DER MACHER


Massimo Osanna hatte Pompeji reformiert, jetzt soll er im italienischen Kulturministeriums die staatlichen Museen in Schwung bringen

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Von Pompeji  nach Rom – Massimo Osanna (57), Archäologe und neuer Generaldirektor im Kulturministerium

Mailand/Rom – „Artpride“ titelte das Giornale dell’Arte, die wichtigste italienische Kunstzeitung, in seiner jüngsten Ausgabe eine Untersuchung über die Strategien der Museen nach dem Lockdown in diesem Frühjahr und einer vorsichtigen Öffnung der Einrichtungen jetzt im Sommer. Überall spürt man eine gleichsam trotzige Aufbruchsstimmung. Die Verantwortlichen suchen nach Innovationen, formulieren Ideen, setzen erste Schritte um. In diesem spannenden Augenblick gibt auch das Kulturministerium ein Signal. Neuer Generaldirektor der Abteilung für staatliche Museen wird der Archäologe Massimo Osanna. Er ersetzt ab dem 1. September den Juristen Antonio Lampis, der auf eine weitere Amtszeit verzichtet hat.

In Italien gibt es rund 4900 Museen, Monumente, Ausgrabungsstätten und Ausstellungsinstitute, etwa 450 davon stehen unter staatlicher Verwaltung in direkter Verantwortung des Kulturministeriums in Rom. 32 Einrichtungen wird seit einigen Jahren – und langen Diskussionen – eine autonome Verwaltung zugebilligt. Dazu gehören etwa die Uffizien in Florenz, die Galleria Borghese in Rom, die Pinacoteca Brera in Mailand oder der Parco Archeologico di Pompei, Ercolano, Stabia. Und aus Pompeji kommt auch Massimo Osanna, der dort von 2014 an die Ausgrabungsstätte geleitet und sie (u.a. mit Hilfsmitteln der Europäischen Gemeinschaft) nach einer Zeit des Niedergangs und der Verwahrlosung wieder auf die Beine stellen konnte. In einer Mischung aus streng programmierter Instandhaltung, klugen Restaurierungen, neuen Ausgrabungen und Einsatz digitaler Mittel bei Führung der Besucherströme (rund 4 Millionen Eintritte im Jahr) hat Osanna Pompeji in relativ kurzer Zeit zu einer Vorzeigeeinrichtung geformt. Zugleich entwickelte er breites Interesse für Gegenwartsarchitektur und Kunst.

Karriere eines Quereinsteigers

Diese erfolgreiche Mischung aus Management und Wissenschaft hat wohl den sozialdemokratischen Kulturminister Dario Franceschini gewogen, Massimo Osanna gegen die übliche Praxis nach Rom auf einen Platz ins Ministerium zu rufen, der sonst eher der hohen Bürokratie zugerechnet wird. Der 57jährige Archäologe, der aus der süditalienischen Region Basilicata stammt, ist in diesem Feld ein Quereinsteiger. Vor der Berufung nach Pompeji hatte er eine rein wissenschaftliche Karriere absolviert. Bis zuletzt lehrte er klassische Archäologie an der staatlichen Universität Neapel Federico II. Er spricht mehrere Sprachen, darunter fließend Deutsch, und hatte u.a. auch als Gastprofessor  an der Universität Heidelberg und an der Humboldt Universität Berlin unterrichtet. Solange für Pompeji mit einer internationalen Ausschreibung kein Nachfolger gefunden wird, bleibt Osanna auch ad interim Leiter der Ausgrabungsstätte.

Der Lockdown und seine Kosten

Aber in Rom, wo er die Organisation, Nutzung und Kommunikation der staatlichen Museen des Landes koordinieren soll, wird eigentlich seine ganze Arbeitskraft gefordert. Ganz oben auf der Aufgabenliste stehen Fragen der Finanzierung – die staatlichen Einrichtungen haben durch den Lockdown einen Verlust von 78 Millionen Euro (Stichtag 31. Mai) zu verkraften. In ersten Stellungnahme sprach sich Osanna für eine stärkere öffentlich-private Zusammenarbeit aus. Fundamental, das habe der Covid-Notstand gezeigt, sei ein Digitalisierung des Bestandes bis hin zu den nicht ausgestellten Werken in den Depots. Leitlinien sollen eine effiziente Verwaltung der jeweiligen Einrichtung, eine Öffnung zum Publikum und zum lokalen Umfeld sein. Wobei etwa bei kleinen, zurzeit geschlossenen Museen auch lokale Kooperativen mit der Verwaltung beauftragt werden könnten.

An einem Strang ziehen

Osanna hofft auf eine Ausweitung der Autonomie für leistungsfähige Museen, wobei er aber auf eine Steuerung von Rom aus etwa in Fragen der Ausleihe von Werken setzt. „Die internationalen Beziehungen“, sagte er in einem Interview mit der Tageszeitung la Repubblica, „müssen zentral koordiniert werden.“ Zeitgleich mit der Ernennung des Generaldirektors für die Museen hat Kulturminister Franceschini ebenfalls seinen „Capo di Gabinetto“ – als höchster Ministerialbeamter in Deutschland etwa vergleichbar mit dem Staatssekretär – neu berufen. Es ist der römische Jurist Lorenzo Casini, der jetzt auch direkter Vorgesetzter von Massimo Osanna wird. Wenn es wirklich nach Corona zu einem innovativem Schub der italienischen Museumslandschaft kommen soll, müssen beide an einem Strang ziehen. In der Hoffnung, dass es zu keiner Regierungskrise und einer neuen Exikutive kommt, die das Personaltableau wieder durcheinander wirbeln würde.

Siehe auch Informationsdienst KUNST 707 (23.7.2020)