DIE DREI VON TAVOLE


Wie im hinteren Ligurien von einem Deutschen eine historische Orgel entdeckt wurde, die jetzt wieder zum Klingen gebracht werden soll

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Der Ort Tavole oberhalb von Imperia mit der Kirche SS Annunziata

Imperia (März 2008)  „Das ist ja super!“ Der Orgelbauer Philipp Klais prüft die Drahtverbindungen hinter dem Manual und untersucht die beiden mit Leder bespannten Windladen. Er nimmt die seitliche Holzverschalung der alten Orgel ab, um ins Innere des Instrument zu gucken – eine „fast unberührtes“ Exemplar aus dem 18. Jahrhundert. „Stark“, freut sich Klais, der in die barocke Kirche der Santissima Annunziata von Tavole, einem abgelegenen Bergdorf unweit der ligurischen Küste, gekommen ist. So einem Instrument zu begegnen, „das ist der Traum für einen Orgelbauer“. Das gute Stück könnte aus der Werkstatt der bedeutenden ligurischen Orgelbauerfamilie Roccatagliata stammen und damit nicht nur alt, sondern auch wertvoll sein. Als Philipp Klais dann dem Instrument einige Töne entlocken will, klingt es allerdings recht jämmerlich.

Die schiefen Töne haben einen musikbegeisterten deutschen Anwohner von Tavole, schon länger geärgert. Seit 23 Jahren besitzt Peter Hoenisch in dem malerischen Dorf mit seiner prächtigen Kirche rund elf Kilometer von der Kreisstadt Imperia entfernt ein Haus. Doch was ist die schönste Kirche ohne wohltönende Orgel? Denn die Windanlage, wie die Fachleute die Bälge nennen, durch das Instrument „Luft“ bekommt, ist marode. Viele Pfeifen müssten ausgebessert werden und Teile der Mechanik auch.

Das Stauen des Orgelbauers
Der Deutsche, der als Rentner zwischen dem Rheinland, Berlin und Ligurien pendelt, rief schließlich das traditionelle Bonner Orgelbauunternehmen Klais zu Hilfe. Das, neugierig geworden, schickte vor ein paar Monaten zuerst seinen Restaurierungsexperten. Der untersuchte mehrere Tage lang den alte Kasten auf der Westempore der Kirche – und kam aus dem Staunen über die originalen Bauteile der Barockorgel nicht mehr heraus, so dass jetzt der Chef selbst den Weg ins Hinterland der westlichen Riviera fand. Klais hat inzwischen auch einen Kostenvoranschlag über 105 Tausend Euro für die Restaurierung vorgelegt.

Wer aber kann das bezahlen? Peter Hoenisch, ehemaliger Spitzenmanager von Sony und RTL, hat derweil in dem kleinen Ort (80 Einwohner im Winter und 140 im Sommer) Verbündete gesucht – und sie in dem Dorfpfarrer Don Sandro und der Olivenbäuerin Irene Revello gefunden. Irene Revello kennt sich nicht nur mit nativem Olivenöl aus, sondern hat auch Kunstgeschichte studiert. Sie erzählt, wie ihre Vorfahren, als in Tavole noch über 1000 Einwohner lebten, sich das Geld regelrecht vom Munde abgespart hatten, um die Kirche zu verschönern. Kirche und Orgel waren Ausdruck des Stolzes einer ganzen Gemeinschaft. Und der junge, 33jährige Don Sandro, der wie aus anderen Zeiten eine kleinen Ziegenbart trägt, erinnert daran, dass die Orgel im 19. Jahrhundert nicht nur ein liturgisches Instrument war. Auf ihr wurde abends auch Opernmusik gespielt. Für viele war das „einzige Vergnügen nach einem Tag harter Arbeit“.

Auf der Suche nach Sponsoren
Hoenisch, Revello und Don Sandro, die drei von Tavole, machen sich nun auf die Suche nach Sponsoren. Erste Spenden sind bereits geflossen. Zudem haben Künstler wie der Turiner Marco Gastini Arbeiten zur Verfügung gestellt, die versteigert werden. Man will auch deutsche Künstler wie Günther Uecker oder Georg Baselitz gewinnen. Ein Weinbauer aus dem Piemont hat 100 Flaschen wertvollen Rot- und Weißwein geschenkt, die bereits für mehrere Tausend Euro zu Gunsten der Orgel verkauft worden sind. Die Zusage zu einer finanziellen Unterstützung durch die italienische Bischofskonferenz liegt auch vor. Schon denkt man an ein Orgelfestival in Tavole und in den Nachbargemeinden Prelà und Dolcedo, als Schirmherr hat sich der berühmte Organist Nicolas Kynaston zur Verfügung gestellt. Und Hobby-Organisten wie Harald Schmidt sollen auch eingeladen werden.

Noch aber fehlen etliche Zehntausend Euro. Peter Hoenisch ist jedoch überzeugt: „Wir schaffen das.“ Er möchte sich einen Traum erfüllen. Der immer noch jung wirkende Siebzigjährige, der bereits als Kind in Leipzigs Thomaskirche Orgelbälge bedient hatte, möchte auf dem alten Instrument von Tavole selbst einmal spielen. Als er das Philipp Klais erzählt, sagt der nur: „Ja super.“