im Kino: A Ciambra


Im Film von Jonas Carpignano über das Erwachsenwerden eines jugendlichen Roma durchringen sich Fiktion und Dokumentation

copyright Prod. A Ciambra

Die Freundschaft als Probe – Der junge Roma Pio (Pio Amato) und der Einwanderer Ayiva (Koudous Seihon)

Mailand (Cinema Palestrina) – Der Film A Ciambra erzählt die Geschichte des 14jährigen Pio. Pio lebt in einer kleinen Gemeinschaft von Roma in Ciambra, einem berüchtigten Vorstadtviertel der Stadt Gioia Tauro (Kalabrien). Hier treffen Randgruppen der Gesellschaft aufeinander: Immigranten, Mafiosi und eben Roma, „die Zigeuner“. Eigentlich noch Kind will Pio in die Welt der Erwachsenen seiner Volksgruppe mit ihren Verhaltsmustern und Regeln meist jenseits der Legalität so schnell wie möglich hinein wachsen. Zäh verfolgte er sein Ziel, bis er, gleichsam als ein Initiationsritus, Verrat an dem afrikanischen Einwanderer Ayiva begehen soll, der ihm ein Freund geworden ist.

Der 33jährige Regisseur Jonas Carpignano, in New York geboren, Sohn eines Italieners und einer Afroamerikanerin, erzählt diese fast klassische „Entwicklungsgeschichte“ ohne jeden pädagogischen oder moralischen Unterton. Nach einem Dokumentarfilm über das Immigrantenlager Rosarno bei Gioia Tauro war er in Kontakt mit den Roma von Ciambra gekommen und konnte ihr Vertrauen gewinnen. So entstand ein Dokumentarfilm über sie und anschließend dieser Spielfilm. In ihm spielen die Roma, allen voran Pio Amato, sich selbst, was der Arbeit eine bedrückende Authentizität gibt.

Überzeugende Bildsprache

Meist mit der Handkamera gedreht überträgt der Film das rastlose Versuchen von Pio, sich endlich zu den „Männern“ stellen zu dürfen, in eine überzeugende Bildsprache. Zugleich gelingen aber auch erzählerisch-poetische Passagen. Was jedoch bleibt, ist Elend als Existenz. Ein täglicher Kampf auch um das physische Überleben. Und es bleibt der Traum von einer vergangenen Welt in Freiheit, von der Pios Großvater dem Enkel kurz vor seinem Tod erzählt hat.

Der Film wurde in diesem Jahr in Cannes als bester europäischer Film auf der „Quinzaine des Réalizateurs“ ausgezeichnet. Von dem Regisseur Jonas Carpignano darf man sich noch einiges erwarten. Das italienische Kino, das in diesem Jahr bereits mit mehreren unabhängigen Produktionen (zuletzt Filme wie „Cuori puri“, „Sole, cuore amore“ oder „I figli della notte„) überzeugen konnte, ist auf dem besten Weg, auf zeitgemäße Art an den Neorealismus den 1940er und 1950er Jahre anzuknüpfen.MV5BNzNkZjA3ZWItNmE2ZS00MzM1LTllNTItMWM1MzkwYjViZDQ3XkEyXkFqcGdeQXVyMjY4MjAwNTM@._V1_UY268_CR8,0,182,268_AL_

A Ciambra. Mit Pio Amato, Koudous Seihon, Iolanda Amato, Damiano Amato. Buch und Regie: Jonas Carpignano. Kamera: Tim Curtin. 120 Minuten. Produktion Italien, Frankreich, Deutschland 2017

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