Giuseppe Mazza:
Über die Rolle der PR und den Umgang des Papstes mit den Medien
Unter den Neuigkeiten, mit denen Bergoglio laufend aufhorchen lässt, ist eine fast untergegangen, obgleich er sie bereits während seines ersten Angelus-Gebets am 17. März 2013 angesprochen hatte. Der Papst erzählte da der Menge der Gläubigen, dass er das Buch eines „guten Theologen“, nämlich von Kardinal Walter Kasper, gelesen habe. Doch fügte er sofort lächelnd hinzu: „aber glaubt bitte nicht, dass ich für die Bücher meiner Kardinäle Werbung mache!“ Die Leute, amüsiert, klatschten.
Der Papst hat also von Anfang an diesen so profanen Begriff in seinen Wortschatz aufgenommen. Und ihn öffentlich von jenem Fenster aus benutzt. Unser Erinnerung nach eine absolute Premiere, vor allem zum Auftakt eines Pontifikats.
Das ist jedoch ein Thema für ihn, wie man am 7. Juli versteht. Bergolio wendet sich an die Seminaristen in Sankt Peter und beschreibt sie als: „ausgewählt und gesendet von Gott und nicht über Werbekampagnen oder Aufrufe zum Dienen oder zur Selbstlosigkeit.“ Die beiden Nennungen hängen zusammen: Werbung ist das, was wir nicht machen, ein Feld, auf dem wir nicht unterwegs sind.
Bergoglio verurteilt die Sprache der Falschheit. Er macht das, weil er wie schon seine Vorgänger den „wilden Kapitalismus“ kritisiert – und wählt zum Angriff auf ihn die Ebene der Sprache, die er für das typische Feld ultraliberaler Mystifikationen hält. Das was er Werbung nennt.
Seine Kirche will nicht die Kommunikationsmittel wie eine äußere Macht belegen, indem sie auftritt, redet und dann in das eigene Haus zurückkehrt. Vielmehr erleben wir ihren kritischen Eintritt in die Medien, laizistisch und paritätisch. Wenn sie sich gegen die Sprache der Reklame wehrt, dann um ihre eigene zu positionieren. Wir werden nicht zu Artefakte. Wir werden einzigartig und authentisch.
Eine Reaktion auf die Sprache der Globalisierung
Bereits das erste ausgesprochene Wort dieses Pontifikats hat diese Bedeutung. Franziskus ist etwas, was dem Vatikan noch nie über die Lippen gekommen war. Das ist kein Name für einen Papst, dessen Sinn in der Kirchengeschichte verwaltet wird wie noch im Fall von Benedikt XVI. Der Name Franziskus wurde der kollektiven Erinnerung entnommen. Ohne ketzerisch zu sein: man sieht sich dem gegenüber, was man in der Werbung naming nennt, das heißt das Kreieren eines Namens zu einem präzisen kommunikativen Zweck. Wie Bernbach sagt, ist derjenige ein Kommunikator, der sich nicht nur darum kümmert, „was man auf eine Seite druckt, sondern um das, was der Leser davon mitnimmt.“
Und dann sind da seine Telefonate. Sie könnten an die medienwirksamen Gesten eines Padre Riccardo Lombardi erinnern, an den Jesuiten, der im Nachkriegsitalien „das Mikrophon Gottes“ genannt wurde und dessen Radiosendungen mit den Worten begannen: „Jesus ist am Mikrophon. Jesus will mit Dir reden. Höre auf Jesus.“ Nein, Bergoglio telefoniert one to one nicht aus archaischen oder paternalistischen Gründen, sondern weil er im Gegenteil linguistisch mit einer Personalisierung auf die undifferenzierte und oberflächliche Sprache der Globalisierung reagiert.
Der Papst und die Schokolade
Die öffentliche Meinung steht dem neuen Papst anerkennend gegenüber. Weil sie sich umworben fühlt. In den Anstrengen, die er unternimmt, sie zu erreichen, erkennt sie eine Hommage. Und weil Bergoglio anders als früher nicht mehr von oben nach unten kommuniziert, sieht sich ernst genommen. Jedoch Vorsicht: Wertschätzung bedeutet nicht Anschluss. Das System der Medien ist ein Spiegelkabinett. Einen der originellsten Aufrufe des Papstes – „Habt keine Angst vor Zärtlichkeit“ – beantwortete die Anonymität des Internet, indem sie ihm sofort den Spruch der Milka-Schokolade an die Seite stellte: „Trau Dich zart zu sein“. Eine kleine Episode nur, aber schrecklich zugleich. Wer in die modernen Medien eindringt, muss entdecken, dass es da drinnen keine freien Worte gibt, die man aussprechen kann, als wären sie rein.
Indem er sich also an jenem Fenster zeigt, weiß Bergoglio, dass er das gegenüber einen Welt macht, in der alles Werbung sein kann. Sein Mut besteht darin, dass er dem Feind gegenüber tritt und ihn benennt.
* Giuseppe Mazza ist Gründer und Leiter der Werbeagentur Tita (Mailand) und Herausgeber der Halbjahreszeitschrift „Bill„, die sich der Tradition des großen amerikanischen PR-Vordenkers und Art Directors Bill Bernbach (1911-1982) verpflichtet fühlt. Der vorliegende Text ist im Original bei „doppiozero“ erschienen (Übersetzung: H.K.)