BRÜCHE ÜBERWINDEN


Parma: Die Italienische Kulturhauptstadt in Zeiten der Pandemie

© Maria Placanin/Complesso Monumentale della Pilotta

Parma, Kulturhauptstadt im Takt der Zeit – Das Thema gibt eine Installation von Maurizio Nannucci im Hof des Palazzo della Pilotta vor

 Mailand/Parma – Eine Schriftinstallation des Neonkünstlers Maurizio Nannucci zieht sich seit wenigen Monaten in Parma durch den Hof der ehemaligen Farnese-Residenz, dem Palazzo della Pilotta aus dem 17. Jahrhundert: „Time present and time past are both present in time future.“ Das Thema der Zeit, die vergangen oder gegenwärtig in der Zukunft präsent bleibt, bildet auch den Grundbass für das Programm, das die norditalienische Universitätsstadt für das Jahr 2020 entwickelt hatte, als ihr der Titel einer „italienischen Hauptstadt der Kultur“ zugesprochen worden war.

Seit 2014 zeichnet das italienische Kulturministerium jedes Jahr eine Stadt des Landes mit diesem Titel aus. Dabei geht es vor allem darum, kulturelle Entwicklungen abseits der Metropolen zu stärken und den Kulturtourismus zu fördern. Der Staat zahlt Zuschüsse (Eine Million Euro) zum Jahresprogramm. Die Pandemie hatte in Parma dieses Programm von Ausstellungen, Aufführungen, Konzerten bis hin zu Projekten urbaner Requalifizierung gehörig durcheinander gewirbelt und teilweise völlig zum Erliegen gebracht, so dass der sympathische einst von Stendhal gerühmte Ort auch in diesem Jahr 2021 weiterhin als Kulturhauptstadt auftreten darf. 2022 folgen dann Procida in der Provinz Neapel und 2023 Brescia und Bergamo gemeinsam (in Erinnerung an die dramatischen Wochen am Anfang der Pandemie).

Öffentlich und privat spielen zusammen

 Kultur in Pandemiezeiten zu organisieren, war und ist nach wie vor eine Herausforderung, die in Parma — soweit die Sicherheitsvorschriften es erlauben — mit großem Ernst angenommen wird. Kultur, so eines der Ziele des Programms, soll wie ein Metronom für das städtische Leben den Takt angeben und wo immer möglich bei Präsenzveranstaltungen Gemeinschaftserlebnisse ermöglichen, die in Italien seit dem Frühjahr in Theater, Opernhäusern, Kinos oder Museen unter Auflagen wieder möglich sind. Wobei öffentliche und private Einrichtungen, die 38 Prozent des Gesamthaushaltes tragen, zusammen spielen.

Reiche Gegenwartskunst findet man etwa im privaten APE Museum einer Bankstiftung. „Schräge“ Designobjekte von Piero Fornasetti mischen die staatlichen Einrichtungen des (endlich zu einer Einheit zusammengefundenen) Palazzo della Pilotta samt dem Teatro Farnese bunt auf. Auch das lokale Umfeld wird mit einbezogen. Ein große Mirò-Ausstellung (Mirò.Il colore dei sogni.) findet in der Fondazione Magnani-Rocca (Mamiano di Traversetolo)  vom 11.9. bis 12.12. statt. Das Verdi Festival 2021 in Parma und Busseto (24.9. bis 17.10) bietet unter anderen Inszenierungen von „Un ballo in maschera“ (Dirigent: Roberto Abbado/ Regie: Graham Vick) oder in konzertanter Form „Simone Boccanegra“ (Michele Mariotti) und die „Messa da Requiem“ (Daniele Gatti)

Ein Programm für die Zukunft

Für den umtriebigen Kulturstadtrat Michele Guerra, Professor an der Uni Parma für Kino, Fotografie und Medien und Vertreter einer Liste , die sich von der 5Sterne-Bewegung los gesagt hat, ist der Hauptstadt-Titel vor allem auch eine Gelegenheit, historische Gebäude wie etwa das Ospedale Vecchio und das ehemalige Kloster von San Paolo zu restaurieren und als Veranstaltungsort in die Kulturszene der Stadt einzubinden. Wobei der 39jährige einerseits auf eine nachhaltige Entwicklung innerhalb der programmatischen „Agenda 2030“ Wert legt, anderseits die Hauptstadt-Veranstaltungen nicht als ein Feuerwerk versteht, die mit den Feierlichkeiten verpuffen, sondern in die Zukunft austrahlen werden.

Kultur soll gerade jetzt die Brüche überwinden helfen, die sich im Laufe der Zeit in Parma bei der rasanten Entwicklung von einer verschlafenen Residenzstadt zu einem heutigen Kultur- und Wirtschaftszentrum (Lebensmittelindustrie) mit 200.000 Einwohnern aufgetan haben. Hinter den von Traditionskultur durchsetzten bürgerlichen Stadtvierteln (Dom und Baptisterium, Farnesepalast, Opernhaus und Akademien) gibt es eine Peripherie mit hohem Migrationshintergrund und entsprechend anderen, „bunten“ Kulturen. Parma ist im Verhältnis zur Einwohnerzahl noch vor Bologna die Stadt mit dem höchsten Anteil von Ausländern in der Region Emilia-Romagna. Verschiedene Bevölkerungsgruppen zusammen zu führen, ist inzwischen zu einem Schwerpunkt des Programmes der Kulturhauptstadt geworden, das mit 2021 nicht abbrechen soll.

Info Parma Capitale della Cultura hier