RETTER DER WELT


Wie das Gemälde Salvator Mundi, das von Christie’s zu einer Rekordsumme versteigert wurde, zu einem Phantombild wurde. Hintergründe liefert auch der Band „Leonardo da Vinci für Eilige“.

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Die Restauratorin Dianne Dweyer Modestini und der Salvator Mundi – von Leonardo?

Mailand – Wo ist der Salvator Mundi abgeblieben, der Leonardo da Vinci zugeschrieben wird? Das teuerste Bild, das bislang bei einer Versteigerung unter den Hammer gekommen ist, sollte im September 2018 im Louvre Abu Dhabi ausgestellt werden. Der angebliche Besitzer, Prinz Mohammed bin Salman aus dem Königreich Saudi Arabien, habe es, so hörte man, den „Brüdern“ in den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgeliehen. Doch kurz vor Eröffnung  am 18.9. kam die Ankündigung, die Ausstellung sei verschoben worden. Seitdem herrscht Schweigen. Auch in Paris, wo das Bild – vielleicht – auf der großen Leonardo-Ausstellung ab dem 24. Oktober 2019 im Louvre gezeigt werden könnte.

Rückblick: New York im November 2017. Im Saal des Versteigerungshauses Christie’s im Rockefeller Plaza knistert es vor Spannung. Unter den Hammer soll ein kleines Tafelbild kommen, 66 mal 46 Zentimeter groß. Dargestellt ist ein Brustbild von Christus, die rechte Hand zum Segensgruß erhoben. Die Kristallkugel in der linken Hand verweist auf den Globus: Christus als Retter der Welt – Salvator Mundi. Es gibt Gewandstudien von Leonardo, die eine Beziehung zu dieser Darstellung haben. Von Leonardo-Schülern existieren Versionen, die auf eine Arbeit zum Thema aus der Hand des Meisters schließen lassen. Aber ist das Bild, das Christie’s hier versteigert, das Original?

Neunzehn aufregende Minuten

Die Bieter im Saal und am Telefon trauen den Expertisen von Kunsthistorikern (etwa Marani und Kemp). Andere (Pedretti) hatten eine Zuschreibung an Leonardo abgelehnt oder die Arbeit eines Schülers vermutet (Zöllner). Die Versteigerung beginnt mit einem Mindestgebot von 75 Millionen US-Dollar. Das bis dato teuerste Bild, das gehandelt worden war, eine Arbeit von Willem de Kooning, hatte im Jahr 2015 für 303 Millionen US-Dollar den Besitzer wechselte. Nach 19 aufregenden Minuten und Ah und Oh Rufen im Saal bekommt das Gebot von 400 Millionen USD (plus Gebühren insgesamt 450 Millionen USD) eines unbekannten Anbieters am Telefon den Zuschlag. Nach Indiskretionen soll es sich um Mohammed bin Salman, Kronprinz, Verteidigungsminister und stellvertretender Premier des Königreichs Saudi-Arabien handeln. 

Möglich, dass Leonardo das Bild im Auftrag des französischen Königs Ludwig XII. malt. Möglich, dass es später als Hochzeitsgeschenk an den englischen Hof wandert. Hier wird es 1651 zum ersten Mal dokumentiert. In den Mäandern der Jahrhunderte verliert man dann wieder seine Spur. Es taucht Ende des 19. Jahrhunderts im schlechten Zustand nur noch als Arbeit „aus Mailand“ wieder auf  und wechselt für lächerliche Summen mehrere Besitzer. Bis schließlich die Restauratorin Dianne Dwyer Modestini ihren Wert erkennt und aus dem „Mailänder“ wieder einen „Leonardo“ macht – und seinen Besitzer (zumindest den vor der Versteigerung) reich. Der Kulturjournalist und Kunsthistoriker Pierluigi Panza geht in einem spannend geschriebenen und zugleich gut dokumentierten Band L’ultimo Leonardo („Der letzte Leonardo“) Geschichten und Mysterien des Salvator Mundi nach (Utet Libri 2018).

Ein Bild fürs Image

Das „extrem fragile Bild“ (Dianne Dwyer Modestini) ist nach Vermutungen der Tageszeitung la Repubblica nie in Abu Dhabi angekommen. Es könnte sich in der Schweiz oder anderswo in einem zollfreien Lager befinden. Prinz Mohammed bin Salman, der zusammen mit dem Kulturminister der Saudi, Prinz Badr bin Abdullah, dem Land ein offenes kulturelles Image verschaffen möchte und entsprechende Initiativen gestartet hat – siehe auch die Bemühungen sich in der Mailänder Scala einzukaufen – möchte es vielleicht jetzt in Saudi Arabien platzieren. Auch um von seinen möglichen Verstrickungen in den Mordfall Kashoggi abzulenken. Vermutungen, Möglichkeiten, Verdächtigungen – viel Wind um einen Leonardo, der vielleicht nicht einmal ein Leonardo ist.

Siehe auch  „Leonardo da Vinci für Eilige“ (Piper Verlag, München 2019, 128 Seiten, 10 Euro)