Gegenwartskunst


Der Künstler und Bühnenbildner Daniele Lievi und seine Visionen (nicht nur) der Theaterwelt in einer bemerkenswerten Ausstellung im MuSa, dem Museum von Salò  Mailand/Salò (MuSa bis 30.11.) ­–  Bildende Künstler von Pablo Picasso bis Anselm Kiefer haben gelegentlich Wege in die Theaterwelt gesucht und sie etwa mit Bühnenbildern bereichert. Aber keiner hat sein künstlerisches Schaffen so radikal mit der Bühne verbunden wie der früh verstorbene Daniele Lievi (1954-1990) – in enger Zusammenarbeit mit seinem zwei Jahre älteren Bruder, dem Regisseu, Autor und Lyriker Cesare Lievi. Auf dessen Initiative hin wird jetzt in Salò am westlichen Ufer des Gardasees unter dem Titel „Carte Segrete – Teatro Visioni“ (Geheime Blätter – Theater Visionen) eine umfassende Ausstellung mit Arbeiten von Daniele Lievi gezeigt, nachdem es im Vorjahr gleichsam als Wegbereitung bereits eine kleinere Ausstellung in Brescia gegeben hatte.

GEHEIME BLÄTTER


Die 23. Internationale Triennale Mailand „Unknown Unknowns“ versucht, Nachdenken über Nichtwissen anschaulich zu machen – was nicht immer gelingt. Mailand (bis 11.12.)  – Crash oder friedliche Vereinigung? Die Andromeda-Galaxie bewegt sich auf unser Milchstraßensystem zu und wird es vermutlich in 4 Milliarden Jahren erreichen. Eine Videoinstallation verkürzt diesen Zeitraum auf wenige Sekunden und zeigt, wie sich die beiden Systeme annähern. Offen bleibt, ob es dabei zu ihrer gegenseitigen Zerstörung kommt. Nicht alle Installationen dieser 23. Internationalen Triennale Mailand, die unter dem Obertitel Unknown Unknowns eine „Einführung in die Geheimnisse des Unbekannten“ geben möchte, sind so anschaulich wie diese Arbeit des türkisch-amerikanischen New-Media-Künstlers Refik Anadol.

DURCH EINEN ROTEN FLUR



Gertrude Cepl-Kaufmann und Philipp Cepl haben sich auf eine anregende Spurensuche kreuz und quer durch die Geschichte und die Landschaft der ehemaligen Künstlerkolonie Positano begeben Mailand – Wer die Amalfi-Küste heute neben dem touristischen auch als kulturellen Lebensraum erfahren möchte, der sollte zum Taschenbuch aus dem Wagenbach Verlag „Der einzig senkrechte Ort der Welt. Die Künstlerkolonie Positano“ greifen. Das Autorenduo  Gertrude Cepl-Kaufmann und Philipp Cepl – sie Literaturwissenschaftlerin, er ein Kunstsammler – geht unzähligen Spuren nach, die  Positano von den 1920er Jahren an vor allem für deutsche Künstlerinnen und Künstler, für Schriftsteller und Intellektuelle zu einer Alternative etwa zum mondänen Capri machte – von Theodor W. Adorno bis Marianne und Otto Edmund Zoff, von Annot (Anna Ottonie Krigar-Menzel) bis Alma Mahler.  Dabei wird keine kopflastige Kulturgeschichte geliefert, sondern anschaulich von den Menschen, von ihren Schicksalen und Abenteuern erzählt. Und wie sich das gleichsam an den Felsen geklebte eher ärmliche ehemalige Fischerdorf zu einer Künstlerkolonie entwickelte, in der man seine Italiensehnsucht auf verschiedene Arten ausleben konnte.

„EIN DEUTSCHER ERINNERUNGSORT“


Italien feiert Louise Nevelson in mehreren Ausstellungen unter anderem in Venedig und in Mailand Mailand/Venedig – In historischen „Kapseln“ erinnert die diesjährige Biennale dell‘Arte u.a. an die US-amerikanische Künstlerin Louise Nevelson (Kiew 1899 – New York 1988). Ihre vom Kubismus beeinflussten und ebenso mit der Arte Povera verwandten Arbeiten kann man aber vor allem auf zwei größeren Ausstellungen in Mailand und in Venedig verfolgen. Dazu kommt eine kleine Initiative in Castelfranco Veneto. In Venedig stehen in den gerade restaurierten und wieder zugänglich gemachten Procuratie Vecchie an der Piazza San Marco die Skulpturen und Wandinstallationen im Mittelpunkt. In Mailand geht es um die Collagen auch im Zusammenhang mit der Buchveröffentlichung „Out of Order. The Collages of Louise Nevelson“ in englischer Sprache.

DAS DENKEN ALS COLLAGE



Die 59. Internationale Kunstaustellung Venedig steht unter dem Titel „The Milk of Dreams“. Anregend und zugleich zukunftskritisch dreht sich die Hauptausstellung mit Arbeiten von vor allem Künstlerinnen um das Thema der Verwandlungen. Unter den 80 nationalen Beteiligungen bleibt der Pavillon Russlands geschlossen, den deutschen bespielt Maria Eichhorn. Venedig (Arsenale/Giardini della Biennale bis 27.11.) Es sind ganz unterschiedliche Eindrücke, die ein Rundgang durch die Hauptausstellung der 59. Kunstbiennale vermittelt. Gleich am Anfang in der ehemaligen Seilerei des Arsenale sieht man sich einer riesigen schwarzen Bronzestatue einer afrikanischen Frau ohne Augen gegenüber („Brick House“). Die Basis dieser Arbeit der afroamerikanischen Künstlerin Simone Leigh erinnert an eine kuppelförmige Lehmhütte. Etwas später wird man mit der prallen Sexualsymbolik im monumentalen surrealistischen Wandgemälde „Pisser Triptych“ der Schweizerin Louise Bonnet konfrontiert. Unter der Eingangskuppel des zentralen Pavillons der Giardini thront superrealistisch das bekannte, rund 4 Meter hohe Abbild einer Elefantin von Katharina Fritsch. Die 66jährige Künstlerin aus Essen wird in diesem Jahr gemeinsam mit der Chilenin Cecilia Vicuña mit einem goldenen Löwen für das Lebenswerk ausgezeichnet. Ein paar Räume weiter kann man einer Tanzperformance unter der Anleitung der Rumänin Alexandra Pirici beiwohnen.

„DIE MILCH DER TRÄUME“