Bücher


Nach den Schönheiten Italiens begannen die Deutschen vor rund 50 Jahren die literarischen Landschaften südlich der Alpen zu entdecken, während deutschsprachige Literatur im Bel Paese weiterhin ein Schattendasein fristet. Anlässlich der Buchmesse Frankfurt ein Blick auf die deutsch-italienischen Literaturbeziehungen Mailand – Italien und die Literatur – das ist ein merkwürdiges Kapitel. Einerseits ist Italien ein leseschwaches Land, in dem die Hälfte aller Bewohner kein einziges Buch im Jahr kauft. Andererseits hat es eine lebhafte Literaturszene mit mondänen Literaturpreisen (Strega, Campiello etc). Es gibt eine lebendige Buchmesse wie den Salone del Libro im Frühjahr in Turin und neben regionalen Veranstaltungen eine zweite Messe für mittlere und kleinere Verlage im Spätherbst in Rom sowie die internationale Kinder- und Jugendbuchmesse in Bologna. Dazu kommen von Nord bis Süd die vielen Buch- und Lesefestivals – meist lokal ausgerichtet oder die großen in Mantua (Festivaletteratura) oder in Mailand (Bookcity).

REIBEPUNKTE ZWISCHEN ALT UND NEU


Die Welten des Marco Polo, der vor 700 Jahren bei einer Jahrzehnte langen Reise China und Europa näher brachte, in einer Ausstellung des Palazzo Ducale von Venedig. Im friedlichen Austausch, im Geben und Teilhaben suchte Marco Polo die Erfüllung eines Weltbilds, das bis heute, 700 Jahre nach dem Tod des Venezianers, nichts von seiner utopischen Kraft verloren hat Venedig – Ohne China geht nichts. Die wirtschaftliche Großmacht ist trotz politischer Widersprüche und seiner Probleme mit Menschenrechten aus den europäischen Handelsbeziehungen nicht wegzudenken. Zudem gewinnt Peking geopolitisch immer mehr an Bedeutung. Dass dabei die Beziehungen zum „Reich der Mitte“ und dem euroasiatischen Raum eine Tradition haben, die weit vor die Entdeckung Amerikas zurückgehen, zeigt die Ausstellung „I Mondi di Marco Polo“ (Die Welten des Marco Polo). Miit mehr als 300 Exponaten ist sie bis Ende September im Palazzo Ducale von Venedig zu sehen ist.

DIE HEIMAT IN DER FREMDE SUCHEN



In Italien gefeiert: Beatrice Salvionis Debütroman „Malnata“ ist jetzt auch auf Deutsch erschienen. Mailand – Mit ihrem kleinen Bildungsroman „Malnata“ ist der 1995 geborenen Beatrice Salvioni ein vielversprechendes Debüt gelungen. In ihm erzählt die Autorin die Geschichte einer Freundschaft zweier ungleicher Mädchen an der Schwelle des Erwachsenwerdens. Die Handlung spielt in einer norditalienischen Provinzstadt vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Entwicklung im Faschismus und dem Ausbruch des Abessinien-Kriegs 1935. Francesca, Tochter aus „gutem“ Haus, die zur Anpassung an traditionelle Rollenbilder erzogen wird, findet während eines Sommers über die Begegnung mit Maddalena, einem Mädchen aus der Unterschicht, die als „Malnata“, als die Ungezogene und die Unheilbringende verschrien ist, zu Selbstbewusstsein und mutigem Auftritt.

DIE FREIHEIT DER UNGEHORSAMEN


Hanna Kiels Augenzeugenbericht „Die Schlacht um den Hügel“ über die Belagerung und Besatzung in Fiesole beim Rückzug der Wehrmacht im Sommer 1944 ist endlich auch auf Deutsch erschienen Mailand/Florenz – Das ist die Geschichte einer Wiederentdeckung – und einer Wiedergutmachung. Die Schriftstellerin und Kunsthistorikerin Hanna Kiel (1894-1988) beschrieb mit dem Text „Die Schlacht um den Hügel. Eine Chronik aus Fiesole vom August 1944“ die letzten Wochen der deutschen Besatzung des Hügels von Fiesole nördlich von Florenz, wo sie damals lebte. Der Text sollte 1947 im Südverlag Konstanz unter dem Titel „Florentiner Tagebuch“ erscheinen, wurde aber nie gedruckt (weil angeblich zu deutschfeindlich). Die Schweizer Zeitschrift DU veröffentlichte später Ausschnitte. Eine italienische Übersetzung der „Chronik“ kam 1986 in Florenz heraus. Die Germanistin Eva-Maria Thüne von der Universität Bologna hat über diese Übertragung das deutsche Original wieder entdeckt und es jetzt mit einem Nachwort versehen im Berliner AvivA Verlag erstmals auf Deutsch veröffentlicht.

ERLEBNIS VON MENSCHLICHKEIT



Antigone als Inbegriff von Widerstand und Bruderliebe oder als Beispiel einer egozentristischen Verweigerin legitimer Rechtsnormen – eine italienische Debatte ausgelöst durch die Streitschrift „Contro Antigone“ von Eva Cantarella Mailand – In ihrem Widerstand gegen die Obrigkeit gilt Antigone als zeitlose Kämpferin für Menschenrechte. Sie tritt, wie wir sie in der Tragödie von Sophokles kennen lernen, bis zur Selbstaufgabe für ihre Überzeugungen ein. Dieses heldenhaft positive Bild zerreißt jetzt die italienische Rechtshistorikerin und Gräzistin Eva Cantarella in ihrem Pamphlet Contro Antigone. O dell’egoismus sociale (Einaudi). Sie beschreibt Antigone als ein „menschliches Monstrum“, als eine Persönlichkeit „mit einem erschreckenden Egozentrismus“. Dass dieser Verriss von der inzwischen 88-jährigen Wissenschaftlerin kommt, die sich Zeit ihres Lebens mit der aktiven Rolle der Frau in der Antike beschäftigt hat und als streitbare Intellektuelle und Demokratin in der Öffentlichkeit aufgetreten ist, hat quer durch die Medien eine Debatte ausgelöst.

IDEAL ODER ASOZIAL?