Tägliche Archive: Dezember 21, 2019


Urbino, kurz vor Weihnachten – Urbino leuchtet. Die alte Herzogsstadt in den Hügeln unweit der Adriaküste gibt sich kurz vor Weihnachten am Abend verträumt verschlafen. Tagsüber feiern Studenten die glücklich überstanden Abschlussprüfungen. Frisch gekürte Laureati zeigen sich mit Lorbeerkranz. Alle anderen rüsten sich mit großen Koffern zur Abreise. Der Bus, der von Urbino zum Bahnhof von Pesaro fährt, wird belagert. Im Geburtshaus von Raffael bleibt der Besucher allein. Hier kam Raffaello Sanzio 1483 auf die Welt. 1520 starb er auf dem Höhepunkt seines Ruhmes als Maler und Architekt mit nur 37 Jahren in Rom. 500 Jahre danach feiert die Welt „il divin pittor“ mit Ausstellungen, Veranstaltungen, Büchern, Filmen, TV-Serien. In Urbino hängen überall Kalender aus: „Raffaello 2020“.

In Urbino


Das Teatro delle Albe aus Ravenna und zwei Gastspiele in Mailand. Eine Arbeit von Marco Martinelli und eine Vorlage von Luca Doninelli interpretiert jeweils von Ermanna Montanari. Mailand (Teatro dell’Elfo/Teatro Oscar) – fedeli d’Amore („Gläubiger der Liebe“) ist ein „Polyptichon“, wie es der Autor und Regisseur Marco Martinelli nennt. Sieben Szenen, die sich um die letzten Stunden von Dante Alighieri drehen, um seine Phantasien, Ängste oder die Tochter Antonia, die zum letzten Abschied an sein Bett tritt: „Padre, sono qui, mi senti? – Vater, ich bin hier, hörst Du mich?“. Der florentinische Dichter, die (über)große Vaterfigur der italienischen Literatur, starb an einem nebligen Septembermorgen 1321 im Exil in Ravenna. Martinelli schafft im Rückgriff auf den romagnolischen Dialekt, dem Dialekt der Stadt Ravenna, Monologe von poetischer Kraft, denen Ermanna Montanari mit ihren Stimmvariationen szenischen Raum gibt, der musikalisch mit Dissonanzen noch geweitet wird. Zu den aufgefalteten Bildern des Polyptichon gehört auch eine Vision Dantes, die sich von der Zersplitterung Italiens aus der Zeit der Stadtrepubliken in die Gegenwart weitet – ein Italien, „che scalcia se stessa“, das sich laufend selbst ein Bein stellt.

im Theater: fedeli d’Amore / Maryam