Turin


Nach den Schönheiten Italiens begannen die Deutschen vor rund 50 Jahren die literarischen Landschaften südlich der Alpen zu entdecken, während deutschsprachige Literatur im Bel Paese weiterhin ein Schattendasein fristet. Anlässlich der Buchmesse Frankfurt ein Blick auf die deutsch-italienischen Literaturbeziehungen Mailand – Italien und die Literatur – das ist ein merkwürdiges Kapitel. Einerseits ist Italien ein leseschwaches Land, in dem die Hälfte aller Bewohner kein einziges Buch im Jahr kauft. Andererseits hat es eine lebhafte Literaturszene mit mondänen Literaturpreisen (Strega, Campiello etc). Es gibt eine lebendige Buchmesse wie den Salone del Libro im Frühjahr in Turin und neben regionalen Veranstaltungen eine zweite Messe für mittlere und kleinere Verlage im Spätherbst in Rom sowie die internationale Kinder- und Jugendbuchmesse in Bologna. Dazu kommen von Nord bis Süd die vielen Buch- und Lesefestivals – meist lokal ausgerichtet oder die großen in Mantua (Festivaletteratura) oder in Mailand (Bookcity).

REIBEPUNKTE ZWISCHEN ALT UND NEU


„Eine Privatsache“, der große Roman von Beppe Fenoglio über den italienischen Widerstand, ist endlich wieder in deutscher Übersetzung (bei Wagenbach) greifbar. Der Autor wäre jetzt 100 Jahre alt geworden. Mailand/Alba – Der Roman „Una questione privata“ von Beppe Fenoglio (1922-1963)  erzählt eine Begebenheit aus der Zeit des italienischen Widerstands kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges. Es sei schwer, schreibt Nicola Lagioia in einem Beitrag (hier) für die Turiner Tageszeitung La Stampa, „in der italienischen Literatur der vergangenen hundert Jahre einen Roman zu finden, in dem sich Liebe und Krieg, Jugend und Tod auf solch magische Art verknüpfen.“ Der Roman wurde posthum einige Monate nach dem Tod des Autors veröffentlicht. Was bis heute Spekulationen über das dramatische und zugleich offene Ende des Protagonisten Milton nährt – wollte Fenoglio etwa noch ein Schlusskapitel schreiben? Der Wagenbach Verlag hat nun die deutsche Ausgabe „Eine Privatsache“ in der Übersetzung von Heinz Riedt aus dem Jahr 1968 – ursprünglich bei Benziger (Zürich) erschienen – zusammen mit einem aktuellen Nachwort von Francesca Melandri wieder aufgelegt.

DURCH NACHT UND NEBEL



Italien: Aus der Vielfalt der Zentren für Gegenwartskunst ragen Turin und besonders Mailand heraus – und Venedig als internationale Bühne Mailand – Die Gegenwartskunst in Italien stagniert. Das hat sicher auch damit zu tun, dass das ganze Land einen müden Eindruck macht. Es steht von einigen Bereichen (Mode, Design, Food) ausgenommen nicht im internationalen Interesse, bietet auch keine beispielhaften sozio-politischen Entwicklungen (oder sie verpuffen wie die Fünfsternebewegung in wenigen Monaten) und wird kulturell im Ausland kaum noch wahrgenommen. Immer weniger Künstlerinnen und Künstler aus Italien sind auf internationalen Ausstellungen und Messen präsent, beklagte kürzlich ein Forum zur Gegenwartskunst am Museum Pecci in Prato. Dabei gibt es im Land mehrere Zentren, die zumindest historisch eine Rolle gespielt haben oder sich gerade neu aufstellen und vielleicht Ansätze bieten, der Szene neue Anstöße zu geben.

BUNT WIE ARLECCHINO


Eine Ausstellung in Nuoro untersucht die kulturellen Beziehungen zwischen Sardinien und dem Piemont, nachdem die Insel vor 300 Jahren an des Turiner Herzogtum angegliedert wurde. Nuoro – Sardinien und Piemont verbindet eine 300jährige Geschichte. Im Jahr 1720 war das damalige Königreich Sardinien den Verträgen von London und Den Haag nach dem Herzogtum Savoyen zugesprochen worden – und hatte damit den Herzog in Turin zu einem König gemacht. Die neuen Herren kümmerte sich jedoch – abgesehen von den Jahren ihres Exils in Cagliari während der napoleonischen Dominanz in Italien – wenig um die Insel. Noch heute werden die Savoyer dort in vielen Veröffentlichungen verächtlich als „Kolonialherrscher“ bezeichnet. Die Ausstellung in Nuoro Il regno segreto. Sardegna-Piemonte: una visione postcoloniale versucht dagegen die Beziehungen, den Austausch und das gegenseitige Durchdringen im kulturellen Bereich mit persönlichen Erfahrungen, Objekten und Ideen bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts zu beschreiben.

EDINAS GESCHICHTE



Die Familie Agnelli kehrt ins Mediengeschäft zurück und übernimmt die Mehrheit der Gedi-Gruppe (la Repubblica, L’Espresso , HuffPost u.a.). Und schon wechseln die Chefredakteure Mailand/Rom –  Stühlerücken in der italienischen Medienlandschaft: Maurizio Molinari, bis vor ein paar Tagen noch Chefredakteur der Turiner Tageszeitung La Stampa, ersetzt Carlo Verdelli auf dem Chefposten der römischen la Repubblica. Wirtschaftsexperte Massimo Giannini, lange Zeit Vizechef der Repubblica und zuletzt Leiter des privaten Radio Capital, wird Chefredakteur der Stampa. Von der Stampa wechselt Mattia Feltri (Leiter der Hauptstadtredaktion Rom) in die Chefetage der italienischen Ausgabe der Huffington Post. Dieses Personenkarussel hat ein Player in Gang gebracht, der sich lange Zeit aus dem italienischen Mediengeschäft rausgehalten hatte: John Elkann,  der 44jährige Enkel des „Avocato“ Giovanni Agnelli, und Vorstandsvorsitzender u.a. von Exor, der Finanzgesellschaft der Familie Agnelli, die (der niedrigen Steuern wegen) in Amsterdam residiert.

SIE SIND WIEDER DA