„EINE MORALISCHE GRAZIE“


Arbeiten des von Goethe bewunderten Malers Guercino aus dem Frühbarock sind im Dom und im Palazzo Farnese von Piacenza zu sehen.

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Susanna im Bade (133 x 181 cm). Eine Arbeit von Guercino um 1649

Piacenza (bis 4.6.2017) – Im Jahr 1626 kam Giovanni Francesco Barbieri, den die Kunstgeschichte wegen eines Augenfehlers „il Guercino“ („den Schieler“) nennt, nach Piacenza. Im Dom der Residenzstadt der Farnese sollte er die kaum begonnen Arbeiten an der Kuppel vollenden, die der frühe Tod eines Vorgängers (Morazzone) unvollendet gelassen hatte. Ein Jahr später war das Werk abgeschlossen. Eine neue Lichtinstallation hat jetzt die farben- und formenprächtigen Fresken der Kuppel, die lange im Dunkel geblieben waren, zu neuem Leben erweckt. Aus Anlass der Einweihung ist zudem in der Capella Ducale des Palazzo Farnese eine Ausstellung mit Arbeiten von Guercino zu sehen. Rund 20 Exponate, die einen kleinen Überblick über sein gesamtes Schaffen geben wollen.

Guercino (Cento 1591 – Bologna 1666) war einer der bedeutendsten Künstler des Frühbarocks in Norditalien. Durch seine Kunst kam er zu Wohlstand. Auf ihn und seine Werkstatt gehen über 100 Altarbilder und weitere etwa 140 bekannte Gemälde zurück. Goethe, der auf bei seiner italienischen Reise in Guercinos Vaterstadt Cento – gelegen auf halbem Weg zwischen Ferrara und Bologna – Station machte, nannte ihn einen „innerlich braven, männlich gesunden Maler, ohne Rohheit.“ Er bewunderte das Bild eines auferstanden Christus und seiner vor ihm knienden Mutter, die ihn „mit unbeschreiblicher Innigkeit“ anblickt.

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Doppelbildnis mit Giovanni Manzini und Guercino (rechts) von Benedetto Gennari um 1664

Zwischen dem Heiligen und dem Sakralen

Diese Arbeit ist jetzt auch in der Ausstellung von Piacenza zu sehen, die unter dem Titel „Zwischen dem Heiligen und Sakralen“ die beiden Seelen des Künstlers widerspiegelt. Wobei der Maler bei realen Szenerien viel überzeugender und gleichsam moderner wirkt als bei religiösen Andachten, durch die er deutlich an seine Zeit gekettet bleibt. Manchmal wie bei einer „Susanna im Bade“ oder einer Wunderheiligung durch den Heiligen Carlo Borromeo gehen die Ebenen ineinander über. In, wie Goethe kommentierte, „eine moralische Grazie, eine ruhige Freiheit und Großheit.“

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Die Kuppel von Santa Maria Assunta in Piacenza mit den Fresken von Guercino

Das gilt ebenso für die Fresken im Dom, die man bei Gruppenführungen im Rahmen einer Besichtigung über enge Treppengänge ansteigend ganz aus der Nähe besichtigen kann. Mit Guercino ist auch das ganze Piacenza, die nördlichste Kreisstadt der Region Emilia-Romagna, zu entdecken. Auf dem Weg zwischen Parma und Mailand wird der am Po gelegene alte Ort mit seinen Monumentalbauten wie dem Stadthaus „il Gotico“ und schönen Plätzen zu unrecht viel zu schnell durchfahren. Bereits das Museum im Palazzo Farnese ist eine Reise wert. Zugleich ist der Ort Ausgangspunkt für herrliche Exkursionen in den Apennin. Und nicht zu vergessen das Kirchlein San Sisto am Stadtrand, für das Raffael seine berühmte Sixtinische Madonna malte, die heute in Dresden viele Bewunderer anzieht. Guercino, so ist in der Lokalpresse zu lesen, soll jetzt 20.000 Besucher nach Piacenza bringen.

Guercino a Piacenza. Cattedrale S. Maria Assunta / Palazzo Farnese, Piacenza, bis 4.6.2017. Mo geschl. Katalog „Guercino tra sacro e profano“ (Skira editore, Mailand) 35 Euro
Info: www.guercinopiacenza.com