Geschichte


Zwei Eigenproduktionen des Piccolo Teatro „Ho paura torero“ und „Come tremano le cose riflesse nell’acqua (čajka)“, mit denen die Mailänder Bühne ins neue Jahr gestartet ist, gehören zu den Höhepunkten dieser Spielzeit Mailand – Das Piccolo Teatro Milano hatte in der vergangenen Saison versucht, mit seinen Aufführungen die Beziehung zwischen Wirklichkeit und Darstellung zu durchleuchten. In der gegenwärtigen Spielzeit 23/24 geht es um „Il corpo delle parole“ also um die Körperlichkeit der Sprache auf der Bühne. Wobei u. a. der Dialog mit der Literatur, etwa mit der Welt des Romans, gesucht wird. Aber auch die Auseinandersetzung mit der dem Theater eigenen Dramaturgie von der Klassik bis hin zu kritischen Neuerfindungen des 20. Jahrhunderts. Mit zwei Inszenierungen hat die Mailänder Bühne gerade diesen Ansatz eindrucksvoll unterstrichen: Ho paura torero („Torero, ich habe Angst“) von Pedro Lemebel und Come tremano le cose riflesse nell’acqua (čajka) („Wie zittern die sich im Wasser spiegelnden Dinge“) eine Bearbeitung von Tschechows „Die Möwe“ durch Liv Ferracchiati.

„WIR MÜSSEN SANFT IRONISCH SEIN“


Zwischen Ausblick und Retrospektive: Fragen der Nachhaltigkeit, der Architektur und der Mobilität in zwei wichtigen Veröffentlichungen von Vittorio Magnago Lampugnani und Erik Wegerhoff im Wagenbach Verlag Mailand – Rund 80 Prozent der Weltbevölkerung wird im Jahr 2050 in Städten leben. In urbanen Räumen wird sich entscheiden, ob es der Menschheit gelingen kann, durch eine radikal nachhaltige Entwicklung die Klimakatastrophe wenigstens zu mindern. Architektur und Mobilität fallen damit im Rahmen der Stadtplanung eine entscheidende Rolle zu. Zwei Bände, die gerade im Wagenbach Verlag erschienen sind, beschäftigen sich – wenn auch mit unterschiedlichen Ansätzen – mit diesem brennenden Thema. Der Architekturhistoriker Vittorio Magnago Lampugnani (72) wendet sich in einem brillant formulierten Essay „Gegen Wegwerfarchitektur“. Sein Kollege Erik Wegerhoff (49) schlägt mit „Automobil und Architektur“ detailreich einen großen Bogen durch die jüngere Stadtgeschichte. In der hat das Auto, so seine These, als „ungleich bewegter Gegenspieler“ die Architektur von der Moderne bis zur Gegenwart beeinflusst.

PAMPHLET UND HOMMAGE



Vor 250 Jahren wurde Caspar David Friedrich geboren. Der Essay „Maler Friedrich“ von Eberhard Rathgeb ist ein wichtiger Beitrag im Jubiläumsjahr zum Thema Natur und Mensch Mailand – Am 5. September 1774 wurde Caspar David Friedrich geboren. Aus Anlass seines 250. Geburtstags häufen sich Ausstellungen, Veranstaltungen, Medienberichte. Und natürlich Veröffentlichungen. Die des Romanautors und Essayisten Eberhard Rathgeb („Maler Friedrich“, Berenberg Verlag), die bereits im Vorfeld des Jubiläums erschienen ist, sieht der Arbeit Friedrichs gleichsam aus dem „Innenraum“ des Malers zu. Dort, wo seine „inneren Bilder hingen, die Originale, die er auf Leinwand übertrug.“ Ein Innenraum, der durch eine pietistische Erziehung und den lutherischen Glauben ebenso geprägt wurde wie durch die geistigen und kulturellen Umbrüche seiner Zeit um 1800. In diesem Innenraum setzte sich Friedrich (neben seinen patriotischen Historienbildern) mit der Natur auf eine Art auseinander, durch die wir ihn heute in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Anthropozentrismus vielleicht nicht als Zeitgenossen, aber doch als Stichwortgeber und Fragesteller verstehen können.

GEFÜHL UND ERKENNTNIS


100 Jahre Maria Callas. Mailand feiert sie u.a. mit Ausstellungen im Museo Teatrale alla Scala und in den Gallerie d’Italia. Dazu Erinnerungen von Ingeborg Bachmann und Adriano Sofri Mailand – Maria Callas wurde am 2. Dezember 1923 in New York geboren. Ihre Karriere band sie früh an Italien und an Mailand. Sie lebte einige Jahre unter der Madonnina und prägt ausgehend von ihren Erfolgen an der Scala das gesellschaftliche Leben in den Mailänder Salons der 1950er-Jahre. An der Scala trat Maria Callas zwischen 1950 und 1961 mit insgesamt 23 Titeln in 26 Aufführungen (darunter sechs Saisoneröffnungen) auf. Die Stadt feiert sie jetzt zu ihrem 100. Geburtstag als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der Operngeschichte mit einem Reigen von Veranstaltungen (Info hier). Zum Beispiel mit einem Abend über Pasolini und die Callas im Piccolo Teatro. Im Mittelpunkt stehen aber zwei Ausstellungen im Museo Teatrale alla Scala (bis 30. April 2024) und in den Gallerie d’Italia Intesa Sanpaolo (bis 18. Februar 2024).

DAS LETZTE MÄRCHEN



Das Teatro all Scala wurde um ein Gebäude erweitert, das neben der Nutzung von Probe- und Büroräumen der Bühnentechnik neue Möglichkeiten eröffnet Mailand –  Die Scala wächst. Wenn anderswo in Europa Musiktheater Sparten schließen und Personal abbauen müssen, setzt das Teatro alla Scala auf Zukunft. Das zeigt sich in der erfolgreichen Ausweitung des kulturellen Angebots etwa mit dem Scala-TV, mit der laufenden Verfeinerung der akustischen Qualität des Theatersaals – was aber eher im Flüsterton kommuniziert wird – und vor allem mit Investitionen in den Ausbau der baulichen Gesamtanlage. Gerade wurde ein neuer Turmbau im Rücken des neoklassizistischen Opernhauses von 1778 eröffnet. Der von Mario Botta und Emilio Pizzi entworfene Turm ist 38 Meter hoch und reicht 19 Meter tief in den Boden. Neben Büroräumen gibt es u. a. einen neuen Probensaal für das Ballett im Dachgeschoss sowie unterirdisch einen 14 hohen Probesaal für das Orchester.

DER TURMBAU VON MAILAND