MIT VIEL SCHWUNG


Annette Seemann erzählt das rastlose Leben der Mäzenin und Sammlerin Peggy Guggenheim, die vor 120 Jahren geboren wurde.

Exzentrisch – Peggy Guggenheim mit einem ihrer geliebten Terrier in Venedig

Mailand – Sie war vermögend, unternehmenslustig und fürchte nichts auf der Welt wie die Langweile. Peggy (Marguerite) Guggenheim, Erbin einer der reichsten Familien der Vereinigten Staaten, floh die bigotte Enge der amerikanischen Oberschicht und stürzte sich in New York wie Paris, in England wie in Italien in ein abenteuerliches Leben. Ein Leben an der Seite von Intellektuellen und Künstlern, die sie finanziell unterstützte und von Samuel Beckett bis Max Ernst nicht selten mit ihrer Liebe verfolgte. 1898, vor 120 Jahren also, wurde sie in New York geboren. Im Alter von 81 Jahren starb sie 1979 unweit von Venedig, wo sie zusammen mit ihrer großartigen Kunstsammlung ein Zuhause gefunden hatte. Eine kleine Biographie von Annette Seemann lässt uns ihre Spuren verfolgen.

Mit viel Schwung geht Annette Seemann die Lebensgeschichte der Peggy an. „Ich bin eine befreite Frau“, sagt sie selbst, nachdem sie das Großbürgertum durch die Bohème ersetzt hatte. Ihre Biographie durchzieht eine rasante Folge von wechselnden Liebschaften, Orten, Ereignissen. Schicksalsschläge wie den Verlust geliebter Menschen überwand sie mit neuen fieberhaften Aktivitäten. Ein Jahrhundert passiert Revue wie im Laufschritt, zwei Weltkriege springen vorbei, in der Gesellschaft wie in der Kunst vollziehen sich radikale Veränderungen. Doch Peggy Guggenheim bleibt sich treu: eine lebenslange Flucht vor der Langweile, naiv wie provokant, großherzig wie egoistisch, solidarisch wie selbst zerstörerisch.

Die Lust am Besitz

Und sie kommt auch nicht zur Ruhe, als sie schließlich in der Kunst ein Ventil findet, ihrer Existenz einen Sinn zu verleihen. Peggy, so schreibt die Autorin, empfinde die gleiche erotische Faszination für ein Kunstwerk wie für einen Mann oder die Schönheit einer Frau: „Sie sieht, sie berührt – und möchte besitzen.“

Man wird beim Lesen in diesen Rausch gleichsam wie in eine rasante Karussellfahrt mit einbezogen. Die 144 Seiten in dem kleinen Format (12 x 19 cm) und augenfreundlich groß gesetzt sind schnell ausgelesen. Hier und da kommen allerdings Schwindelgefühle auf, wenn die Autorin zuviel Informationen in einen Satz packt. Ein paar Seiten mehr hätten dem Buch vielleicht ganz gut getan. Das Leben Peggys hätte sie spielend hergegeben.

Annette Seemann stützt sich hauptsächlich auf die in New York erschienenen Lebenserinnerungen von Peggy Guggenheim Out of this Century (erste Auflage 1946, erweitert und aktualisiert im Jahr ihres Todes 1979). Sie zieht aber auch Arbeiten von Biographen wie Laurence Tacou-Rumney (auf deutsch unter dem Titel Peggy Guggenheim – Das Leben eine Vernissage bei Heyne, München 2002) heran. Darin sind zudem wundervolle Fotostrecken ausgebreitet. Die Fotos in dem vorliegenden Band dagegen versinken leider in Grauschleiern.

Annette Seemann: Ich bin eine befreite Frau. Peggy Guggenheim. ebersbach & simon, Berlin 2018. 144 Seiten, 16,80 Euro