OHNE LIEBE ZUR MUSIK


Die hochverschuldete Oper von Verona will die Ballettsparte einsparen. Drohen jetzt Streiks?

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Schatten über den Opernfestspielen in der Arena di Verona

Verona – Die traditionellen Opernfestspiele in der Arena von Verona, die im Juni mit einer Wiederaufnahme der „Carmen“ in der ziemlich angestaubten Regie von Franco Zeffirelli begonnen hatten, neigen sich ihrem Ende zu (bis 28.8.). Ob der Spielplan aber überhaupt wie vorgesehen erfüllt werden kann, ist ungewiss. Zumindest am kommenden Sonntag könnte die „Aida“ ohne Balletteinlagen über die Freilichtbühne in der Arena gehen. Die Tänzerinnen und Tänzer wollen die Aufführung bestreiken, nachdem bekannt geworden war, dass die Opernstiftung Verona ihre Ballettsparte in Zukunft ganz einsparen will.

Seit geraumer Zeit schleppt die Fondazione Arena di Verona (Jahreshaushalt rund 45 Millionen Euro) einen kontinuierlich wachsenden Schuldenberg von inzwischen über 20 Millionen Euro mit sich. Rechnungen werden nicht mehr bezahlt und Künstler müssen lange auf ihre Gagen warten. Die Gründe liegen in einem Mix aus hohen Personalkosten, sinkender staatlicher Unterstützung, Zuschauerschwund auch wegen eines mutlosen, nur rückwärts gewandten Spielplans und fehlender Unterstützung durch Sponsoren aus dem privatwirtschaftlichen Umfeld der Stadt. Zu den Aufgaben der Stiftung gehört auch eine Winterspielzeit mit Oper-, Ballett- und Konzertveranstaltungen. Sie findet von Mitte Dezember an im Teatro Filarmonico statt. Doch bringt sie beim Kartenverkauf nur einen Bruchteil von dem ein, was im Juli/August in der Arena kassiert werden kann.

Ein Sanierungsplan für drei Jahre

Seit April dieses Jahres wird die Fondazione – wie schon einmal im Jahr 2008 – kommissarisch zwangsverwaltet. Das Kulturministerium hat damit den Intendanten der römischen Oper Carlo Fuortes beauftragt. Er soll bis Mitte Oktober einen auch von der Belegschaft akzeptierten Sanierungsplan für die kommenden drei Jahre vorlegen. Dann kann die Oper auf zusätzliche staatliche Mittel mit Hilfe eines dreißigjährigen Darlehens hoffen. Fuortes hat bereits den Gewerkschaften eine Art Lohnverzicht jeweils für die Monate Oktober/November, wenn der Betrieb weitgehend ruht, abgerungen. Der Sanierungsplan sieht außerdem eine künstlerische Auffrischung des Spielplans in der Arena vor. Jedes Jahr soll es mindestens eine Neuinszenierung geben. 2017, so hört man vom künstlerischen Leiter Paolo Gavazzeni, könnte das Verdis „Nabucco“ sein. Radikal aber streicht der Plan die Stellen von 24 Tänzerinnen und Tänzer, zu denen im Sommer weitere Zeitarbeitskräfte kamen.

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Abendstimmung in der Arena

Was Streiks angeht, halten sich die vier in Verona vertretenen Bühnengewerkschaften trotz verbaler Attacken eher zurück. Im Gegenteil versuchen „die Kollegen“ das Ballett zu anderen Kampfformen zu überreden. Sollte der Sanierungsplan von Fuortes scheitern, droht der Fondazione die Liquidierung. Im Hintergrund lauert bereits eine Gruppe von Unternehmern, die bereit wäre, der Stiftung die „Marke Arena“ abzukaufen und die lukrativen Sommerfestspiele privat zu organisieren. Die Fondazione sei in diesem Augenblick wie ein Fass ohne Boden, sagt der zur Gruppe gehörende Rechtsanwalt Lamberto Lambertini, und könne nicht auf Dauer überleben. „Wir wollen helfen“, so Lambertini im Gespräch, aber solange die Politik in der Fondazione das Sagen habe, wären viele Unternehmer nicht bereit, „sich direkt in ihr zu engagieren.“

Schleichende Kommerzialisierung

Doch der Frieden an der Arbeitsfront ist kein Freibrief. Ein Gewerkschaftsführer wie Paolo Seghi von der ehemals kommunistischen CGIL sieht in der „schleichenden Kommerzialisierung“ einen Angriff auf die gesetzlichen Vorgaben der Opernstiftungen, die einen erzieherischen Auftrag unter öffentlich-rechtlicher Aufsicht zu erfüllen haben. Er beklagt das fehlende Engagement von privater Seite innerhalb der Fondazione, obgleich die Sommerfestspiele der Wirtschaft von Verona und Umgebung jährlich 400 bis 500 Millionen Euro Umsatz garantierten. Sein Fazit: „Es fehlt nicht an Geld in dieser Stadt, es fehlt an Liebe für die Oper und die Musik.“

 

Offizielle Homepage der Stiftung: http://www.arena.it

Ein Protestblog informiert über den jeweils aktuellen Stand: http://sosfondazionearenaverona.blogspot.it

Sie auch den Beitrag in der NZZ vom 12.8.