DER MAILÄNDER WEG


Die Buchmesse „Tempo di Libri“ blieb mit rund 70.000 Besuchern hinter den Erwartungen zurück, konnte jedoch fachlich überzeugen.

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Das Publikum kam erst am Wochenende – Der Feltrinelli-Stand auf „Tempi di Libri“

Mailand – Am Sonntag den 23. April ist die erste Ausgabe der nationalen Buchmesse „Tempi di Libri“ („Zeit der Bücher“) zu Ende gegangen. Auf der vom italienischen Verlegerverband AIE in Mailand veranstalteten Messe hatten von Mittwoch 19. April rund 520 Aussteller (davon etwa 450 Verlage) ihre Angebote gezeigt. Auf insgesamt 720 Veranstaltungen traten an die 2000 Gäste (Branchenfachleute, Schriftsteller, Journalisten, Politiker u.a.) auf. Als Erfolg wurde das zur Messe eingerichtete Milan International Rights Center mit Verlagsvertretern und Literaturagenten aus 32 Ländern gewertet. Aus Deutschland waren unter anderen Bertelsmann, Fischer, Hanser und Wagenbach vertreten. Der Zuschauerzustrom der Verkaufsmesse blieb mit rund 70.000 Besuchern auf der Messe wie bei den Veranstaltungen in der Stadt hinter den Erwartungen zurück – ebenso der Umsatz der Verlage an den Ständen. Federico Motta, der Präsident der AIE zeigte sich dennoch zufrieden. Er bezeichnete diese Messe, die der Verband nach dem Bruch mit dem Salone del Libro (Turin) eingerichtet hatte, als eine Art in kurzer Zeit vorbereitete „Null-Nummer“, der im kommenden Jahr, möglichst im Mai, die „Erstausgabe von Tempo di Libri“ folgen soll.

Ob der Streit zweier Messen einem relativ schwachen Buchmarkt, der etwa sechs mal kleiner ist als der deutsche, schadet, oder ob Konkurrenz das Geschäft belebt, bleibt offen Der Turiner Buchsalon, den eine lokale Kulturstiftung organisiert. findet in diesem Jahr vom 18. bis 22. Mai zum 30. Mal statt. Anschließend wollen sich beide Veranstalter zusammen setzten, um über eine schärfere Trennung der beiden Messen voneinander zu reden. Federico Motta, der Präsident der italienischen Verleger, unterstrich die Unterschiede zur Turiner Messe: Mailand habe alle Aspekte der Buchbranche mit einbezogen – vom professionellen Bereich des Buchhandels bis zum Schulbuchmarkt. Alles Dinge, die in Turin gefehlt hätten.

Was machen Bücher in einer Welt von Fake News?

Dazu gehörte auch das Thema der Digitalisierung. Das umfasst die inneren Abläufe der Verlage wie die Nutzung von elektronischen Lesegeräten oder die veränderten Lesegewohnheiten durch das Internet. Für diese Themen hatte die Messe die Verlagsexpertin Nina Klein, die in Brüssel ein Büro zur Beratung von Kreativwirtschaft leitet, als Kuratorin nach Mailand geholt.

„Wir haben zum Beispiel das Thema Fake News und fragen, was machen Bücher in einer Welt von Fake News“, sagte Nina Klein im Gespräch. „Was ist die Rolle von Büchern, die ja für Aufklärung stehen und standen? Welche Rolle spielen Bücher in einer Welt, in der Fake News mehr und mehr produziert aber auch konsumiert werden?“

Mit der Digitalisierung bricht eine neue Ära an

Neben inhaltlichen Fragen ging es dabei auch um Förderung des gesamten Verlagswesens, das ja gerade in einer Mischung aus Groß-, Mittel- und Kleinunternehmen den kulturellen Reichtum ausmacht. Und einen wichtigen Beitrag zur Presse-, Rede- und Meinungsfreiheit leistet. Der Börsenverein für den deutschen Buchhandel stellte zum Beispiel Innovationshilfen vor. Eine Initiative aus den Niederlanden präsentierte ein Programm, das start ups und Buchverlage in Austausch bringen kann.

„Bislang denkt jeder Verleger oder jeder Autor, dass man für sich alleine kämpfen muss“, so Nina Klein. „Aber meine Überzeugung ist, dass jetzt mit der Digitalisierung eine neue Ära anbricht, da braucht das Verlagswesen jede Form von Unterstützung. Wir müssen zusammen schauen, was in Europa in den verschiedenen Ländern passiert, und ein Netzwerk bilden, das über Grenzen hinweg geht.“

Rollenverteilung zwischen Mailand und Turin

Die Mailänder Messe Tempo di Libri versuchte also einen eigenen Weg zu gehen, auch wenn sie durch solche fachspezifischen Themenschwerpunkte nicht gerade ein Massenpublikum angezogen hat. Für einen Verleger wie Carlo Feltrinelli bleibt deshalb die Frage über den zukünftigen Standort einer nationalen Buchmesse in Italien und eine mögliche Rollenverteilung zwischen Mailand und Turin offen:

„Es geht darum, die Charakteristiken und Unterschiede dieser ersten Ausgabe von Tempo di Libri und vom folgenden Salone del Libro zu verstehen. Ich hoffe, dass beide Messen gelingen. Aber erst anschließend können wir Folgerungen ziehen.“

Mailand ist die Bücherhauptstadt Italiens. Hier sind mit Mondadori oder der Gruppe Mauri Spagnol die größten Verlage angesiedelt. Im Metropolraum werden pro Kopf so viele Bücher verkauft wie sonst nirgendwo in Italien. Das kleinere Turin konnte dagegen bislang mit dem Sympathiebonus einer fröhlichen Messe punkten. In Rom veranstaltet der Verlegerverband zusätzlich Anfang Dezember eine nationale Messe für kleinere und mittlere Verlage. Wenn Italien wirklich diese Messevielfalt braucht, dann sollten sich die zerstrittenen Organisatoren wenigstens dazu durchringen, die Veranstaltungstermine von Mailand und Turin zu entzerren.

Zum Thema hat der Deutschlandfunk einen Beitrag gesendet (Kultur heute, 21.April) – hier nachzuhören.

Info-links:
Verlegerverband AIE (Mailand): www.aie.it
Messe Tempo di Libri (Mailand): www.tempodilibri.it
Messe Salone del Libro (Turin): www.salonelibro.it