DAS GEWISSE ETWAS


Vor 500 Jahren starb der „göttliche“ Raffael. Die Jubiläumsausstellung in Rom wird am 2. Juni wieder eröffnet und bleibt bis zum 30. August zu sehen.

© Cluverius

Eine Bäckerstochter aus Trastevere – vielleicht die Geliebte Raffaels. Die „Fornarina“ (1518/1520) und Besucher in den Scuderie del Quirinale zur Eröffnung der Ausstellung

Rom (Scuderie del Quirinale bis 30.8.) – Am Anfang steht der Tod. Mit einer perfekt nach Originalmaßen errichteten Kopie des Grabmals aus dem Pantheon beginnt die römische Jubiläumsausstellung zum 500. Todestag des Malers, Architekten und Altertumsforschers Raffael Sanzio in den Scuderie del Quirinale (in Zusammenarbeit mit den Uffizien Florenz), die deshalb im Titel die Lebensdaten umdreht: „Raffaello 1520-1483“. Eine Ausstellung mit prächtigen Leihgaben aus aller Welt von den Porträts (etwa des Baldassarre Castiglione aus Paris) bis zu den Madonnenbildern (zum Beispiel die „Madonna Tempi“ aus München), von Historienbildern („Traum eines Ritters“ aus London) bis zu Zeichnungen und Architekturentwürfen. Und am Ende einer Perlenkette von über 200 Exponaten steht das Selbstporträt des jugendlichen Genies im Alter von 23 oder 24 Jahren aus den Uffizien.

Doch die vielleicht größte Raffael-Ausstellung aller Zeiten musste wenige Tage nach der Eröffnung am 5. März wegen der Corona-Epidemie schließen, die Zeichnungen wurden mit schwarzen Tüchern verhängt und so vor Licht geschützt. Geplant war eine Öffnungsperiode bis 2. Juni. Das Datum der Wiedereröffnung ist ungewiss, eine Verlängerung scheint wegen der vielen Leihgaben schwierig wenn nicht ausgeschlossen.

Es scheint, als müsse Raffel, den bereits seine Zeitgenossen einen „göttlichen Maler“ nannten, zum zweiten Mal sterben – und wieder spielt eine Seuche eine Rolle. Möglich, dass der gerade mal 37 Jahre alte Künstler in der Nacht von 5. auf den 6. April 1520  – einem Karfreitag – an den Folgen einer Infektionskrankheit starb, mit der er sich bei Kontrollen antiker Funde in der malariaverseuchten Campagna Romana angesteckt hatte. Sein erster Biograph Vasari vermutete allerdings, dass er es mit dem Liebesleben zu wild getrieben hätte und die Ärzte eine entsprechende Ansteckung falsch therapierten: „sie entnahmen ihm unvorsichtigerweise Blut, so dass er sich geschwächt und ohnmächtig fühlte, obwohl er einer Stärkung bedurft hätte.“

Ein Jahrhunderttalent

Raffael, geboren im März oder April 1483 in Urbino, wo er in der Umgebung des Hofes aufwuchs, war ein Jahrhunderttalent. Nach Lehrjahren in Umbrien und in der Toskana setzte er sich mit den Starkünstlern seiner Epoche, mit Leonardo und Michelangelo, auseinander und fand zu einem eigenen, weichen Stil, den Vasari „grazia“ nennt. Ein Begriff, den man mit „Grazie“ oder „Anmut“ nur ungenügend übersetzen kann. Es ist das „gewisse Etwas“, wie es der Kunsthistoriker Samuel Vitali vom KHI Florenz ausdrückt, das nicht durch Ausbildung erarbeitet werden kann, sondern gewissermaßen ein Geschenk des Himmels ist, und die besondere Beseelung seiner Figuren ausmacht. Einen Realismus der gleichsam die Schönheit der Natur übertraf.

Das gilt besonders für Raffaels Marienbilder, denen er in der Darstellung der Mutter-Kind-Beziehung eine bis dahin unbekannte emotionale Tiefe verlieh. Zum Beispiel in der „Sixtinischen Madonna“, die heute in Dresden zu bewundern ist und vor allem wegen der zwei kleinen, versonnen zum Himmel blickenden Engel am unteren Bildrand ein Stück Alltagskultur geworden ist.  Seinen Lebensmittelpunkt fand Raffael schließlich in Rom, wo er sich intensiv dem Studium der Antike widmete. Das wiederum spiegelt sich in seinen großen Bilderzählungen, mit denen er die vier sogenannten Stanzen, die Gemächer des apostolischen Palastes, ausmalte. Und in seinen Architekturentwürfen für den Neubau von Sankt Peter.

Als er starb, trauerte nach Vasari ganz Rom. Und das war vermutlich nicht übertrieben. Im Pantheon steht auf einem Epitaph neben seiner Grablage, einem antiken Sarkophag: „Dies ist Raffael, durch den selbst Mutter Natur gefürchtet hatte, besiegt zu werden; als er starb, hatte sie geglaubt, sterben zu müssen.“

Hinweis: Unter dem Hashtag #RaffaelloInMostra kann man verschiedene Videos zur Ausstellungen herunterladen. Von der römischen Ausstellung bleibt außerdem der prächtige, drei Kilo schwere Katalog, erschienen bei Skira (Mailand), 543 Seiten, 46 Euro. Bei Wagenbach (Berlin) liegt „Das Leben des Raffael“ von Giorgio Vasari in einer neu übersetzten und kommentierten Ausgabe vor, 204 Seiten, 12,90 Euro

Zum Thema hat der Deutschlandfunk ein Kalenderblatt (6.4.) veröffentlicht. Die Stuttgarter Zeitung (6.4.) hat eine Themenseite über Raffael zusammengestellt. Siehe auch auf Cluverius „Briefe aus der Quarantäne (10)“