LICHT ALS MATERIE


Arbeiten von Per Kirkeby im Tessiner Kunstmuseum von Mendrisio

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Das grüne Pferd als Verweis auf die Kunstgeschichte – „Ohne Titel“ (2010)

Mendrisio (bis 29.1.2017) – Der dänische Altmeister Per Kirkeby ist über die Alpen gestiegen. Das Museo d’arte von Mendrisio (Tessin) zeigt eine große Retrospektive des 1938 in Kopenhagen geborenen Künstlers und Geologen. Zum ersten Mal im italienischen Sprachraum sind so rund 80 vorwiegend malerische Arbeiten zu sehen. Dazu kommt eine kleine Auswahl von Skulpturen. Kirkeby hatte in den 1960er Jahren mit Beuys zusammen gearbeitet und als Unabhängiger zur Fluxus-Szene gehört. Später wandte er sich dann eher traditioneller Malerei und Skulptur zu. Er wurde mehrfach zur Kunstbiennale Venedig und zur Documenta Kassel geladen und unterrichtete an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe und an der Städelschule in Frankfurt. Die vielseitig Interessierte beschäftigte sich außerdem mit Lyrik und Architektur, schuf Bühnenbilder, realisierte Filme und machte sich auch einen Namen als Kunstkritiker.

Als ausgebildeter Geologe unternahm er Forschungsreisen unter anderem nach Grönland und Zentralasien. Davon zeugen in Mendrisio eine Reihe von Aquarellen, die als Schlüssel zum Verständnis besonders für die späten Arbeiten dienen. Die Beobachtung der Natur ist die Grundlage einer Malerei, die sich gleichsam expressionistisch vom Gegenständlichen entfernt und nur noch in farblichen Andeutungen auf die Wirklichkeit bezieht. Kirkeby wehrt sich jedoch gegen die Einordnung als „abstrakter Landschaftsmaler“. Es geht ihm um eine Art malerisches Nachdenken über den Zustand der dinglichen wie der geistigen Welt. Wobei das Licht, das in diesen Bildern auftaucht, eine Hauptrolle spielt. „Licht ist Materie und Materie ist Licht“, kommentiert der Künstler. Beim Malen breite es sich in alle Richtungen aus.

Eine zweite Natur, vom Mystizismus durchdrungen

Nach einem Gehirnschlag im Jahr 2000 konnte sich der heute 78jährige, der im Rollstuhl an der Eröffnung der Ausstellung im Tessin teilnahm, wieder erholen.

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Per Kirkeby und der Kurator Simone Soldini

Er begann eine neue Phase bildnerischer, großformatiger Arbeiten, in denen er Fremdkörper in seine farblichen Naturen integrierte. Etwa in dem zwei mal drei Meter großem Gemälde „Ohne Titel“ (2010) mit einem grünen Pferd, das auf eine Holzschnitt von Hans Baldung Grien aus dem Jahr 1515 verweist. In einem Essay des Katalogs der Ausstellung spricht der Kritiker Siegfried Gohr von einer „zweiten, von Mystizismus durchdrungenen Natur“ im Alterswerk von Kirkeby,

Mit dieser anregenden Ausstellung, die der Direktor des Museo d’arte Simone Soldini kuratiert hat, erweisen sich das Tessin und seine Kultureinrichtungen in Lugano, Montagnola, Mendrisio, Rancate und Chiasso wieder einmal als Brückenkopf zwischen Nord und Süd und unterschiedlichen künstlerischen Welten.

Per Kirkeby. Dipinti,sculture, acquarelli 1982 – 2011. Museo d’arte, Mendrisio (montags geschl.). Katalog, 160 Seiten, 35 Schweizer Franken.
Info: www.mendrisio.ch/museo