Der Komiker Checco Zalone stellt mit dem Kinofilm „Quo Vado“ einen Kassenrekord auf und bringt die Medien in Wallung
Mailand/Bari – Der Panettone, das typische Mailänder Weihnachtsgebäck, ist inzwischen in ganz Italien verbreitet und durch industrielle Massenware ziemlich auf den Hund gekommen. „Cinepanettone“ wird abfällig eine meist dürftige Filmproduktion genannt, die zur Weihnachts- und Neujahrszeit als süßlicher Komikstreifen mit Darstellern wie Christian De Sica über die Kinoleinwände flimmert, ein bisschen Kasse macht und dann zu recht in der Versenkung verschwindet, aus der sie eigentlich nie hätte auftauchen sollen. In diesem Jahr aber wurde solch ein De-Sica-Panettone („Vacanze ai Caraibi“) von einem Konkurrenten von den Leinwänden gefegt. Innerhalb von nur drei Tagen nach dem Start am 1. Januar konnte der Film „Quo Vado“ mit über drei Millionen Zuschauern in landesweit 1300 Kinos 22,3 Millionen Euro einspielen. Tendenz steigend.
Der jüngste Kinofolge von „Star Wars“ hat in Italien 18 Tage benötigt, um etwa vergleichbare Einnahmen zu gerieren. Die Medien kommen aus den Staunen nicht mehr heraus. In Zeitungsartikeln, bei Radiosendungen und heftigen Internetdebatten wird nach einer Erklärung für den Erfolg des Festtagsfilms mit dem Komiker Checco Zalone gesucht. Doch ist „Quo Vado“ überhaupt ein Cinepanettone? Er ist zwar zu den Festtagen herausgekommen, aber spielt wohl doch in einer anderen Liga.
Mit Glatze und Allerweltsgesicht
Der Film des Regisseurs Gennaro Nunziante, der wie sein Hauptdarsteller und Mitautor aus Bari stammt, nimmt angeblich typisch italienischen Makel und Macken aufs Korn. Bestechliche und krank feiernde Staatsdiener, Muttersöhnchen, die noch mit Ende dreißig bei den Eltern wohnen, oder aggressiv hupende Autofahrer, die ihr Fahrzeug schließlich in der zweiten Reihe parken. Thematisiert werden Reformen, die nichts reformieren, Probleme der Umweltverschmutzung oder die Rollenverteilung Mann Frau. Natürlich fallen entsprechend sexistische oder fremdenfeindliche Sprüche.
In der Hauptrolle überzeugt der 38jährige Checco Zalone mit Glatze und Allerweltsgesicht, der sich weigert, trotz angebotener hoher Abstandszahlung eine feste Anstellung als Beamter aufzugeben und sich dafür sogar an den Nordpol versetzen lässt. Er lernt in Skandinavien „ziviles Verhalten“ kennen, kehrt aber schließlich von Heimweh geplagt nach Italien mit all seinen Defekten zurück. Ist doch alles halb so schlimm – oder? Die Handlung ist recht dürftig, doch gibt es eine nicht abreißen wollende Kette von Situationskomik. Und der Song „La prima Repubblica“ tanzt über alle Radiowellen.
Ein neuer Alberto Sordi?
Während man hier und da die Nase rümpft, feiern andere Checco Zalone bereits als „neuen Alberto Sordi“. In den Debatten fallen Begriffe wie populismo di sinistra (linker Populismus) oder buonismo (Gutmenschentum). Man wirft ihm vor, qualunquismo (Politikverdrossenheit) zu fördern. Die Meinungen purzeln durcheinander. Mal gieße der Film Wasser auf die Mühlen des sozialdemokratischen Regierungschefs Matteo Renzi, mal mache er als „Anti-Renzi“ unterschwellig Propaganda für die „Berlusconi-Kultur“ oder auch die gute alte Zeit der Christdemokraten. Übt „Quo Vado“ eine aufbauende Kritik an der Gesellschaft oder ist er einfach nur kritisch-reaktionär? Lega-Chef Salvini möchte Zalone als Kulturminister einer von ihm geführten Regierung sehen (- in der er sich übrigens Berlusconi als Außenminister wünscht). Toll, was alles in solch einem Streifen stecken soll, den vermutlich Zuschauer außerhalb von Italien nur streckenweise komisch und eher langweilig finden würden.
Er wolle kein „Soziologe Italiens“ sein, zeigte sich Zalone in einem Interview mit dem Corriere della Sera erstaunt, sondern eigentlich nur die Leute zum Lachen bringen. Ihn unterstützt der linke Journalist und Starpolemiker Marco Travaglio im Fatto Quotidiano: Bitte keine Debatte über „Quo Vado“, höchstens über die, die jetzt darüber debattieren. Das sei Italien wirklich von seiner komischen Seite.
Übrigens gut Lachen haben vor allem der Produzent (Taodue Film) und der Verleih (Medusa). Beides sind Unternehmen der Mediaset-Gruppe von Silvio Berlusconi.
Erschienen in ähnlicher Form in der Neuen Zürcher Zeitung 16.1.2016