WIE GEWEBT


Cagliari: Arbeiten von Rosanna Rossi in der Galleria d’Arte Moderna 

 

copyright Cluverius

Farbe und Rhythmus -„Rabat“ (1998-2000)

Cagliari (bis 30. Oktober) – In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre schlossen sich in Cagliari Künstler in verschiedenen Gruppen zusammen. Sie wollten sich von der traditionellen Kunst Sardiniens oder Formen der klassischen Moderne auf der Insel lösen. Dazu gehörte Rosanna Rossi, die Mitbegründerin der  Gruppe Studio 58. Der 1937 geborenen Künstlerin widmen jetzt die Galleria Comunale d’Arte und das neu eingerichtete Ausstellungszentrum C.Arte.C eine Retrospektive. Zu sehen sind Arbeiten aus unterschiedlichen Schaffensperioden, die von expressionistischen Anfängen bis zu jüngsten, geometrisch aufgebauten Bildern in Pastellfarben reichen.

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Rosanna Rossi Selbstporträt (Ausschnitt) von 1958

Rosanna Rossi war nach dem Kunststudium in Rom nach Sardinien zurückgekehrt, wo sie sich langsam von der gegenständlichen Malerei löste. In meist großflächigen Arbeiten entdeckte sie für sich die „Geometrie der Natur“, indem sie die Bildfläche bearbeitete, als würde sie mit einem Webstuhl Farben auf die Leinwand auftragen. So sind mit feinstem Pinsel wundervoll rhythmische Farbgewebe entstanden. Sie erstrecken sich über einem vielschichtig vorbereiteten Untergrund, dessen Schleier den Arbeiten eine inneres Leuchten geben.

Kunst und Engagement

Auf der anderen Seite kann man in der Ausstellung die engagierte Künstlerin kennen lernen. In Arbeiten, die an Arte Povera erinnern, thematisiert sie mit groben Stoffplanen die Balkankriege der 1990er Jahre. Oder kritisiert in seriellen Werken die Rolle der Frauen: Handschuhe aus Kunststoff, wie sie für die Hausarbeit benutzt werden, reiht sie koloriert auf einem schmutzigen Untergrund. Aus dem Jahr 2000 stammt die Arbeit „Gerusalemme“ zum Nahost-Konflikt : was von weitem wie ein feines, silbriges Gewebe in einem Rahmen wirkt, entpuppt sich bei genauem Hinsehen als Stacheldraht, den Rosanna Rossi über ein grobes Tuch gespannt hat.

Auch im Alter von 79 Jahren setzt sich die Künstlerin in Cagliari weiterhin mit Farben und Formen auseinander. Und die pastellfarbigen oder akrylschattierten  Bilder, die kürzlich enstanden sind, wirken wie ein altersweiser und zugleich energiegeladener Kommentar zur Geschichte der Gegenwartskunst.

Die Ausstellung gehört  in eine Programmreihe der städtischen Kunstgalerie von Cagliari, in der lokale Künstler der Gegenwart zu Wort kommen. Sie belegt, dass die Insel nicht nur mit Trachtenumzügen oder Chormusik in der Tradition verwurzelt ist, sondern sich kulturell auch dem Heute stellen kann. Zu entdecken ist außerdem das neue Ausstellungszentrum C.Arte.C, das in Felsgrotten unter dem Kastellhügel eingerichtet wurde, in denen die Zivilbevölkerung während des Zweiten Weltkrieges Schutz vor den Bombenangriffen der Allierten gesucht hatte.

Rosanna Rossi – Percorsininterrotti. Galleria Comunale d’Arte Moderna sowie C.Arte.C , Cagliari. Bis 30. Oktober 2016. Info: www.museicivicicagliari.it