in der Oper: Attila


Mit der patriotischen Oper des jungen Verdi eröffnet die Mailänder Scala unter großem Applaus ihre neue Spielzeit

© Brescia/Amisano - Teatro alla Scala

Rache im Namen des Vaterlandes – Saioa Hernandez als Odabella  e und Ildar Abdrazakov als Attila

Mailand (Teatro alla Scala bis 8.1.2019) – Kein Opernhaus der Welt feiert so festlich und so selbstbewusst seine Saisoneröffnung, wie es das Teatro alla Scala regelmäßig am 7. Dezember unternimmt. In diesem Jahr war das „Attila“ von Giuseppe Verdi. Riccardo Chailly dirigierte, Davide Livermore führte Regie und es sangen und spielten u.a. Saioa Hernández, Ildar Abdrazakov, Fabio Sartori und George Petean. 15 Minuten Applaus am Ende belohnten ihren Einsatz. Millionen  verfolgten die „Inaugurazione“ im Fernsehen, in Kinosälen, am Radio oder bei Übertragungen in Sozialeinrichtungen und öffentlichen Anlagen.

Staatspräsident Sergio Mattarella war gekommen und erlebte eine  patriotische Inszenierung mit vaterländischen Tönen und der italienischen Fahne in der Hand von Rebellen. Patriotisch reagierte auch das Publikum, als Mattarella kurz vor Beginn der Vorstellung die Ehrenloge betrat und minutenlang gefeiert wurde. Da wurde einem Mann der Rücken gestärkt, der mit seinen kargen politischen Mitteln versucht, den Schlingerkurs der populistischen Regierung in Rom weiter in demokratischen Bahnen zu halten.

Eine neue Zeit am Horizont

Das waren unruhige Zeiten, als der junge, 32jährige Verdi die Oper Attila schrieb, die am 17. März 1846 in Venedig uraufgeführt wurde. Zwar regierten in Europa die Mächte der Restauration, doch überall auf dem Kontinent fand neues Gedankengut Anhänger. Zwei Jahre später brachen sich revolutionäre Kräfte Bahn. Eine neue Zeit tauchte am Horizont auf, obgleich die Revolten von 1848 in ganz Europa niedergeschlagen wurden. Und es fast zwei Jahrzehnte dauern sollte, bis Italien sich dann von Fremdherrschaft im Norden und einer verfaulten Feudalmonarchie im Süden befreien und zu staatlicher Einheit finden konnte.

Die Oper erzählt von dem Versuch des Hunnenkönigs Attila mit seinen barbarischen Heerscharen das römische Italien zu beherrschen und Rom einzunehmen. Vor den Mauern Roms weicht er in einem Moment mystischer Visionen zurück, als der Papst mit einer Prozession von Jungfrauen und Kindern vor der Zerstörung der Hauptstadt des Christentums warnt. Und schließlich rächt die von ihm zur Frau begehrte Odabella den Tod ihres Vater, der als Herrscher von Aquileia bei der Zerstörung der Stadt von Attila ermordet worden war. Bis aber Rache siegt, muss sich Odabella den Verwürfen ihres Geliebten Foresto erwehren. Der junge Freiheitskämpfer will mit seinen Anhängern selbst Attila aus dem Weg räumen und verdächtigt Odabella, mit dem Hunnenkönig gemeinsame Sache zu machen und das Vaterland zu verraten.

© Brescia/Amisano - Teatro alla Scala

Jugendlicher Liebhaber und feuriger Freiheitskämpfer – Fabio Sartori als Foresto

Regisseur David Livermore verlegt die Handlung ins kriegerische 20. Jahrhundert. Einerseits unterstreicht er die Aspekte des Freiheitskampfes. Eindrückliche Videosequenzen machen auch Rachegefühle Odabellas glaubhaft. Er zeichnet Attila zwar als brutalen Herrscher doch gleichzeitig als „ehrliche Haut“, die sich auf keinen politischen Handel einlassen will und schließlich ihren Gefühlen folgt. Der russische Bass Ildar Abdrazakov, vom Publikum auch bei nachfolgenden Aufführungen gefeiert, gibt dem Barbarenkönig trügerische Glanz und Kraft. Überzeugend wirkt die Spanierin Saioa Hernández bei ihrem Scala-Debüt. Wundervolle Wärme zeichnet die Stimme des Tenors Fabio Sartori aus. Doch bleibt er mit einer runden, ballförmigen Figur etwas drollig als Liebhaber und Revolutionär. Kräftig untermalt der Chor den Handlungsverlauf.

Eine Neubewertung des jungen Verdi

Riccardo Chailly, musikalischer Direktor der Scala, verfolgt mit der Aufführung von Attila eine dramaturgische Linie. Es geht ihn um eine Neubewertung des jungen Verdi. Vor drei Jahre führte er Giovanna d’Arco auf, 2020 soll Macbeth folgen. Man kann an seiner erdigen, die langsamen Partien favorisierenden Interpretation Gefallen finden, die mehr die bedrückenden Dramatik des kriegerischen Hintergrunds und die Stimmung Attilas aufgreift als die Freiheitsträume der Unterdrückten. Oder besser gesagt: musikalisch hat Chailly eine Linie vorgegeben, der sich Livermore willig anschließt – dieser Attila ist eine patriotische Oper, die sich zugleich populistischer Interpretationen verschließt.

Attila. Ein Operndrama mit einem Prolog und drei Akten von Giuseppe Verdi. Libretto von Temistocle Solera und Francesco Maria Piave. Mit Ildar Abdrazakov (Attila), George Petean (Ezio), Saioa Hernández (Odabella), Fabio Sartori (Foresto), Francesco Pittari (Uldino), Gianluca Buratto (Leone). Chor und Orchester des Teatro alla Scala. Musikalische Leitung: Riccardo Chailly. Regie: Davide Livermore. Bühne: Giò Forma. Kostüme: Gianluca Falaschi. Licht: Antonio Castro. Video: D-Wok. Bis 8. Januar 2019

Vorführung gesehen am 11. 12.

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