Phänomen Mafia


Geschichte der Mafia und der Antimafia in einer Untersuchung von Umberto Santino

Mafia in Deutschland – Mordanschlag in Duisburg 2007

Mailand/Palermo – Die Mafia ist längst kein Thema für Italien allein. Spätestens seit den Morden von Duisburg im Jahr 2007 bei einer internen Auseinandersetzung von Clans der ‚Ndrangheta, der kalabresischen Mafia, kam das Problem auch ins Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit. Kürzlich sorgte eine zwischen der deutschen und italienischen Polizei koordinierten Großrazzia mit Massenverhaftungen in beiden Ländern für Aufsehen. Mafia bleibt jedoch ein von Stereotype und falschen Vorstellungen umnebelter Begriff, der eher von erzählerischen Formen (Kino, TV, Romanen) geprägt wird als von Fakten und Hintergründen. In diesem Zusammenhang hilft die deutsche Übersetzung einer Buchveröffentlichung von Umberto SantinoPhänomen Mafia – Geschichte der Mafia und Antimafia“, die im Weltbuch Verlag erschienen ist.

Der Soziologe Umberto Santino ist ein durch viele Veröffentlichungen ausgewiesener Kenner der organisierten Kriminalität. In Palermo leitet er das von ihm und seiner Frau Anna Puglisi gegründete Centro Impastato, das sich seit über 40 Jahren mit den Formen der organisierten Kriminalität in Italien beschäftigt. Schwerpunkt der Arbeit Santinos ist allerdings Sizilien und so hat sein Buch vor allem die Geschichte der Cosa nostra mit ihren Abspaltungen und der Gegenbewegungen auf Sizilien im Fokus.

Aber das hat auch den Vorteil, dass Santinos genaue Analyse der sizilianischen Mafia die Zusammenhänge von Organisationsformen ausleuchtet, die gleichsam an der Wurzel für alle italienischen Mafiagruppen, ihre historische Entwicklung und gegenwärtige Bedeutung, stehen. Denn lange war die Cosa nostra auch mit ihren internationalen Aktivitäten die größte und wichtigste Gruppe – und in diesem Sinne ein Vorbild für andere. Erst in jüngster Zeit ist sie von ‚Ndrangheta überrundet worden.

Ein überzeugender methodischer Ansatz

Überzeugend ist im Buch der methodische Ansatz, der bereits im historischen Teil die Gegenbewegung der Antimafia mit einbezieht. Und so der Gefahr entgeht, Mafia allein als ein spektakuläres Problem der Kriminalität und der Unterwelt darzustellen, sondern es als ein gesellschaftliches und politisches Phänomen, in dem Ober- und Unterwelt verbunden sind.In einem Schlusskapitel geht der Autor auf weitere Mafiaorganisationen in Italien und im Ausland ein und stellt das Phänomen in den Zusammenhang der Globalisierung.

Vom Buch zur Tagesaktualität ist das nur ein kleiner Schritt. Nach einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarischen Anfrage der Grünen habe sich das Phänomen Mafia in Deutschland während der vergangenen Jahren vervielfacht. Die größte Mafiagruppe werde von den Organisationen aus Kalabrien gestellt, gefolgt von denen der Cosa nostra. Weniger auffällig bisher sei die Camorra aus Neapel und die Sacra corona unita aus Apulien. Eine Sprecherin des BKA sagte kürzlich in einem Interview, dass die Organisationen auch in Deutschland nichts unversucht ließen, „um in die Gesellschaft einzudringen und die Wirtschaft zu schädigen.“

Umberto Santino: Phänomen Mafia – Geschichte der Mafia und der Antimafia. Übersetzt von Winfried Küper und Giovanni di Stefano. Weltbuch Verlag, Sargans/Dresden. 284 Seiten, 17,50 Euro.

Der Autor hatte sein Buch kürzlich in der Stadtbibliothek Stuttgart vorgestellt.

copyright csd Palermo

Umberto Santino und Anna Puglisi, Gründer des Centro Impastato

Zum Thema unter anderem auf Cluverius „Fünfundzwanzig Jahre danach

Siehe auch: Henning Klüver: Der Pate letzter Akt – Die sizilianische Mafia. Goldmann, München (2008)