EIN BRÜCKENBAUER


Zum Tod von Klaus Wolbert, Kunsthistoriker und Förderer junger italienischer Gegenwartskünstler. Ein vielseitig interessierter Intellektueller, der Musik liebte und das Politische in der Kunst erforschte

Klaus Wolbert, Aschaffenburg 1940 – Istanbul 2020

Mailand – Durch den Tod von Klaus Wolbert, Kunsthistoriker, unermüdlicher Förderer von jungen Künstlern und zuletzt Präsident der angesehenen Stiftung VAF, verliert der italienisch-deutsche Kulturaustausch eine prägende Persönlichkeit. Geboren am 25. März 1940 in Aschaffenburg, studierte der gelernte Schriftsetzer zunächst Malerei (Frankfurt) und angewandte Grafik (Offenbach). Nach Tätigkeiten u.a. bei Werbeagenturen und beim Hessischen Landesmuseum Darmstadt erwarb er auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur und schloss ein Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Kulturanthropologie 1980 mit der Promotion über politische und ästhetische Aspekte der figurativen NS-Plastik ab. Ein Thema, das ihn sein Leben lang begleitet hat und schließlich 2018 in der großartigen Veröffentlichung Dogmatische Körper – Perfide Schönheitsdiktate (Metropol Verlag) gipfelte. Die Arbeit wurde auch ins Italienische übersetzt (Allemandi) und hoch gelobt.

Als langjähriger Leiter der Mathildenhöhe in Darmstadt und Kurator großer Themenausstellungen (Jazz, Lebensformen, Design) setzte der intellektuell vielseitig interessierte Wolbert sich ebenso mit internationaler zeitgenössischen Kunst und besonders mit der italienischen Moderne und der Gegenwart auseinander. Im Jahr 2000 rückte er in den Vorstand der VAF-Stiftung (Frankfurt/Mailand), die er bis zu seinem Tod geschäftsführend leitete. Die von dem in Mailand lebenden deutschen Unternehmer Volker Feierabend und seiner Frau Aurora gegründete Stiftung konzentriert sich auf die Förderung, Sammlung, Ausstellung und Verbreitung von italienischer Kunst des 20. Jahrhunderts.

Eine Biennale der Entdeckungen

Seit 2003 organisierte Klaus Wolbert den von der Stiftung alle zwei Jahre ausgelobten Förderpreis für junge italienische Künstler, der 2019 von Silvia Giambrone gewonnen wurde. Dazu gehört immer eine Ausstellung von rund 15 Künstlerinnen und Künstlern , die in die Endauswahl übernommen wurden – zuletzt im Frühjahr vergangenen Jahres zunächst in Rovereto beim Mart, wo sich auch viele Leihgaben der Stiftung VAF befinden, und dann im Herbst in der Stadtgalerie Kiel.

In der Leitung der Stiftung, als Mitherausgeber der Bestandskataloge und als Kurator der Preisträgerausstellungen, die er eine„ Biennale der Entdeckungen“ nannte, hat sich Klaus Wolbert selbst ein Denkmal gesetzt. Seinen Lebensabend verbracht er in der von ihm so geliebten Stadt Istanbul, wo er mit Freunden eine deutsch-türkische Jazz-Band gegründete hatte und Klarinette spielte – als „polyedritsche Persönlichkeit“ erinnerte ihn auch die Zeitschrift Giornale dell’Arte. Es war auch die Musik gewesen, die ihn früh in Kontakt mit dem italienischen Kulturraum brachte, als der junge Student in Darmstadt den Komponisten Bruno Maderna (1920 -1973) kennen lernte, der in Mailand zusammen mit Luciano Berio das Studio für zeitgenössische Musik gegründet hatte. Klaus Wolbert starb in Istanbul am 26. April im Alter von 80 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung. Bestattet wurde er auf dem christlichen Friedhof der Stadt.

Klaus Wolbert: Dogmatische Körper – Perfide Schönheitsdiktate. Bedeutungsprofile der programmatischen Aktplastik im Dritten Reich. Metropol Verlag, Berlin (2018). 603 Seiten, 34 Euro (E-Book 27 Euro)

Siehe auch auf Cluverius das Porträt von Volker Feierabend: „Vollgestopft mit Bildern, Büchern und Statuen“