ZWISCHEN LIEBEN UND LEIDEN


Mit der Ausstellung „Rinascimento elettronico“ im Palazzo Strozzi kehrt der New Yorker Videokünstler Bill Viola nach Florenz zurück

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„The Greetings“ –  Video von Bill Viola nach dem Vorbild von Pontormos Gemälde „Heimsuchung“

Florenz (Palazzo Strozzi bis 23.7.) – Das ist keine Ausstellung, die man einfach mal so durchlaufen kann. Allein die Videoarbeiten von Bill Viola aus den Jahren von 1995 bis heute, auf die der Besucher im ersten Stock des Palazzo Strozzi stößt, ergeben aneinandergehängt eine Laufzeit von rund zwei Stunden und 20 Minuten. Dazu kommen in der „Strozzina“, im Kellergeschoss des florentinischen Renaissancepalastes, frühe Arbeiten von 1973 an. Die Ausstellung mit dem Titel „Rinascimento elettronico“ möchte mit insgesamt 26 Werken den gesamten Schaffensraum des heute 66jährigen Videokünstlers aus New York widerspiegeln.

Der Begriff „elektronische Renaissance“ spielt auf die enge Beziehung von Bill Viola mit Florenz an. Mit 23 Jahren kam der Amerikaner an den Arno und arbeitete anderthalb Jahre als technischer Leiter des Studios für Videokunst art/tapes/22. Das war Mitte der 1970er Jahre, als Florenz anders als heute ein Zentrum für Innovation und Kreativität war, und Künstler von Jannis Kounellis bis Arnulf Rainer, Sandro Chia bis Joan Jonas mit art/tapes/22 zusammenarbeiten. In jener Zeit tauchte Viola auch tief in die Aura historischer Kunst ein, die er auf den Plätzen der Stadt und in ihren Palästen, Kirchen oder Sammlungen als lebendig und nicht museal eingesperrt erlebte.

Im Dialog mit den Originalen der Kunstgeschichte

Eine spätere Auseinandersetzung mit Pontormos Gemälde „Heimsuchung“ und dem daraus entstandenen Video „The Greeting“ leitete schließlich ab 1995 eine neue Schaffensperiode des Künstlers ein. Von der Direktaufnahme des Alltäglichen wechselte Bill Viola gleichsam in hollywoodartige Produktionen mit Spezialeffekten. Arbeiten, die sich von Werken der Kunstgeschichte inspirieren ließen, sind jetzt in dieser höchst anregenden Ausstellung im Dialog mit einigen Originalen von Masolino da Panicale, Paolo Uccello, Lukas Cranach und natürlich Pontormo zu sehen. Wobei es Bill Viola nie um Imitationen oder Interpretationen religiös-christlicher Motive geht, sondern um den meditativen Umgang mit Erfahrungen wie Lieben und Leiden.

Jacopo Pontormo "Heimsuchung" (um 1528)

Jacopo Pontormo „Heimsuchung“ (um 1528)

Zusätzlich sind mit „Observance“ (2002) und „Acceptance“ (2008) zwei berühmte Videoarbeiten von Bill Viola im Museo del Duomo einer büßenden Magdalena von Donatello beziehungsweise der Pietà Bandini von Michelangelo gegenüber gestellt. Die Ausstellung, an der auch das Studio Viola selbst maßgebend beteiligt war, unterstreicht eindrucksvoll die Bedeutung von Tradition und Geschichte für die Kunst der Gegenwart. Man darf gespannt sein, wie die Bill-Viola-Ausstellung in den Hamburger Deichtorhallen (2. Juni bis 10. September) das Thema Kunst, Religion und Geschichte anlässlich des 500jährigen Reformationsjubiläums aufgreift.

Bill Viola. Rinascimento elettronico. Palazzo Strozzi, Florenz, bis 23.Juli 2017. Katalog Giunti Editore 35 Euro. Info: http://www.palazzostrozzi.org

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Ein ähnlicher Beitrag ist am 28. März in der Stuttgarter Zeitung erschienen.