DER SALONE TAUMELT


Wird die italienische Buchmesse demnächst in Mailand organisiert?

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Bald nur noch Erinnerung? Besucher an einem Stand des Salone del Libro in Turin

Mailand/Turin – Der italienischen Buchmesse, die bislang in Turin stattgefunden hat, droht in ihrer traditionellen Form das Aus. Nachdem bereits vor ein paar Monaten der frühere Präsident der Stiftung des Salone del Libro wegen des Verdachts auf Veruntreuung zurücktreten musste, hat die Turiner Justiz am 12. Juli mehrere Personen festgenommen. Darunter zwei Führungskräfte der Messegesellschaft der Lingotto-Hallen, wo der Salone bislang veranstaltet wurde, sowie den Sekretär der Salone-Stiftung. Büros wurden durchsucht und Beweismaterial sicher gestellt. Die Turiner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen angeblicher Manipulation von Ausschreibungen der Durchführung für die Buchmessen von 2015 bis 2018. Möglicherweise wurden geheime Informationen an das Unternehmen weitergegeben, das sich so die Vergabe sichern konnte. Der italienische Verlegerverband AIE (mit Sitz in Mailand) prüft nun, ob man eventuell in eigener Regie eine neue Messe von 2017 an – etwa in Mailand – durchführen könnte.

Ermittelt wird ebenso gegen den langjährigen Kulturassessor der Stadt Turin. Nach Presseberichten wurde seine Wohnung durchsucht. Der Verwaltungsrat der Stiftung, die den Salone organisiert, ist en bloc zurückgetreten. Ihm gehörten unter anderem neben den Verlegern und einer Bankgruppe auch Vertreter der Stadt Turin, der Region Piemont sowie des römischen Kulturministeriums an. Mailand, wo die meisten und größten Verlagsgruppen Italiens ihren Sitz haben, hat bereits signalisiert, dass die Stadt bereit wäre, die kommende Buchmesse zu beherbergen. Zwischen dem Präsidenten des AIE Federico Motta und Vertretern der Stadt haben bereits erste Gespräche stattgefunden. Mailand, so die Hoffnung auf einen Wechsel, würde auch für eine stärkere Internationalisierung der Messe stehen.

Turin – ein neutraler Standort

Turin versucht dagegen unter der neuen Bürgermeisterin Chiara Appendino von der Fünf-Sterne-Bewegung, die Regionalhauptstadt des Piemont als Standort für die Buchmesse zu erhalten. Auch das Kulturministerium möchte offensichtlich Turin nicht aufgeben. Gespalten zeigen sich die Verleger. Großunternehmen wie Mondadori oder die Gruppe Mauri-Spagnoli favorisieren einen neuen Standort. Giuseppe Laterza (Bari/Rom) sprach sich dagegen aus, dass der Verband AIE, der bereits jedes Jahr im Dezember in Rom eine Messe für Kleinverlage („Più libri, più liberi“) organisiert, zusätzlich die nationale Buchmesse betreiben könnte. Das, so Laterza, würde nur zu einer Kommerzialisierung der Messe führen, die bislang vor allem wegen ihres kulturellen Charakters überzeugt habe. In den Augen vieler kleiner und mittlerer Verlage hat Turin als „neutraler Standort“ zwischen den Polen Rom und Mailand zudem ausgleichend wirken können.

NACHTRAG

Zehn Tage später, Mailand, 27. Juli: Der Rat (Consiglio generale) des Verlegerverbandes AIE beschließt die Gründung einer Gesellschaft zusammen mit der Messe Mailand. Ihr wird aufgetragen, die Buchkultur landesweit mit Veranstaltungen zu fördern. Dazu sollen gehören: eine nationale Messe in Mailand jeweils im Mai, der Ausbau der Messe für kleine und mittlere Verlage in Rom in Dezember und Initiativen in Süditalien an jeweils unterschiedlichen Orten (eine Art „Wandermesse“). Was die Zusammenarbeit mit der Buchstiftung angeht, die bislang den Salone del Libro in Turin veranstaltet hat, will man prüfen, ob es Veranstaltungen zur Buch- und Leseförderung geben kann, die sich „mit unserem Projekt“, so der Rat der Verleger, in Einklang bringen lassen. Doch die Entscheidung zu „unserem Projekt“ war alles andere als einmütig. Der Plan des Vorsitzenden des Verbandes Federico Motto erhielt bei einer Abstimmung 17 Stimmen, sieben Verleger votierten dagegen, acht enthielten sich. Der Verlag e/o kündigte nach der Abstimmung seinen Austritt aus dem AIE an.

Vereinen nicht trennen

Stimmen dazu: Es handele sich nicht um Mailand gegen Turin, so Motta, „sondern um unser Projekt. Ein Projekt der Verleger.“ Es gehe darum, „zusammenzufügen nicht zu trennen“, unterstreicht dagegen Carlo Feltrinelli, der gegen das Projekt stimmte. Mit ihm Marco Zapparoli (Marcos y Marcos): „Meine Stimme dagegen ist keine Stimme gegen Mailand, sondern der Versuch, Turin am Tisch zu behalten.“ Und Agnese Manni (Verlag Piero Manni) fürchtet, dass „eine Messe in Mailand, wo die großen Gruppen zuhause sind, die Kleinverlage benachteiligen könnte.

Anders dagegen Enrico Selva Coddé, CEO von Mondadori, der von einer „Stärkung der ganzen Verlegerschaft“ spricht. Stefano Mauri (Gruppo GeMS): „Der Verband war auf der Suche nach einem Verbündeten. Er hat ihn in der Messe Mailand gefunden.“ Das sei „ein neues Projekt, kein Umzug von Turin nach Mailand“, so Corrado Peraboni von der Mailänder Messegesellschaft. Filippo Del Corno, Kulturassessor von Mailand, hofft auf eine „breite Einbeziehung der Stadt und alle kreativen und unternehmerischen Kräfte.“

Ein Kulturkampf zwischen Mailand und Turin?

In Turin will man jetzt einen neuen Plan zur Stärkung des Salone del Libro vorlegen, der ebenfalls – und wie immer seit 30 Jahren – im Mai durchgeführt werden soll. Kommt es zu einem „Kulturkampf“ zwischen beiden Städten? Aber warum, so noch einmal Zapparoli, könnte man sich keine Zusammenarbeit Mailand-Turin vorstellen, wie es bereits erfolgreich in der Musik mit dem Festival MiTo (im September) vorgemacht werde? (Zitate nach einem Beitrag im Corriere della Sera vom 28.7.)

 

Siehe auch den Beitrag in der NZZ vom 30.7. („Nach Korruption droht Spaltung“) sowie den Bericht über den Salone 2016 („Zwischen Literatur und Spektakel“) auf Cluverius