im Kino: Favolacce


Zwischen Realismus und Groteske: Die Brüder Damiano und Fabio D’Innocenzo frischen das italienischen Kino mit ihrem zweiten Spielfilm auf

© Produktion Favolacce

Hitzestau – Nachbarschaftsmarkt in der Vorstadtsiedlung – Ileana D’Ambra als Vilma

Mailand (Cinema Palestrina) – Der Film Favolacce („Bittere Märchen“) erzählt vom trostlosen Alltag einer römischen Reihenhaussiedlung der Vorstadt. Der bescheidene Wohlstand und Alltagssorgen bilden den Boden eines eher von Instinkten geprägtem Leben ohne Wertvorstellungen. Im Mittelpunkt stehen die Beziehungen von Eltern und ihren etwa 12jährigen Kindern, die alle die selbe Schulklasse besuchen. Den Heranwachsenden wird zuhause kaum die Möglichkeit zur Entfaltung gegeben. Nur in der Schule durchbricht ein Lehrer die Eintönigkeit der Mittelmäßigkeit, hinter der das Grauen lauert.

Die Zwillingsbrüder Damianio und Fabio D’Innocenzo (geboren 1978) hatten bereits mit ihrem ersten, mehrfach ausgezeichneten Spielfilm La terra dell’abbastanza (2018) auf sich aufmerksam gemacht hatten. Sie sind in der Peripherie Roms aufgewachsen, die die Folie ihrer Filmerzählungen (aber auch ihrer Gedichte und Fotoreportragen) ist. In Fovalacce erzählen sie keine durchgehende Geschichte, sondern reihen fabelartig Situationen aneinander. Zusammen gehalten von einem fiktiven Tagebuch, aus dem eine Erzählstimme vorliest.

Hingeschnusselter Vorstadt-Dialekt

So mischen sich Realismus – verstärkt durch den Einsatz eines oft kaum zu verstehenden hingeschnusselten Vorstadt-Dialekts – und Groteske. Eine hochsommerliche Atmosphäre gleitet ins Surreale. In der Bildsprache, die an das französische Autorenkino vor 40, 50 Jahren erinnert, wechseln lange Total- und Weitwinkeleinstellungen mit Großaufnahmen. Im wenig innovativen Kinoalltag Italiens wirkt dieser Film wie eine Frischzellenspritze. Favolacce erhielt bei der Berlinale 2020 einen Silbernen Bären für das beste Drehbuch. In Italien wurde er gerade mehrfach mit dem „Nastro Argento“, den Filmpreis der italienischen Presse ausgezeichnet.

Favolacce. Mit u.a. Elio Germano, Barbara Chichiarelli, Gabriel Montesi, Max Malatesta, Ileana D’Ambra, Giulia Melillo. Regie, Idee, Buch: Damiano und Fabio D’Innocenzo. Kamera: Paolo Camera. Schnitt: Esmeralda Calabria. Produktion: Pepito Produzioni, RAI Cinema, Vision Distribution, RSI. Italien/Schweiz 2020. 98 Minuten

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