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Das umgebaute ägyptische Museum in Turin versucht einen Neustart

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Neueröffnung nach langer Umbauzeit – das Museo Egizio

Turin. Fast 200 Jahre ist das ägyptische Museum von Turin alt. Doch nach einem dreijährigen Umbau, der jetzt abgeschlossen ist, scheint es ganz neu. Während der Bauarbeiten konnte nur jeweils ein kleiner Teil der Sammlung, die zu den bedeutendsten der Welt gehört, ausgestellt werden. Mit der Wiedereröffnung am 1. April hat das Museum mit 10.000 Quadratmeter seine Ausstellungsfläche fast verdoppelt. Gezeigt werden über 6000 Fundstücke des Zeitraums von 4000 vor Christus bis zur Islamisierung Ägyptens um 700 nach Christus. Der Gesamtbestand beträgt rund 26.000 Artefakte. Zu den Höhepunkten des chronologisch geordneten Rundgangs gehören Wandbilder aus dem Grab von Iti (um 2100 vor Christus), Funde aus dem Grab von Kha, die sogenannte Kapelle von Maia (jeweils um 1400 vor Christus), die Galerie der Sarkophage aus mehreren Epochen, sowie die große Sammlung der Papyri mit unter anderem dem „Königspapyrus“– eine Liste in hieratischer Schrift der altägyptischen Pharaonen vor Ramses II – aus dem 13. Jahrhundert vor Christus.

Das Museum wurde 1824 vom piemontesischen König Carlo Felice begründet und ist damit eines der ältesten seiner Art. Der Monarch hatte dafür Teile einer bedeutenden Privatsammlung (rund 100 Statuen, 170 Papyri und außerdem Stelen, Sarkophage, Mumien, Bronzearbeiten, Amulette und Alltagsgegenstände) erworben. Eine für damalige Zeiten außerordentliche Sammlung, die Anfang des 20. Jahrhunderts auch durch eigene Grabungen erweitert werden konnte. Als staatliche Einrichtung blieb das „Museo Egizio“ jedoch lange Zeit ein Ziel für Liebhaber und Kenner. 2004 wurde es in eine neue Rechtsform (private Stiftung mit öffentlicher Beteiligung) überführt.

Aus Anlass der olympischen Winterspiele 2006 entstand ein effektvoll von einem Bühnenbildner gestalteter „Saal der Könige“ für die beeindruckende Sammlung teilweise überlebensgroßer Statuen. Die Zahl der Besucher wuchs schnell auf über 500.000 im Jahr, was schließlich den Umbau und die Erweiterung der Räumlichkeiten in einem barocken Palazzo der Turiner Innenstadt notwendig machte. Die Kosten dafür (50 Millionen Euro) teilten sich die öffentlichen Hand und eine Bank. Ziel der Museumstiftung sind jetzt jährlich 800.000 Besucher.

Ein neuer Direktor bringt Schwung

Neu ist auch der Direktor Christian Greco, der seit einem Jahr im Amt ist und zuletzt die ägyptische Abteilung des Völkerkundemuseums im niederländischen Leiden geleitet hatte. Der junge, 39jährige Ägyptologe hat dem Turiner Museum eine mehr wissenschaftliche Ausrichtung verordnet. Er will weg von einer eher antiquarisch auf kunstvolle Sammlungsobjekte ausgerichteten Ausstellung und dagegen die archäologischen Grundlagen betonen.

So wird jetzt auch die jeweilige Grabungsgeschichte der Exponate mit Fotos, Videos und Schrifttafeln dokumentiert. Die Saalinschriften sind dreisprachig auf Italienisch, Englisch – und Arabisch, um die Bedeutung und die Verbundenheit mit dem Ursprungsland zu betonen. Seit der Unesco-Konvention von 1970 über den Handel mit Kulturgütern dürfen keine bedeutenden Grabfunde mehr aus dem Herkunftsland ausgeführt werden. Greco, der also seine Bestände nicht mehr erweitern kann, setzt dafür auf größeren wissenschaftlichen Austausch. Er möchte das Museum auch zu einem Forschungsinstitut machen. Exponate von einem gemeinsamen Fundort, die aber zwischen Turin und Kairo, London oder New York weltweit verstreut sind, will er virtuell wieder zusammen fügen. Als ersten Schritt für ein „großes ideales ägyptisches Museum“, wie er sagt. Die Wiedereröffnung nach dem Umbau gilt ihm nicht als Abschluss, sondern als Beginn eines Neuanfangs. (Info: www.museoegizio.it)

In gekürzter Fassung veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung am 5.Mai 2015