DESTA’ UND DAS MADAMATO


Eine Farbanschlag auf das Denkmal für Indro Montanelli in einem Mailänder Stadtpark erinnert Italien an seine koloniale Vergangenheit

© Cluverius

Als Rassist und Vergewaltiger angeklagt – Farbanschlag auf das Denkmal für Indro Montanelli in den Giardini Pubblici am Morgen danach

Mailand – Der Kampf um Statuen im Zusammenhang mit antirassistischen Protesten hat auch Italien erreicht. In Mailand wurde am Sonnabend (13. Juni) Abend das Denkmal für Indro Montanelli (1909-2001) in den Giardini Pubblici mit roter Farbe übergossen. Auf dem Sockel wurde der angesehene Journalist als „razzista“ und „stupratore“ angeklagt. Zur Tat bekannte sich das linke studentische Aktionsnetz „Rete Studenti e Lu.Me (Laboratorio universitario MEtropolitano), das auch ein Video des Einsatzes ins Netz stellte. Bereits vor einigen Tagen hatte die Bewegung der „Sentinelli di Milano“, die sich als „laici e antifascisti“ bezeichnen, in einem Brief Mailands Bürgermeister aufgefordert, das Denkmal für den Journalisten zu entfernen, weil Montanelli während des Abessinienkrieges 1936 „ein zwölfjähriges, eritreisches Mädchen gekauft“ und geheiratet habe, um ihm „als Sexsklavin zu dienen“. Im vergangenen Jahr hatte eine feministische Gruppe mit ähnlicher Begründung das Denkmal am 8. März mit rosa Farbe bespritzt.

Indro Montanelli gilt als herausragendes Beispiel für einen aufrechten und unbestechlichen konservativen Journalisten. Nach anfänglichen Sympathien für den Duce hatte er sich der antifaschistischen Widerstandbewegung angeschlossen. Nach dem Krieg war er hauptsächlich für den Corriere della Sera tätig gewesen. 1977 verübten die Roten Brigaden mit Beinschüssen ein Attentat auf ihn in Mailand. Unweit des Anschlagsortes bei der Piazza Cavour wurde 2006 das vom Bildhauer Vito Tongiani gestaltete Denkmal in den Giardini Pubblici aufgestellt. Es zeigt den Journalisten nach der Vorlage eines Fotos aus den 1940er Jahren beim Arbeiten mit seiner Olivetti Lettera 22 auf den Knien – allerdings gab es damals diesen Schreibmaschinen-Typ bei Olivetti noch gar nicht.

Als Leutnant der Askari

Die aktuellen Auseinandersetzungen um Montanelli beziehen sich auf seine Zeit im Abessinienkrieg, als er sich, noch vom Duce begeistert, freiwillig an die Front gemeldet hatte. Als Leutnant führte der 26jährige in dem von Italien mit brutaler Härte geführten Krieg eine Kompanie von einheimischen Kämpfern („Askari“). Der verbreiteten Praxis des sogenannten Madamato nach hatte er ein 12jähriges einheimisches Mädchen mit Namen Destà gekauft und mit ihr in Form eines Konkubinats als Frau und Haushaltshilfe zusammen gelebt. Bei der Rückkehr nach Italien hatte er Destà an seinen Vorgesetzten General Alessandro Pirzio Biroli weiter gegeben. In Interviews nach dem Krieg hatte Montanelli sein damaliges Verhalten gerechtfertigt und als durch lokale Traditionen gedeckt verteidigt.

Der Farbanschlag auf das Montanelli-Denkmal hat in der italienischen Öffentlichkeit ein breites Echo ausgelöst. Wobei es aber überwiegend links wie rechts als „vandalistisch“, „feige“ oder „dumm“ verurteilt wird. Luca Paladini, der Sprecher der „Sentinelli“, wirft Medien und Politik allerdings vor, den Brief mit der Forderung nach Abbau des Denkmals als „telebanisch“ karikiert und damit einen gewaltsamen Anschlag gleichsam provoziert zu haben. Mailands Bürgermeister Giuseppe Sala zeigt sich in einer Videobotschaft betroffen von Montanellis Versuch, sich in Interviews reinzuwaschen, doch stellt er dagegen das vorbildliche journalistisches Lebenswerk heraus. Eine Verlegung des Denkmals, gar einen Abbau, lehnt der Bürgermeister ab. Das Denkmal selbst wurde am Montag wieder gereinigt.

Das „Madamato“ thematisiert auch der 2017 bei Rizzoli erschienene Roman Sangue giusto von Francesca Melandri (auf Deutsch bei Wagenbach „Der Neffe aus Afrika“ – hier auf Cluverius). Ein Roman, der im Ausland mehr Aufsehen erregt hat als in Italien selbst. Das Land tut sich – wie übrigens Deutschland auch – schwer, sich seiner kolonialen Vergangenheit zu stellen.

© Cluverius

Im Prozess der Reinigung – doch führt die Debatte über den Anschlag auch zu einer Diskussion über die koloniale Vergangenheit Italiens?