STILLE ABENDE IN SANREMO


Palmen sterben, die Spielbank schreibt rote Zahlen und der Blumenmarkt hat seine Bedeutung verloren – jetzt setzt die ligurische Rivierastadt auf Kultur und Nachhaltigkeit

Villa von Alfred Nobel

Sanremo (Mai 2013). Wenn man den langen Tunnelgang verlässt, der den tief in den Hügeln versteckten neuen Bahnhof von Sanremo mit der Außenwelt verbindet, glaubt man zu träumen. Eben noch von der Neon- und Betonästhetik einer Laufbandtrasse gefangen, die eher an einen Flughafen als eine Eisenbahnstation erinnert, trifft der Besucher unter einem freien Himmel auf hoch aufstrebenden Palmen, auf majestätischen Akazien mit ihrem dichten Blätterwerk oder auf Fichten, in die blau blühende Glyzinien hineingewachsen sind – und im frühlingsgrünen Gras leuchten überall Blumenrabatte. Die milde Witterung der ligurischen Riviera wird hier am Ausgang der Valle Argentina, wo hohe Berge nahe ans Meer rücken, durch ein besonderes Mikroklima noch verstärkt. So liegen die Temperaturen von Sanremo im Winter rund zwei Grad über denen der Nachbarorte Imperia im Osten und Bordighera im Westen. Und im Hochsommer zwei Grad darunter. Ein ideales Klima, das zu jeder Jahreszeit erholsame Tage garantiert. Wenn man nicht wie Dickie in dem Roman „Der talentierte Mr. Ripley“ von Patricia Highsmith bei einer Bootsfahrt vor dieser Küste ermordet wird…

„Wandere, hemme den Schritt…“
Die heilende Wirkung eines Sanremo-Aufenthaltes hatte schon im 19.Jahrhundert berühmte und gekrönte Häupter angezogen. Neben dem neuen Bahnhof liegen Park und Herrenhaus der Villa Zirio mit wiederum prächtigen Palmen und einem mächtigen Ficus, der sich auf einen dick verknoteten Stamm stützt. Auf einer gusseisernen Erinnerungstafel gleich hinter der Gartenbalustrade liest man: „Wanderer, der Du aus Deutschland herkommst, hemme den Schritt!/ Hier ist der Ort, wo Dein Kaiser Friedrich lebte und litt…“ Kronprinz Friedrich von Preußen hoffte, einen Winter lang 1887/1888 in der Villa Zirio Erholung von seinem Kehlkopfleiden zu finden. In Sanremo erreichte ihn die Nachricht vom Tod seines Vaters Wilhelm I. Zurück in Berlin regierte Kaiser Friedrich III. aber nur für drei Monate und starb noch im selben Jahr.

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Wo das Sanremo-Festival ausgetragen wird: Theater (und Kino) Ariston

Das Klima und die teilweise exotische Pflanzenwelt ist Badestrand, Spielkasino und Altstadtromantik zum Trotz das wichtigste Gut, das Sanremo seinen Gästen und natürlich auch den Einheimischen bieten kann. Davon ist Claudio Littardi überzeugt, der das Gartenbauamt der Stadt leitet. Den kleinen, drahtigen Mann mit kurzem, weißen Kraushaar kann man in der Villa Ormond treffen. Den Park, der nur wenige Schritte von der Villa Zirio entfernt liegt, hatte sich einst ein reicher Schweizer Unternehmer geschaffen. Heute gehört er der Kommune. Ein Mario Calvino richtete in den 1930er Jahren eine Forschungsstation für Blumenkultur in der Villa ein. Der Botaniker brachte von Reisen rund um die Welt Pflanzen mit, die er hier heimisch machte. Dazu gehörten unterschiedliche Palmenarten aber auch Nutzpflanzen wie Avocado. Marios Sohn Italo, später einer der wichtigsten Schriftsteller Italiens der Nachkriegszeit, wuchs in Sanremo und im Park der Villa Ormond auf. Der erste Roman von Italo Calvino („Wo Spinnen ihre Nester bauen“) erzählt vom antifaschistischen Widerstand im Hinterland der ligurischen Riviera.

Ein Feststrauß zum jüdischen Erntedankfest
Aber die Ursprünge der Palmenpracht von Sanremo, so Claudio Littardi, die gehe nicht auf Mario Calvino zurück. Auch nicht auf die russische Zarin, die der Stadt an der Wende zum 20. Jahrhundert eine Kirche stiftete und Dutzende von Palmensetzlingen schenkte. Palmenpflanzungen gibt es hier bereits seit den Zeiten der mittelalterlichen Kreuzzüge. Die jüdischen Gemeinden Norditaliens und des Alpenraums bezogen so Jahrhunderte lang Palmenzweige aus Sanremo für den „Lulaw“, den Feststrauß zum jüdischen Erntedankfest. Bereits im Jahr 1435 wurden am Ort erste Schutzbestimmungen für Palmen und Zedern erlassen.

Heute aber wird die Pracht von den Larven eines asiatischen Rüsselkäfers bedroht, der in den vergangenen Jahrzehnten in Südeuropa heimisch geworden ist. Der hier so genannte „Punteruolo rosso“ (wörtlich: „rote Ahle“) sticht die Rinde von Palmengewächsen an und legt darin seine Eier ab. Die Larven, die daraus schlüpfen, fressen sich in Kreisen durch den Baumstamm. Die Pflanze stirbt und wirft ihre Zweige ab. Zurück bleibt ein nackter, säulengleicher Stamm, wie man in hier und da sieht (zum Beispiel im Park der Villa Nobel), bevor der Baum dann ganz gefällt wird. Nur wenn rechtzeitig der Käferbefall entdeckt wird, kann man ihn durch Injektionen retten. Deshalb hat Littardi, der außerdem ein Studienzentrum zur Erforschung von Palmenpflanzen leitet, einen Überwachungsdienst organisiert. Der könne aber aus bürokratischen Gründen nur bei Bäumen auf städtischem Grund tätig werden, klagt er. Der Käfer ist inzwischen ein Problem für ganz Italien geworden. Wenn man nicht eingreife, so Littardi, könnten in drei Jahren an die 1000 Palmen sterben!

Sanremo ohne Palmen? Nicht vorstellbar. Zum Glück gibt es auch Vorschriften für Neuanpflanzungen. Und wenn man sich in der Villa Ormond umsieht, dann scheinen die verschiedenen Dattel- und Kokospalmen sowie viele palmenartige Sträucher vor Gesundheit zu strotzen. Kein Wunder, wacht hier doch Sanremos Chefgärtner persönlich.

Maulfaul, klein und hässlich?
Gleich um die Ecke wohnt Renate Battistotti, die in Hamburg Blankenese geboren wurde. Die temperamentvolle Frau hatte es der Liebe zu einem Bankangelstellten wegen bereits als 26jährige an die Riviera verschlagen, wo sie nun schon seit 51 Jahren wohnt. Bei einer Tasse Mokka und selbstgebackenen Keksen erzählt sie in ihrem Appartement im vierten Stock eines eleganten Wohnblocks vom Alltag in Sanremo. Von den vielen kleinen Unbilden, vom wachsenden Verkehr, den schlechten Busverbindungen, von den Menschen in Ligurien, die eher „maulfaul, klein und hässlich“ seien. Und dann stockt sie: „Merkwürdig, dass mir zunächst die negativen Seiten einfallen.“

Dabei lebe sie „sehr gerne“ hier. Man habe guten Kontakt im Haus selber, finde schnell Handwerker und die Menschen hier ließen sich auch nicht so leicht von der Wirtschaftskrise verschrecken und seien fleißig. Dann gäbe es noch den deutsch-italienischen Freundeskreis um die kleine lutherische Gemeinde mit vielen Musikabenden in der eigenen Kirche am Corso Garibaldi. In der Kirche, in der Kaiser Friedrich sein letztes Weihnachtsfest feierte. Überall in Sanremo spüre man eine internationale Atmosphäre. Unbedingt solle man in die Markthalle gehen mit ihren Lebensmittelständen und dem großen Angebot an Gewürzen. Und jeden Dienstag und Samstag wird rund um die Halle im Freien ein bunter Kleidermarkt abgehalten. „Laufen Sie doch einfach mal durch die Stadt.“

Sanremo schmiegt sich in einer S-Linie ans Mittelmeer. Unterhalb der Altstadt „La Pigna“, die sich mit ihren dunklen Gassen und kleinen hellen Plätzen über eine Hügel zieht, der nahe zum Ufer hin ausläuft, liegt das neue Zentrum. Da bleibt wenig Raum für Strandbäder. Die prächtigen Gärten und Villenanlagen wie die Villa Ormond oder die Giardini Marsaglia begrenzen die 56tausend-Einwohner-Stadt nach Osten und Westen. Im Sommer, zur Hochsaison, halten sich hier fast doppelt so viele Menschen auf. Dann sind auch die Yachthäfen wie der „Portosole“ bis auf den letzten Liegeplatz belegt. Allerdings klagen Hoteliers neuerdings über rückgängige Übernachtungszahlen. Dafür nimmt der Tagestourismus zu. Man sieht Busse mit französischen, deutschen und Schweizer Kennzeichen. Abends bleibt die Stadt dann still.

 

Als der Nobeltourismus kam
Jahrhunderte lang war Sanremo nicht viel mehr als eine abgelegene Fischersiedlung mit etwas Landwirtschaft in den Hügeln. Dann kam der Nobeltourismus zum Ausgang des 19. Jahrhunderts und verwandelte es in einen internationalen, eleganten Ferienort der Belle époque. Davon zeugen heute noch die großen Hotelbauten, die verspielten Jugendstilhäuser oder die russische Kirche San Basilio. Und natürlich das Spielkasino, von dem einst diese Atmosphäre aus Luxus und Frivolität ausging, die sich aber heute im Ort nicht mehr so richtig einstellen mag. Probleme zeigen sich. Die Einzelhändler schließen am helllichten Tag plötzlich ihre Rollläden, um für mehr Parkplätze gegen die Einrichtung von Fußgängerzonen zu protestieren. Geschäfte, vor allem in den Randbezirken, machen zu. Alte Hotels werden in Appartementhäuser umgewandelt. Aber Wohnungen bleiben unvermietet oder finden keine Käufer. Ein Nachtclub direkt neben dem Theater Ariston, in dem jeweils im Februar das berühmte Schlagerfestival über die Bühne geht, wird wegen Drogenhandel von der Polizei geschlossen. Man hört Klagen, dass auf dem großen Markt, der viele Touristen anzieht, Chinesen mit ihren Billigwaren die einheimischen Händler und die Lokalprodukte nach und nach verdrängen. Das Stadtmuseum macht einen eher traurigen Eindruck. Hässliche Neu- oder Umbauten wie der Palafiori verdrängen elegante Architekturen. Und das neue Auditorium im Park unterhalb des Hotel Royal, wo vor zehn Jahren die Bauarbeiten begonnen haben, bleibt eine Betonruine, solange sich Baufirmen in einem juristischen Endlosstreit verhaken.

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Mondän und Sorgenkind: Das Spielcasino

Das Kasino und seine Probleme
Vieles, wenn auch nicht alles, hat mit den Problemen des Kasinos zu tun. Von dessen Einnahmen hat die Stadt als Eigentümerin in der Vergangenheit gut gelebt. Doch ausgerechnet in Zeiten der Wirtschaftskrise, wo überall die Spiellust zunimmt, verliert das Kasino an Kunden. Denn die neue volkstümliche Spiellust wird online oder an den Slotmaschinen ausgetobt, die heute in jedem Café und in jeder schmuddeligen Bar stehen. Der Schick des leuchtend weißen Palazzo wirkt da eher abschreckend. Das Kasino hat reagiert und selber Slotmaschinen im Erdgeschoss aufgestellt, wo die bunten Spielautomaten mit Stereosound einen merkwürdigen Kontrast zum raffinierten Jugendstilambiente der Säle bilden. Doch das hat wenig geholfen. Und im ersten Stock, den man nur nach Vorlage seines Personalausweises und einer Registrierung betreten kann, langweilen sich elegant gekleidete Croupiers an leeren Spieltaschen.

Weil die Lage immer dramatischer wird, hüllt sich die Kasino-Leitung in Schweigen. Jedenfalls verweigerte sie Gespräch mit dem Autor. Aus der Presse konnte man erfahren, dass die Spielbank mit einem Defizit von 3,9 Millionen Euro vermutlich fast ein Drittel seiner über 300 Angestellten entlassen und einen Teil seiner Liegenschaften verkaufen muss. Statt von den Einnahmen zu profitieren, ist jetzt die Kommunalverwaltung gezwungen, Geld zuschießen in der Hoffnung, das Kasino in Zukunft auch als Veranstaltungsort wieder flott zu machen. Für das kommende Jahr rechnet man mit reduzierten Kosten von 40 Millionen Euro und hofft auf 45 Millionen Euro Einnahmen. Ein Silberstreifen am Horizont, immerhin.

Der gute Ruf des Symphonieorchesters
Von den Kasino-Geldern hatten in der Vergangenheit viele Einrichtungen wie zum Beispiel das Symphonieorchester der Stadt gelebt. Unter den offiziell anerkannten italienischen Regionalorchestern konnte sich die „Sinfonica Sanremo“ einen guten Ruf erspielen. Zur Geschichte des Ortes gehört nämlich auch, dass hier Komponisten wie Tschaikowski gelebt und gearbeitet haben. Mascagnis Oper „Pinotta“ wurde 1932 im Teatro del Casinò uraufgeführt. Franco Alfano, der für Puccinis unvollendete Oper „Turandot“ das Finale komponierte, starb 1954 an der Blumenriviera. Die Musiker von Sanremo haben jetzt auf 20 Prozent ihres Einkommens verzichtet, um das Überleben des Orchesters zu sichern.

Die für Kultur und Tourismus zuständige Stadträtin Claudia Lolli muss heute mit einem Budget von jährlich weniger als 800.000 Euro auskommen – statt über vier Millionen Euro im Jahr 2000. Doch zeigt sie sich im Gespräch merkwürdig unbesorgt. Sanremo müsse wieder in Qualität wachsen, sagt sie. Oder: „Ich bin überzeugt, dass Sanremo eine führende Rolle im Tourismus von Ligurien spielen kann.“ Kultur und Natur sollten dabei als Zugpferde auftreten, Nischen wie Surfen oder Mountain Biking sollten besetzt werden. Wenn es jedoch darum geht zu erklären, wie das konkretisiert werden soll, bleibt sie allgemein, um nicht zu sagen ratlos.

Eine von Blumen überwucherte Stadt
Sanremo ist trotz aller Unbilden eine sympathische, gut gepflegte und von Blumen überwucherte Stadt, in der das Klima mit seinem Dauerfrühling zum stärksten Argument für die Reiseveranstalter geworden ist. Das ganze Jahr über kann man hier Golf und Tennis spielen. In der Sonne glitzernden Gewächshäusern an den Hängen rund um die Stadt und längs der Küste waren nicht immer schön anzusehen, aber doch Ausdruck eines blühenden Wirtschaftszweiges. Auch damit ist es leider vorbei. Billigkonkurrenz aus Afrika und Asien haben die Ringelblumen und Nelken um ihre Marktchancen gebracht. Die riesigen Großmarkthallen östlich von Sanremo bei Valle Armea liegen verwaist. In ihnen könnten demnächst neben dem reduzierten Blumenmarkt auch Sportveranstaltungen und Ausstellungen stattfinden. Außerdem sollen Einheiten des staatlichen Forstkorps dort untergebracht werde. Unterdessen fangen etliche frühere Blumenproduzenten damit an, in den Gewächshäusern Gemüse anzubauen.

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Blumenmarkt Sanremo

Das erzählt Fulvio, der ein Leben als Koch in der lebhaften Stadt an der Riviera verbracht hat und jetzt sein Rentnerdasein genießt. Am Herd steht er jetzt nur noch, um Freunde zu bekochen. Gerade hat er ein Couscous aus Lamm und Hühnerfleisch aufgetischt. Die Küche der Riviera ist traditionell mehr auf das Land als auf das Wasser ausgerichtet. „Vielleicht weil die Leute früher Fischer waren“, sagt Fulvio, „und an Land noch etwas Boden für den Hausgebrauch bewirtschaften.“ Huhn und Kaninchen kommen auf den Tisch. Dazu gibt es „Marò“, eine Creme aus Bohnen und Sardellen. Einflüsse aus Frankreich haben sich verfestigt, wie die „Sardenaira“, die „ligurische Pizza“, die auf die provenzalische „Pissaladiere“ zurück geht. Einflüsse, die sich ebenso im Dialekt an der westlichen ligurischen Küste niederschlagen. Heißt es übrigens Sanremo, wie es auf den Ortsschildern steht, oder San Remo, wie man am Bahnhof begrüßt wird? Fulvio nimmt einen Schluck roten Wein, natürlich Rossese aus der Val Nervia, und erzählt, dass es keinen Heiligen Remo gegeben habe. Sanremo sei aus dem Namen des hier verehrten Heiligen Romolo entstanden. „San Römole“ sagt man im Dialekt und das sei zu Sanremo mutiert.

Die Stadt wandelt sich im Zeichen der Nachhaltigkeit
Und mutiert jetzt Sanremo zu einer Gemüsestadt? Wird der Blumenkorso im Januar („carri fioriti“), bei dem mit Blüten prächtig geschmückte Wagen durch die Stadt ziehen, bald durch einen Gemüsekorso ersetzt? Wandelt sich die berühmte Blumenriviera langsam in eine Blumenkohl-Küste? „Fave“, dicke Saubohnen statt pralle Rosen? Ein Alptraum, der hoffentlich nie Wirklichkeit wird.

Und so wandelt sich die Stadt langsam eher im Zeichen der Nachhaltigkeit. Das schönste Beispiel ist der Fahrradwanderweg. Nachdem die Eisbahnstrecke, die früher direkt längs der Küste verlief ins Hinterland verschoben wurde und Sanremo heute in einem langen Tunnel umgreift, lag der verlassene Schienenstrang brach. Andreas Kipar, ein deutscher Landschaftsarchitekt aus Mailand, hat ihn auf einem über 20 Kilometer langen Abschnitt zwischen San Lorenzo al Mare und Ospedaletti in einen Fahrrad- und Fußwanderweg umgestaltet und dabei sogar den alten Bahnhof von „San Remo“ mit einbezogen. An mehreren Kiosken kann man sich Fahrräder (halbtags 10 Euro, ganztags 15 Euro) oder auch Inline-Skates ausleihen. Das sind die schnellsten und schönste Verkehrsmittel, um etwa von der Promenade am Corso Imperatrice zum anderen Ende der Stadt, zum Park und zur Villa Nobel zu kommen.

Im Herrenhaus von Alfred Nobel
Alfred Nobel verbrachte in dieser herrlichen Umgebung die letzten Jahres seines Lebens, bevor er 1896 im Alter von 63 Jahren starb. Im Herrenhaus hat man eine Ausstellung über das Leben eines von Arbeit besessenen Mannes eingerichtet, der mit der Erfindung des Dynamits zum Fortschritt beitragen wollte. Doch war die Welt eher an dem Einsatz des Sprengstoffes als Waffe interessiert. Was Nobel zu großem Reichtum verhalf – und zu einem schlechten Gewissen. In seinem Testament, das er in dieser Villa schrieb, bestimmte er die Einrichtung des wohl berühmtesten (und höchst dotierten) Wissenschaftspreises der Welt.

Für Ausflüge ins Hinterland sollte man aber besser das Auto nehmen. Es geht steil bergauf durch die Valle Argentina mit seinen sich zu Bergen auswachsenden Hügeln. Mit Trockenmauern, Steinterrassen und Olivenhainen. Und den Pinien von San Romolo. Auf der Abfahrt von Ceriana nach Poggio ist so manches Rennen des Radsportklassikers Mailand-Sanremo entschieden worden. Dem vom Erdbeben zerstörte Ort Bussana Vecchia haben Künstler und Andenkenhändler wenigstens tagsüber wieder Leben eingehaucht. Großstädter aus Genua, Mailand oder Turin besitzen in der Umgebung Wochenendhäuser. Im diesem Hinterland wohnen auch Zugereiste aus dem Norden. Aus den Niederlanden, der Schweiz und vor allem aus Deutschland. Auf 30 bis 40 Personen schätzt man die deutsche Kolonie.

© Cluverius

Marianne Hofmann

Verspielte, lichtdurchflutete Bilder 
Zu ihr gehört Marianne Hofmann aus Berlin, eine gute Bekannte von Renate Battistotti. Marianne zog bereits 1975 mit ihrem damaligen Ehemann, dem inzwischen verstorbenen Maler Otto Hofmann, zunächst nach Pompeiana und dann nach Cipressa mit seinen steil auf- und ablaufenden Straßen. In ihrem Haus hängen die verspielten, lichtdurchfluteten Bilder der letzten Schaffenszeit von Hofmann, der ein Bauhausschüler war und nach einem bewegten Leben hier zur Ruhe kam. Marianne liebt dieses Land, dieses Klima und die Menschen an der Küste. Sanremo ist ihr städtischer Bezugspunkt. Zum Einkaufen, für Arztbesuche oder für einen Abend im Kino. Zudem liegt Frankreich nah, zu Konzerten und Ausstellungen fährt man gerne nach Montecarlo oder nach Nizza. Viele alte deutsche Freunde, so bedauert sie jedoch, sind inzwischen wieder weggezogen. Und es kommen kaum Jüngere nach. Den Nachgeborenen falle es schwer, sich in der Fremde anzupassen, sagt sie. Denn auch wenn man bereits seit Jahrzehnten hier lebt, bleibe man doch Gast im Land und müsse sich dementsprechend zurückhaltend benehmen. Jüngere trumpfen gerne auf, setzten sich ab von den Einheimischen, und das schaffe böses Blut. Neuerdings gäbe es wieder einen kleinen Graben zwischen Ligurern und Ausländern. Leider.

Von Mariannes wohnlicher Terrasse öffnet sich der Blick über immergrüne Eichenwipfeln hinweg in die Ferne auf das an diesem Tag stumpfgraue Meer, das mit einer messerscharfen Horizontlinie vom blassblauen, teils Wolken verhangenden Himmel abgeschnitten ist. Hier und da bricht die Sonne durch die grauen Schleier und zaubert glitzernde Lichtinseln auf die Wasseroberfläche. Bei klarer Sicht könne man Korsika liegen sehen, sagt Marianne und lächelt.

Info: www.visitrivieradeifiori.it