfen, Deutsche vor Gericht stellen zu dürfen, denn die Alliierten hatten sich dieses Recht erst einmal vorbehalten.“

Der Fall und seine Folgegeschichte

Der Fall hatte noch eine Folgegeschichte. Kappler war in der italienischen Öffentlichkeit zu einer Symbolfigur im Kampf gegen das deutsche Unrecht geworden. Auf der anderen Seite versuchte die Politik des Landes, weitere Prozesse gegen deutsche Kriegsverbrecher im Interesse einer europäischen Normalisierung zu vermeiden. Am15. August 1977 gelang dem an Krebs erkrankten Herbert Kappler mit der Hilfe seiner Frau unter ungeklärten Umständen die Flucht aus einem römischen Militärkrankenhaus in die Bundesrepublik.

Der Historiker Klinkhammer hat den Verdacht, „dass diese Flucht in Anführungszeichen eine Möglichkeit war, ohne einen Gnadenakt sich eines Kriegsverbrechers zu entledigen.“

Es kam zu wütenden Protesten in der italienischen Öffentlichkeit, weil Deutschland eine Auslieferung ablehnte. Herbert Kappler, starb 1978 wenige Monate nach seiner Flucht im niedersächsischen Soltau. An der Trauerfeier nahmen viele hundert Menschen teil.

Ein Beitrag dazu ist im Deutschlandfunk am 20. Juli 2018 erschienen