DIE GROSSEN DREI


Der Palazzo Ducale Genua zeigt Arbeiten mexikanischen Maler, die in den 1920er Jahren die Bewegung des Muralismo begründeten. 

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Eine Ausstellung mit einer eigenen Geschichte: „Die Malerei der großen Muralisti“ im Palazzo Ducale von Genua

Genua (Palazzo Ducale bis 9.9.2018) – Im Eingangsraum der Ausstellung ist eine dynamische Pferde-Reiter-Darstellung von David Alfaro Siqueiros mit dem Titel „Zapata“ zu sehen. Der Titel verweist auf die Figur des mexikanischen Revolutionärs Emiliano Zapata, der 1919 ermordet wurde. Es ist eine Studie für eine Wandmalerei im Schloss Chapultepec, der ehemaligen Königsresidenz in Mexiko Stadt. Die Ausstellung México – La pittura dei grandi muralisti zeigt rund 70 Arbeiten von Diego Rivera, José Clemente Orozco und David Alfaro Siqueiros. Dazu kommen Fotos aus der bewegten Lebens- und Liebesbeziehung von Frida Kahlo und Diego Rivera.

Wer heute Mexiko besucht, wird an vielen öffentlichen Gebäuden große Wandmalereien finden. Dieser Muralismo ist Ausdruck einer politischen Kulturbewegung, die in den 1920er Jahren nach der Revolution gegen die Diktatur des Dìaz-Regimes begann. Eine Revolution, die heute noch zum Gründungsmythos des Landes gehört.

Damals propagierte der Philosoph José Vasconcelos als Schulreformer und Politiker eine Stärkung der nationalen Identität, die von einer Mischung unterschiedlicher ethnischer Gruppen und verschiedener Kulturen getragen wurde. Dabei stützte er sich auf „Muralisti“, auf Wandmaler wie Orozco, Siqueiros oder Rivera, die die mexikanische Kunstgeschichte auch Los Tres Grandes, „Die Großen Drei“ nennt.

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„Kain in den Vereinigen Staaten“ von David Alfaro Siqueiros (1947)

„Die Großen Drei werden vom damaligen Kulturminister Vasconcelos gerufen, um gemeinsam an einem Projekt zur Volksaufklärung zu arbeiten. Sie sollen von der sozialen und politische Geschichte Mexikos erzählen und die Kunst als Mittel zur Erziehung einsetzen.“ So Alessia Autuori, die Geschäftsführerin der römischen Ausstellungsgesellschaft Glocalproject. Sie hat die von Carlos Palacios kuratierte Ausstellung nach Genua gebracht.

Mit aller Kraft die Ketten sprengen

Die Wandmalereien werden dabei in einem Video und durch Abbildungen im Katalog präsentiert. Zum Beispiel das riesige Bild von David Alfaro Siqueiros (1896-1974) im Kunstpalast von Mexiko-Stadt, das unter dem Titel „Neue Demokratie“ eine barbusige Ureinwohnerin zeigt, die mit einer gewaltigen Kraftanstrengung ihre Ketten sprengt und dabei die Fackel der Freiheit trägt. Ihre Kerkerwächter liegen geschlagen am Boden. In der Ausstellung selbst, die sich auf kleinformatige Arbeiten beschränkt, und wie eine Folge von Monografien aufgebaut ist, stößt man aber auch auf erstaunlich experimentelle Gemälde von Siqueiros. In den 1940er Jahren hielt er in New York Workshops zu experimenteller Malerei ab, an denen auch ein Jackson Pollock, der Gründer des Actionpainting, teilnahm.

Der Besucher lernt also, dass die drei Künstler formal durchaus unterschiedlich gearbeitet haben. Allen drei gemeinsam jedoch ist neben einer dezidiert prokommunistischen Grundhaltung der überwiegend rotbraune Farbton ihrer Gemälde. Rotbraun wie die von der Sonne verbrannte Erde Mexikos.

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Foto mit Frida Kahlo und Diego Rivera 1929 auf einer Demonstration in Mexiko-Stadt

Von Diego Rivera (1886-1957) werden sowohl kubistische Arbeiten seiner Pariser Jahre gezeigt als auch Szenen aus dem Leben der mexikanischen Landbevölkerung. In einer kleinen zusätzlichen Abteilung sieht man Fotos, die seine bewegte Liebes- und Ehebeziehung zur 1954 gestorbenen Frida Kahlo widerspiegeln. Da ist auch ein Foto von Aurora Reyes Flores (1908-1995) zu sehen, der ersten Malerin in der Bewegung des Muralismo.

Ein schmaler Streifen Hoffnung

„Rivera“, so kommentiert Alessia Autuori, „war der Künstler, der am meisten gereist war und internationale Erfahrungen hatte. Aber auch er kommt in seine Heimat zurück und widmet sich dem mexikanischen Muralismo.“

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Vom Öffentlichen zum Privaten – „Pico und Inesita“ (1928) von Diego Rivera

José Clemente Orozco (1883-1949) stellte – wie in dem Gemälde „Das tote Kind“ – oft menschliches Leiden in den Mittelpunkt. Man sieht eine mit einem Kopftuch bedeckt Frau auf dem Boden sitzen, die den in Tüchern gewickelten Leichnam eines Kindes auf ihrem Schoß hält. Daneben steht trauernd ein alter Mann. In der dunklen, lichtlosen Szenerie wie vor einem Gewitter bleiben die Figuren nur schemenhaft angedeutet. Nur am Horizont leuchtet hoffungsvoll ein schmaler blauer Streifen auf. Die Komposition wirkt wie ein bitteres Gegenstück zur christlichen Darstellung der Geburt Jesu. Politische Kritik an herrschenden Figuren und gesellschaftlichen Verhältnissen übte Orozco vor allem in Karikaturen.

Eine aufgeschobene Ausstellung

Die Ausstellung erzählt über künstlerische Fragen des mexikanischen Muralismo hinaus eine Geschichte in der Geschichte. Denn sie wurde ursprünglich für eine Präsentation in Santiago de Chile im Spätsommer des Jahres 1973 zusammengestellt. Die Ausstellung sollte im September 1973 eröffnet werden, doch zwei Tage vor der Eröffnung kam es zum Staatsstreich von Pinochet. Die Werke wurden dann vom damaligen Kurator in Sicherheit gebracht. Und konnten fast ein Monat danach wieder nach Mexiko transportiert werden. „Mit demselben Flugzeug,“ erzählt Alessia Autuori. „in dem auch die Witwe Allende und ihre Tochter saß.“

Von dem Augenblick an hatten die Exponate Mexiko für 42 Jahre nicht verlassen.
Erst 2015 wurde die gleichsam aufgeschobene Ausstellung wieder in alter Form zusammen gestellt und in Santiago gezeigt. Aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben. Anschließend wanderte sie nach Argentinien und Peru. Nun ist sie – leicht verkleinert – im Palazzo Ducale von Genua zum ersten Mal in Europa zu sehen. Damals wie heute ziert Sequeiros Zapata-Studie die Umschlagseite des Katalogs wie auch die Werbeplakate.

México – Die Malerei der großen Muralisti. Palazzo Ducale, Genua. Bis 9.9.2018. Tgl. außer Mo 10.30 – 20 Uhr (Do auch bis 22 Uhr). Eintritt 12 Euro. Info: www.palazzoducale.genova.it   

Katalog (leider nur auf Italienisch) Silvana Editoriale (Mailand) 28 Euro

Der Deutschlandfunk (DLF) hat dazu in „Kultur heute“ vom 3.6.2018 einen Beitrag gesendet, der hier zu hören ist