Verdacht auf Betrug und Geldwäsche: Waren nurFälschungen auf einer großen Modigliani-Schau in Genua zu sehen?
Genua – Es geht um viel Geld und um die Deutungshoheit über das Werk von Amedeo Modigliani (1884 – 1920). Genau 20 von 21 Arbeiten, die im vergangenen Jahr auf einer Modigliani-Ausstellung in Genua gezeigt worden waren, sollen „grob gefälscht“ worden sein. Das glaubt jetzt eine von den Justizbehörden in Genua bestellte Gutachterin belegen zu können. Bis auf eine Zeichnung seien alle anderen im Palazzo Ducale vom 16. März bis 13. Juli 2017 gezeigten Werke Modiglianis sowohl „in der Strichführung“ als auch „in den Farbpigmenten“ als Fälschungen zu erkennen. Außerdem, so das Gutachten, würden die Rahmen aus amerikanischer bzw. russischer Herkunft stammen. Die Arbeiten waren im vergangenen Juli von der Staatsanwaltschaft Genua beschlagnahmt worden. Die Ausstellung, die von der Gesellschaft MondoMostro Skira für den Palazzo Ducale produziert worden war, musste deshalb mehrere Tage vor dem offiziellen Ende geschlossen werden.
Es gibt kaum einen Künstler der Moderne, dessen Name so oft mit Fälschungen in Verbindungen gebracht wird, wie den mit 36 Jahren jung in Paris gestorbenen Maler und Bildhauer als Livorno. Einen Scherz machten sich 1984 ein paar Studenten aus seiner Geburtsstadt. Sie fertigten mit einem Presslufthammer Skulpturen aus Stein im Stile Modiglianis an und versenkten sie im Arno. Als sie sie wieder auftauchen ließen, wurden die Skulpturen von namhaften Kunsthistorikern als Originale anerkannt – bis die Aktion unter allgemeinem Spott aufflog. Einer der wenigen, die damals von Anfang an die Echtheit der Statuen in Frage stellten, war der Kunstkritiker und Modiglianiexperte Carlo Pepi. Pepi war es auch, der nach Studium des Katalogs die Überprüfung einiger Exponate der Genueser Ausstellung gefordert hatte. Als die Veranstalter das als eine Anmaßung indigniert zurückwiesen, reichte er bei den Justizbehörden Anzeige ein.
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft der ligurischen Landeshauptstadt ein Ermittlungsverfahren gegen den Kurator der Ausstellung Rudy Chiappini (Lugano), den Präsidenten der Gesellschaft MondoMostre Skira Massimo Vitta Zelman (Mailand) sowie den amerikanischen Kunsthändler und Sammler Joseph Guttmann, dem Besitzer von allein elf der inkriminierten Werke, eingeleitet. Es bestehe der Verdacht auf schweren Betrug, Kunstfälschung und Geldwäsche.
Chiappini verteidigte sich, er habe nur die Herkunft der Bilder aufgrund von Dokumentationen und vergangenen Ausstellungen überprüfen können, die die Echtheit der Exponate nahe legten. MondoMostre Skira, das größte Privatunternehmen Italiens, das regelmäßig Ausstellungen wie etwa zuletzt über Caravaggio (siehe auf Cluverius „Caravaggio von innen“) produziert, hat sich bislang jeder Stellungnahme enthalten. Massimo Vitta Zelman ist außerdem ein bedeutender Verleger für Kunstbücher und Ausstellungskataloge.
Höchstpreise auf Auktionen
Der Palazzo Ducale als Veranstalter sieht sich derweil als Geschädigter und lehnt in einer Erklärung jede Verantwortung für die künstlerische Wertung der Exponate ab. Die fiele allein in die Zuständigkeit des Produzenten und des von ihm beauftragten Kurators. Rund 100.000 Personen haben die Ausstellung im Palazzo Ducale gesehen. Nach Medienberichten plant eine Gruppe von Ausstellungsbesucher eine Sammelklage, um das Eintrittsgeld (13 Euro) wieder zu erlangen.
Auf Aktionen erzielen Werke von Modigliani Spitzenpreise. Im vergangenen Frühjahr wechselte sein Akt „Nu couché“ für 170,4 Millionen Dollar (rund 158 Millionen Euro) den Besitzer. Ausstellungen, wie die in Genua, sind für Eigentümer willkommene Auftritte, ihren Arbeiten öffentlich die Weihe der Authentizität zu verleihen. Angeblich hatte nach einem Bericht der französischen Tageszeitung Le Monde allein die Aufnahme des Werkes „Nudo disteso“ (Bildnis von Celine Howard) in den Katalog der Ausstellung von Genua den Schätzwert des Gemäldes von 28 Millionen Euro auf 32 Millionen gesteigert.
Zugleich riskieren Eigentümer aber einiges. Denn sollten die Werke, die als Originale ausgegeben werden, sich als Fälschungen erweisen, droht nach italienischem Recht ihre Zerstörung. Zumindest würde ihr Wert auf wenige hundert Euro sinken.
Kampf um die Deutungshoheit
Jetzt wird das Ergebnis weiterer Gutachten abgewartet. Denn es geht auch um die Deutungshoheit über das Gesamtwerk von Amedeo Modigliani, dessen 100. Todestag im Jahr 2020 Anlass zu zahlreichen Ausstellungen und Veröffentlichungen geben wird. Und da bahnt sich eine Auseinandersetzung an zwischen Carlo Pepi und dem französischen Kunsthistorker Marc Restellini (Gründer der Pinacothèque de Paris und Herausgeber eines kritischen Werkkatalogs Modiglianis) auf der einen Seite und dem (umstrittenen) Kunsthistoriker Christian Parisot, der von der Modigliani Tochter Jeanne testamentarisch als „Nachlassverwalter“ der Werke des Künstlers aus Livorno eingesetzt worden war. Parisot ist Autor eines der Kataloge, auf den sich Kurator Rudy Chiappini bei der Auswahl der Arbeiten für die Ausstellung in Genua gestützt hatte. Vorwürfe gegen Parisot hatte es u.a. 2010 in der Süddeutschen Zeitung und im Deutschlandfunk anlässlich einer Modigliani-Ausstellung in Bonn gegeben.
Kritik am ersten Gutachten wurde unter anderem wegen der Einbeziehung der Rahmen laut. Die Rahmung würde nichts über die Echtheit der Werke aussagen. Und die amerikanische Herkunft der Rahmen sei auch nicht verwunderlich, weil die meisten der untersuchten Werke aus Sammlungen aus den USA stammten.
Eines der beschlagnahmten und von der Gutachterin als Fälschung erkannten Werke, ein Frauenkopf („Testa di donna“) angeblich aus dem Jahr 1917 und vermutlich das Porträt von Hanka Zborowska, stammt allerdings aus dem Besitz einer Mailänder Stiftung. Seine Herkunft ist seit einer Ausstellung 1932 im anerkannten Pariser Aktionshaus Hôtel Drout ausführlich dokumentiert. Das im Laufe der Jahrzehnte immer wieder ausgestellte Gemälde ziert sogar ein Echtheitszertifikat des italienischen Kulturministeriums. Der Fall „Genua und die falschen Modigliani“ ist noch für manche Überraschung gut.
Fotos von Werken der umstrittenen Ausstellung hier im Corriere della Sera
Siehe auch den Beitrag „Genua.Ermittlungsverfahren wegen Modigliani-Fälschungen“ im Informationsdienst Kunst Nr. 644