Bergamo und Brescia als „Kulturhauptstadt Italiens 2023“: wirtschaftlich reich, künstlerisch lebendig Mailand – Bergamo leuchtet. Und Brescia auch. Die beiden lombardischen Städte sonnen sich gemeinsam im Licht einer „Kulturhaupt Italiens 2023“, nachdem sie besonders zu Anfang der Pandemie einen hohen Blutzoll entrichten mussten. Unvergessen das Symbolfoto eines Konvois von Militärfahrzeugen, mit denen Dutzende von Särgen aus den überlasteten Krematorien Bergamos abtransportiert wurden. Jetzt sollen und wollen sich die Städte gleichsam in einem Akt der Wiedergutmachung von ihrer guten, ihrer kulturell-touristischen Seite zeigen.
Geschichte
Andreas Löhrer verfolgt mit einer gründlichen Recherche die Spuren des Partisanenliedes „Bella Ciao“, das gerade in diesen Tagen neue Aktualität erhält Mailand – Der 25. April, Jahrestag der Befreiung Italiens von deutscher Besatzung und Faschismus, steht in diesem Jahr 2023 unter besonderen Vorzeichen. Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte wird das Land von einer Koalition unter Führung der Partei Fratelli d’Italia regiert, die sich aus der postfaschistischen Bewegung MSI entwickelt hat. Zwar hat sich die pragmatisch auftretende Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zuletzt von jeglicher faschistischer Ideologie distanziert, dennoch wird man kaum erwarten können, dass sie am 25. April in den Chor derjenigen einstimmt, die Bella Ciao singen. Zumal Parteigenossen wie der Senatspräsident Ignazio La Russa aktuell alles tun, um den antifaschistischen Widerstand kleinzureden. Denn es geht um ein Lied, das „zur Hymne der Erinnerung an die Resistenza“ wurde, wie Andreas Löhrer schreibt, der in seinem informativen Buch „Bella Ciao“ (Verlag Edition AV) die teilweise verschlungen „Spuren eines Partisanenliedes“ verfolgt und akribisch dokumentiert.
EIN UNIVERSELLES LIED DER FREIHEIT
„Garten der Engel“ ist ein Kriminalroman, der Einblicke in die Geschichte Venedigs unter der deutschen Besatzung am Ende des letzten Weltkriegs bietet. Mailand/Venedig – In dem Roman „Garten der Engel“ (Folio Verlag) von David Hewson verknotet sich eine Familiengeschichte mit den historischen Ereignissen Venedigs in den letzten beiden Jahren des 2. Weltkrieges unter deutscher Besatzung. Während der größte Teil der Bevölkerung versucht, mehr schlecht als recht zu überleben, kämpft ein junger Mann nach dem Tod seiner Eltern um den Erhalt des Familienunternehmens, einer traditionellen Seidenweberei. Er gerät dabei in die Wirren von Unterdrückung, Judenverfolgung, Bürgerkrieg und Widerstand. Und nicht immer sind Freund und Feind auseinanderzuhalten.
WEBEN UND WIDERSTEHEN
Gastautor Carl Wilhelm Macke im Gespräch mit Esther Kinsky anlässlich der italienischen Edition ihres Romans „Rombo“ Mailand – Der Mailänder Verlag Iperborea hat gerade Esther Kinskys Roman „Rombo“ in der italienischen Übersetzung von Silvia Albesano veröffentlicht. Die vielstimmige Erinnerung an die schweren Erdbeben, die 1976 mehrfach das Friaul erschütterten, war im Original vergangenen Herbst bei Suhrkamp erschienen und von der Kritik teils überschwänglich gelobt worden. Auch die ersten italienischen Reaktionen (u. a. Tutto Libri/La Stampa, La Letteratura/Corriere della Sera) waren positiv. Esther Kinskys Roman gehört außerdem zusammen mit Arbeiten von Emmanuel Carrère (Frankreich), Johanne Lykke Holm (Schweden) Andrei Kurkov (Ukraine) und Burhan Sömez (Türkei) zur Endauswahl des X. Premio Strega Europeo, der am 21. Mai auf dem Salone Internazionale del Libro verliehen wird. Aus Anlass der italienischen Ausgabe von „Rombo“ sprach der Publizist Carl Wilhelm Macke (München/Ferrara) mit Esther Kinsky.
„EIN GROLLEN – UND DIE WELT IST EINE ANDERE“
Vigevano im März – Auf der Piazza Ducale scheint die Welt noch in Ordnung. Bevor die Touristen kommen, bilden am frühen Vormittag meist ältere Männer in Diskussionen vertiefte Gruppen auf dem historischen Pflaster. Und abends, wenn die letzten Touristen gegangen sind, sind es die Jugendlichen, die die Lokale unter den Arkaden als späte Treffpunkte nutzen. Die Piazza Ducale von Vigevano bildet mit ihrem drei Seiten umlaufenden Portikus aus der Renaissance eine spektakuläre Platzanlage vor der barock-konkaven Fassade der Kathedrale. Knotenpunkt und Salon einer Kleinstadt (rund 60.000 Einwohner) südwestlich von Mailand. Vigevano liegt im Zentrum der Lomellina, einer alten Agrarlandschaft im westlichen Zipfel der lombardischen Provinz Pavia. Die wie ein Bühnenbild wirkende Piazza unterhalb des Castello Sforzescos, an der u. a. Bramante mitgearbeitet hatte, ist immer wieder für Diskussionen gut. Nachdem sie in der Vergangenheit vom Verkehr befreit worden war, möchte die Gemeindeleitung jetzt sogar den Zulieferverkehr am frühen Vormittag in Nebenstraßen verbannen. Laut protestieren die Inhaber der Geschäfte, Cafés und Restaurants.