EIN FALL VON BETRUG?


Die italienische Justiz erhebt Anklage gegen Kurator und Ausstellungsmacher einer Modigliani-Schau in Genua

copyright Mostra Palazzo Ducale Genova

Ein Modigliani? Kein Modigliani? „Grande nudo disteso – Bildnis von Celine Howard“ (1918?) aus einer Privatsammlung (Schweiz)

Mailand/Genua – Was macht ein Kunstwerk zur Fälschung? Die (willentlich) falsche Zuschreibung als Originalwerk eines Künstlers. Der Kunstmarkt ist voll solcher Werke, die aus dunklen Quellen überraschend auftauchen und denen auf der Suche nach Gewinn ein falsches Mäntelchen umgehängt wird. Man bemüht einen Fachmann für eine Expertise, bringt die Ware auf einer Ausstellung unter, wo sie auch im Katalog erscheint, der in weiteren Veröffentlichungen zitiert werden kann. So kann das Werk bei einer Versteigerung/einem Verkauf eine guten Preis erzielen, der nach folgenden Ausstellungen, neuen Veröffentlichung und Expertisen beim Weiterverkauf noch übertroffen wird – die Spirale ist nach oben offen. Die italienische Justiz ist jetzt dabei, diesen Kreislauf im Fall von Amedeo Modigliani (Livorno 1884 – Paris 1920) zu durchbrechen.

Bei einer großen Modigliani-Ausstellung mit Arbeiten von März bis Juni 2017 in Genua (Palazzo Ducale) kam der Verdacht auf, dass viele der gezeigten Werke nicht aus der Hand des jung verstorbenen italienischen Maler der klassischen Moderne stammen könnten (– siehe auch Informationsdienst Kunst 644). Denn der Modigliani-Markt war kurz vor dem 100. Todesjahres des Künstlers 2020 in Bewegung geraten. Angeblich hatte nach einem Bericht der französischen Tageszeitung Le Monde allein die Aufnahme des Werkes „Nudo disteso“ (Bildnis von Celine Howard) in den Katalog der Ausstellung von Genua den Schätzwert des Gemäldes von 28 Millionen Euro auf 32 Millionen Euro gesteigert. 21 Arbeiten der Ausstellung im Palazzo Ducale wurden von den Justizbehörden beschlagnahmt, die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf.

Im Blitzgewitter von Gutachten

Die sind jetzt abgeschlossen. In einem demnächst beginnenden Prozess wird nach Meldungen italienischer Medien Anklage gegen sechs Personen wegen Betrugs erhoben. Darunter sind der Kurator der Ausstellung, der Schweizer Kunstkritiker Rudy Chiappini (Lugano), der Präsident der Gesellschaft MondoMostre Skira Massimo Vitta Zelman (Mailand) als Organisator der Ausstellung sowie der amerikanischen Kunsthändler und der Sammler Joseph Guttmann, dem Besitzer von allein elf Exponaten. Die Staatsanwaltschaft sieht im Fall von 20 der 21 beschlagnahmten Arbeiten den Verdacht von Fälschung und dementsprechend den Strafbestand von Betrug bestätigt. Sie stützt sich auf Gutachten, die die Verteidigung jedoch mit Gegengutachten begegnet. Bestätigt sieht sich die Anklage nach einem Bericht des Corriere della Sera (20. Juni) besonders durch chemische Analysen der Wissenschaftseinheiten RIS der italienischen Polizei, wonach einige Farbmischungen bei 13 der inkriminierten Arbeiten nicht aus den Lebzeiten Modiglianis stammen würden.

Kurator wie Produzent berufen sich auf breite und „sichere“ Dokumentationen der ausgestellten Werke, die keinen Verdacht auf Fälschungen nahe legen würden. Sie unterstreichen die Seriosität ihrer Auswahl auch dadurch, dass bei einer strengen Auswahl im Vorfeld der Ausstellung 23 Werke ausgeschlossen wurden, dessen Zuschreibung unsicher geblieben war. Die Richter des anstehenden Prozesses, der vermutlich durch mehrere Instanzen gehen wird, sind nicht zu beneiden. Einige Besitzer von umstrittenen Modigliani-Werken auch nicht. Der 100. Todestag von Amedeo Modigliani am 24. Januar 2020 wird im Blitzgewitter von sich widersprechenden Gutachten stehen.

Ein ähnlicher Text ist im Informationsdienst Kunst Nr. 681 (11. Juli 2019) erschienen.
Siehe auch auf CluveriusDie Ausstellung als Kriminalfall

HINWEIS

Im Mailänder Skira-Verlag, der von dem im Modigliani-Prozess angeklagten Massimo Vitta Zelman geleitet wird, ist gerade das Buch „Falsari illustri“ von Harry Bellet erschienen (128 pagg. 19 Euro). Im Klappentext wird der Satz des Autors zitiert: “ Quando Thomas Hoving, un tempo Direttore del Metropolitan Museum di New York, dichiarò nel 1997 che il 40% delle opere nel suo museo erano false, pensammo ad una esagerazione tipicamente americana. Di fatto si si domanda se la cifra non sia inferiore alla verità.“