JEDEN PREIS WERT


Die Violinen großer Geigenbauer aus Cremona – zum Beispiel die Arbeiten von Giuseppe Guarneri del Gesù, der vor 275 Jahren starb

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Schatzkammer für alte (und neue) Instrumente – Violinenmuseum in Cremona mit Arbeiten u. a. von Amati, Stradivari und Guarneri del Gesù

Mailand/Cremona – Cremona gilt als die Hauptstadt des italienischen Geigenbaus. Neben Antonio Stradivari spielt Giuseppe Guarneri eine Hauptrolle in der Traditionsgeschichte. Die Nachwelt gab ihm den Beinamen „del Gesù“, weil er das Christusmonogramm IHS als Markenzeichen benutzte. Giuseppe Guarneri del Gesù 1698 geboren, starb vor 275 Jahren am 17. Oktober 1744 in Cremona im Alter von 46 Jahren. Im Museo del Violino von Cremona wird u.a. die Violine „Stauffer“ von Guarneri del Gesù aufbewahrt. Zur Zeit ist auch eine Ausstellung über den Musiker Paolo Diana (1799-1834), genannt Spagnoletti, zu sehen, der einer Geige Guarneris seinen Namen gab.

In der kulturellen Umbruchzeit, die von der Renaissance über den Manierismus zum Barock führte, gewann neben neuen Formen des Gesangs, etwa in der Oper, die Instrumentalmusik an Boden. Italien wurde zum führenden Musikland. Möglich wurde das auch durch technisch verfeinerte Instrumente, die nicht nur begleiten, sondern als Solostimme die Melodie tragen konnten. Es waren Streichinstrumente wie die Violine, die immer mehr die Szene beherrschten.

Die Werkstatt der Amati

Zwischen Mailand und Venedig suchten zahllose Werkstätten nach einer idealen Formung für reiche Akustik und kraftvollen Klang. In der lombardischen Stadt Cremona, 50 Kilometer südöstlich von Mailand gelegen, entwickelte die Werkstatt der Familie Amati im 16. Jahrhundert die Violine, wie wir sie heute noch kennen. Und machte Cremona für fast zweihundert Jahre zu einem Zentrum des Geigenbaus in Europa. Neben den Amati sind es vor allem Arbeiten der Familien Stradivari und Guarneri, die bis heute den Ton angeben und auf Auktionen Höchstpreise erzielen.

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Stradivari-Denkmal in Cremona

Der junge Violinist Ray Chen, in Taiwan geboren, in Australien aufgewachsen, ist mit 30 Jahren bereits ein Weltstar. Bei einem Besuch des Museo del Violino in Cremona spielte er kürzlich die Violine „Principe Doria“ von Giuseppe Guarneri del Gesù aus dem Jahr 1734 – und war begeistert: „It has a magic!” Diese Violine habe etwas Magisches, sagt Ray Chen. Das Spielen auf den alten Instrumenten sei fundamental für die eigene musikalische Entwicklung. Cremona ist mit dem Museum, seinem phantastischen Auditorium, dem Stradivari-Festival und der Messe für Streichinstrumente ein Zentrum der Geigenbaukunst geblieben. Hier leben und arbeiten mehrere Dutzend „liutai“, Geigenbauer. Unter ihnen betreibt Elisabetta Giordano eine eigene Werkstatt. Die 48jährige orientiert sich dabei besonders an den Arbeiten von Guarneri del Gesù. Sie will sie nicht kopieren, „aber sie sind mir ein Vorbild.“

Finanzielle Sorgen

„Leider weiß man nur wenig über sein Leben“, erzählt sie im Gespräch. „Es wird sicher nicht leicht gewesen sein. In jener Zeit gab es immer wieder Kriege, die Pest forderte Opfer, man konnte früh sterben.“ Giuseppe Guarneri, geboren 1698, wuchs wohl in der Geigenbauwerkstatt des Vaters auf, die er aber als rund Zwanzigjähriger verließ. Fausto Cacciatori, Konservator am Museo del Violino von Cremona, erläutert den Hintergrund:

„Vermutlich hat er die Familie und die Werkstatt des Vaters verlassen, als der in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Ökonomische Probleme machten damals vielen Geigenbauern in Cremona zu schaffen, wenn man einmal von dem überaus erfolgreichen Betrieb von Stradivari absieht.“

Das Leben Guarneri del Gesùs lässt sich nur lückenhaft rekonstruieren. Es kursieren Legenden über eine mehrjährige Haftstrafe, die er absitzen musste. Aber das sind wohl wirklich Legenden. Auch die über einen langen Aufenthalt in Brescia, wo er in Kontakt mit dortigen Geigenbauern gekommen sein sollte. Als sein Vater erkrankte, kehrte er in die heimische Werkstatt zurück. Und begann einen Traditionsbruch, wie Fausto Cacciatori erzählt:

„Guarneri del Gesù missachtete die Regeln, die in den Werkstätten der Stadt traditionell entstanden waren. Er fing an, ein eigenes Markenzeichen zu benutzen, als der Vater noch lebte. Das hatte es vorher nie gegeben.“

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Vom Meister signiert

Das Christusmonogramm

In Cremona galt unter Geigenbauern: Solange Vater und Sohn in einer Werkstatt zusammen arbeiteten, wurden die Instrumente mit dem Etikett des Vaters signiert. Von etwa 1730 an benutzte der Sohn Guarneri aber bereits sein eigenes Zeichen. Und er brach mit seinem Christusmonogramm auch mit der Tradition der Familie, die sich bislang auf Santa Teresa und die Karmeliter berufen hatte. Unsicher ist, ob Giuseppe Guarneri damit sich unter den Schutz der Jesuiten stellen wollte oder sich dem Heiligen Bernhardin von Siena verpflichtet fühlte, der das Zeichen ebenfalls benutzt hatte.

Was nun ist das Besondere an diesen Violinen? Guarneris Instrumente waren robuster, weniger auf ästhetische Details bedacht und setzen sich so von anderen Geigenbauern wie etwa Stradivari ab. Ihr Klang sei dunkler, nähere sich dem einer Viola, beschreibt Elisabetta Giordano: „Der Ton der Stradivari ist ausgeglichener. Der von Amati ist weicher, er erinnert mehr an die menschliche Stimme. Aber der von Guarneri beeindruckt mehr als die anderen.“

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Violine „Spagnoletti“ von Guarneri del Gesù – Ausstellung im Museo von Cremona

Der Teufelsgeiger und seine „Cannone“

Giuseppe Guarneri del Gesù starb am 17. Oktober 1744 im Alter von 46 Jahren, nur sieben Jahre später als Antonio Stradivari, der weit über 90 Jahre alt wurde. Gegenüber dessen Produktion aus einer Werkstatt mit vielen Gehilfen bleibt die des Einzelgängers Guarneri del Gesù bescheiden. Fausto Cacciatori geht von rund einhundert Violinen aus.

Ihr Klang faszinierte einen Virtuosen wie Niccolò Paganini, der Anfang des 19. Jahrhunderts als „Teufelsgeiger“ ganz Europa in seinen Bann zog – und natürlich auf einer „Guarneri del Gesù“ spielte – die berühmte „Cannone“ von 1743. Noch heute greifen Violinisten zu Guarneris Instrumenten, wenn sie den gefühlsstarken Ausdruck suchen. Auf Auktionen erzielen sie Höchstpreise. Im Jahr 2010 wurde eine „Guarneri del Gesù“ mit dem Beinamen „Vieuxtemps“ für 18 Millionen Dollar versteigert – der höchste Preis, der je für eine Violine bezahlt wurde.

Ein Wahnsinnspreis? Elisabetta Giordano lächelt versonnen: die alten Instrumente seien jeden Preis wert.

 

Zum 275. Todestag von Giuseppe Guarneri del Gesù hat der Deutschlandfunk am 17. Oktober 2019 ein Kalenderblatt gesendet.

Siehe auch die Veröffentlichung von Elia Santoro: Giuseppe Guarneri, detto del Gesù. Il liutaio del tardo barocco cremonese. Editrice Turris, Cremona 1982