DIE SCALA UND DIE SAUDI


Aufregung in Mailand um eine Beteiligung des Ölstaates am Opernhaus. Intendant Alexander Pereira möchte seinen Vertrag verlängern. Mögliche Nachfolger stehen schon Schlange

© Cluverius

Mehr Licht für die Scala durch Saudi-Gelder? Die Mailänder Oper am Abend

Mailand – Strecken die Saudi ihre Hände nach der Mailänder Scala aus? Sollen Ölgelder den Bühnenbetrieb schmieren? Die Rede ist von 15 Millionen Euro, die dem saudischen Königshaus oder dem von ihm kontrollierten Ölriesen Aramco einen Sitz im Verwaltungsrat der Bühne gleichberechtigt mit Vertretern des italienischen Staates und privaten Stiftungsmitgliedern wie Pirelli, Tod’s oder Allianz sichern würde. Schon gibt es eine parlamentarische Anfrage in der römischen Abgeordnetenkammer wegen der Beteiligung eines Landes, „das keine Garantien der fundamentalen Menschenrechte“ liefere.

Es ist vielleicht etwas übertrieben, von einer „Schlacht“ zu reden, wie in der Tageszeitung la Repubblica zu lesen war. Aber zu einem Opernhaus wie dem Teatro alla Scala gehören melodramatische Entwicklungen – man erinnert sich noch an den Türe schlagenden Abgang von Riccardo Muti als musikalischer Leiter vor 14 Jahren, der eine schwere künstlerische und institutionelle Krise der Mailänder Nobelbühne auslöste. Die bekamen zwei ausländische Intendanten nach und nach in den Griff: Der Franzose Stéphane Lissner als Sovrintendente 2005 bis 2014, der dann von dem Österreicher Alexander Pereira, viele Jahre Opernintendant in Zürich, abgelöst wurde.

Der Deal von Pereira

Pereira ist es auch, der den Deal mit dem Ölstaat eingefädelt hat. Und ihn jetzt mit Zähnen und Klauen verteidigt: „Wenn die Scala das Geld der Saudi nicht nimmt, dann werden es andere tun“, zitiert ihn der Corriere della Sera. Gemeint sind französische Kultureinrichtungen, die sich unter anderem bereits im großen Stil am Ausbau des Archäologie-Parks Al-Ula unweit von Medina beteiligen. Geld genug haben Saudi auch für andere kulturelle Unternehmen, was etwa die Ersteigerung von Leonardo da Vinci zugeschriebenen Gemäldes „Salvator Mundi“ für 450 Millionen US Dollar zeigt. Dagegen seien die Scala-Millionen doch nur Peanuts, kommentiert eine Mitglied des Verwaltungsrates der Oper.

Die Scala-Akademie als Geburtshelfer

Angefangen hatte alles Im Dezember vergangenen Jahres. Als Prinz Badr bin Abd Allah, der erste Kulturminister in der Geschichte des Ölstaates, zur Saisoneröffnung der Scala mit Verdis „Attila“ nach Mailand gekommen war und dabei auch mit Kulturminister Alberto Bonisoli zusammen traf, wurde das nur am Rade wahrgenommen. Es passte ins Bild, dass die Scala beziehungsweise die Scala-Akademie auch Saudi Arabien in ihr Tourneeprogramm 2019 und 2020 aufgenommen hatten.

Aber bei dem Besuch von Prinz Badr, einem engen Mitstreiter von Kronprinz und Verteidigungsminister Mohammed bin Salman, der in den Fall der Ermordung des saudischen Journalisten Khashoggi verstrickt sein soll, ging es offensichtlich um mehr. Im Januar flog Alexander Pereira nach Riad, um eine weitere Zusammenarbeit zu vereinbaren. Die Scala-Akademie, bei der in Mailand im großen Stil künstlerische wie technische Fachkräfte für den Opern- und Ballettbetrieb ausgebildet werden, soll federführend beim Aufbau einer Musikschule in Riad auftreten. Ein Projekt, das in Mailand wie beim Ministerium in Rom unumstritten scheint.

Pecunia non olet

Widerstand regt sich gegen die finanzielle Beteiligung der Saudi am Opernhaus selbst. Die Scala ist mit einem Jahresbudget von 125 Millionen Euro trotz öffentlicher Unterstützung (41 Millionen) und Eigeneinnahmen (39 Millionen) auf private Hilfe von außen angewiesen. Doch Gelder von den Saudi? „Eine Schande!“ kommentierte Bernard Henry Lévy gerade zu Gast in Mailand. Müssten Frauen demnächst mit Kopftuch in die Oper kommen, fragt polemisch die Berlusconi-Politikerin Daniela Santanché. Polemisch in die andere Richtung zeigt sich der ehemalige Berlusconi-Vertraute Fedele Confalonieri und fragt sich, was die Aufregung solle: „Pecunia non olet.“ Er hält die Debatte für „provinziell“.

Im Hintergrund geht es vielleicht um etwas anderes: Die Amtszeit von Alexander Pereira an der Scala läuft Mitte 2020 ab. Er würde gerne mindestens zwei Jahre länger als Intendant in Mailand bleiben. Doch es gibt Widerstand in der Stadt. Mit dem Saudi-Deal hätte er gute Karten beim Poker um eine Vertragsverlängerung. Aber die Stimmung droht sich nach einigen unglücklichen Interviews gegen ihn zu drehen.

Das Intendanten-Karussel

Derweil dreht sich schon das Intendanten-Karussell für die Zeit nach Pereira. Gute Chancen werden Carlo Fuortes eingeräumt. Fuortes ist zurzeit Chef der Oper in Rom, die er mit harter Hand regiert. Von den Gewerkschaften in Mailand würde er deshalb nicht gern gesehen sein. Er könnte aber Antonio Pappano als musikalischen Leiter an die Scala locken, falls Riccardo Chailly wie geplant 2022 ausscheidet. Im Gespräch für die Scala-Intendanz sind zudem der gegenwärtige Leiter der Oper Venedig Fortunato Ortombina oder der ehemalige Sovrintendente der Oper Turin Walter Vergnano. Wenig Chancen werden Ausländern wie Dominique Meyer (Staatsoper Wien) eingeräumt.

In etwas kürzerer Form ist der Text in der Neuen Zürcher Zeitung vom 7.3.2019 erschienen.
Siehe auch die Stuttgarter Zeitung vom 5.3.2019

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Auf Cluverius der Beitrag zur Accademia della Scala: „Das ist ein tolles Gefühl“ und die Saisoneröffnung mit Verdis „Attila“ (Dez. 2018)