In Italien verändern die Museen der Moderne mit unkonventionellen Hängungen ihr Gesicht. Zum Beispiel die GNAM in Rom mit der Ausstellung „Time Is Out of Joint“
Rom (GNAM bis 15.4.2017) – Wer in Rom die Galleria Nazionale d’Arte Moderna (GNAM) betritt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Da spiegelt sich etwa ein Herkules-Statue von Canova aus dem frühen 19. Jahrhundert in einer Bodeninstallation von Pino Pascali aus dem späten 20. Jahrhundert. Und hinter dem Canova zieht sich über die Wandfläche die Arbeit „Goldspolie auf Akaziennadeln“ von Giuseppe Penone (2002) hin. „Time Is Out of Joint“ lautet der Titel einer Ausstellung, mit der die seit kurzem amtierende Direktorin Cristiana Collu die Highlights der Sammlung des bislang betulich wirkende Museum durcheinander wirbelt.
Die Kunstwelt scheint aus den Fugen, oder wie es bei Hamlet heißt, „Die Zeit ist ausgerenkt“. Die Sammlung folgt nicht mehr einer kunsthistorischen Chronologie vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, sondern zeigt sich als ein Miteinander von freien Beziehungen, verwandten Themen, verspielten Assoziationen. Jede Hängung sei zeitabhängig, sagt die Direktorin, heute müsse ein Museum sich alle paar Jahre auf eine neue Art präsentieren. In der Ausstellung der GNAM werden jetzt 500 Exponate von 170 Künstlern aus einem Bestand von gut 20.000 Werken gezeigt. Da gibt es viel Luft für Variationen.
Zu theatralisch? – Die Fachmedien diskutieren
Cristiana Collu, geboren 1969 in Cagliari, ist keine Unbekannte in der italienischen Museumsszene. Nach Studien in Rom, Madrid und Sydney übernahm sie mit 27 Jahren die Leitung des Kunstmuseums MAN in Nuoro (Sardinien) und verwandelte es mit mutigen Ausstellungen in eines der lebendigsten Museen Süditaliens. 2012 wechselte sie an das MART im norditalienischen Rovereto, dessen Sammlung sie ähnlich wie jetzt an der GNAM durch unkonventionelle Hängungen Frischluft zuführte. Doch ist ihre Neuinszenierung auf der römischen Bühne nicht unumstritten. In der Kunstzeitung „Artribune“ ist eine heftige Debatte darüber ausgebrochen. Neben viel Zustimmung wird die Hängung etwa als „zu theatralisch“, teilweise als „kindisch“ kritisiert. Die Welt mag aus den Fugen sein, aber jemand müsse sie auch wieder zusammensetzen, heißt es.
Nicht nur in Italien verändern die Museen ihr Gesicht. Ähnliches gilt gerade für die Londoner Tate wie für das Pariser Centre Pompidou. Aber in Italien ist der Nachholbedarf größer. Nun reagieren sie aber. Vom wiedereröffneten Museo Pecci (Prato) über das Ca‘ Pesaro (Venedig) bis zum Madre (Neapel). Die Museen, so der Pecci-Direktor Fabio Cavallucci, sollten Empfindungen bei denen wecken, die sie durchwandern. Wenn man Kunst aus der Philologie befreie, ergänzt Cristiana Collu, „beginnen die Werke wieder zu leben.“
Time Is Out of Joint. Galleria Nazionale d’Arte Moderna, Rom. Bis 15. April 2018
Info: www.lagallerianazionale.com