UNSICHTBAR, BESTOHLEN, LEBENSGROSS


Thomas Demands „ L’Image Volée“ und Edward Kienholz – zwei Ausstellungen bei der Fondazione Prada

copyright Cluverius

Edward Kienholz „Five Car Stud“ – Rassistische Gewalt zu Halloween

Mailand – (Fondazione Prada bis 28. August bzw. 31. Dezember) Mit zwei Ausstellungen unterstreicht die Fondazione Prada in Mailand ihren Anspruch, unterschiedliche Strömungen der Gegenwartskunst und der Moderne zu dokumentieren wie zu interpretieren. Auf eine höchst anregende Art zeigt Thomas Demand, der sich selbst als „Illusionist“ versteht, wie Künstler sich im Verlauf der jüngeren Geschichte an Modellen bestehender Arbeiten und Techniken orientierten, sie benutzten, kopierten, ausbeuteten. Unter dem Titel L’Image Volée („Das beraubte Bild“) hat er 90 Arbeiten von rund 60 Künstlern zusammengestellt.

Das reicht vom Benutzen einer Arbeit (Martin Kippenberger verwandelt ein Gemälde von Gerhard Richter in einen Tisch), über das Kopieren (Cy Twombly malt einen Picasso) bis zum gestohlen Bild: die Nazis beschlagnahmen ein Van Gogh – Demand zeigt den leeren, originalen Rahmen aus dem Frankfurter Städel. Wundervoll ironisch: Maurizio Cattelan macht eine Anzeige über den Diebstahl eines „unsichtbaren Kunstwerkes“ aus seinem Auto – das polizeiliche Protokoll macht es nicht sichtbar aber gegenständlich.

copyright Cluverius

Bismarck auf dem Totenbett

Die Ausstellung selbst ist eine Collage von Gemälden, Objekten, Fotos, Videos, Skulpturen. Zeiten und Genres fallen zusammen. Zu sehen ist eine der wenigen Kopien des wohl ersten Paparazzi-Fotos: Bismarck auf dem Totenbett, die Familie hält bis heute die Negative unter Verschluss. Am Ende steht eine Installation aus Abhörgeräten des Geheimdienstes der Sowjetunion und der DDR.

Eine bedrückende Atmosphäre

Wo bei Demand die Nutzung Form im Vordergrund steht, geht es bei den Installationen des US-Amerikaners Edward Kienholz (1927-1994) um Anklage, Denunzierung von gesellschaftlichen Zuständen. Die Erniedrigung der Frau als Sexualobjekt, Gewalt gegen Kinder, die Macht des Fernsehens, die Rolle der Religion. Die Arbeiten münden in der bedrückenden Atmosphäre des lebensgroßen Szenenaufbaus Five Car Stud. Weiße Männer mit Halloween-Masken haben einen Afroamerikaner auf den Boden geprügelt und sind dabei, ihn mit einem Messer zu entmannen. Die Handlung spielt sich im Scheinwerferlicht von mehreren Autos ab.

Five Car Stud (1969/72) wurde zum ersten Mal auf der von Harald Szeemann eingerichteten documenta 5 präsentiert. Trotz der Aufmerksamkeit, die sie sofort auslöste, bliebt die Arbeit über Jahrzehnte im Lager eines Sammlers verborgen. Kurz nach ihrer Restaurierung wurde sie dann nur 2011 in Los Angeles (County Museum) und 2012 in Kopenhagen (Louisiana Museum) gezeigt. Jetzt bildet sie den Höhepunkt der repräsentativen Ausstellung über Edward Kienholz in der Fondazione Prada, auf der man insgesamt 25 Werke aus den Jahren 1959 bis 1994 sehen kann.

L’Image Volée. Bis 28. August 2016. Kienholz: Five Car Stud. Bis 31. Dezember 2016. Fondazione Prada, Mailand.