EIN ENDE OHNE ENDE


Die immer wieder aufflammende Debatte über den Tot der Malerei in der anregenden Ausstellung „Stop Painting“ in der Fondazione Prada (Venedig), die Peter Fischli kuratiert hat.

© Cluverius

Politik statt Elfenbeinturm? Arbeit von Jörg Immendorf (Acryl auf Leinwand, 1973), Musée d’Art Moderne de Paris

Venedig/Mailand – Ein Gespenst geht um in der Welt. Das Gespenst, das regelmäßig das Ende der Gemäldekunst verkündet. Bereits um 1840 rief Paul Delaroche angesichts erster Fotografien aus: „Von nun an ist die Malerei tot.“ Wir wissen, dass er nicht recht behielt. Aber die bis heute nicht abbrechende Folge von Todesmeldungen hat den Schweizer Peter Fischli animiert, in der Ausstellung Stop Painting  der Fondazione Prada Venedig darüber nachzudenken, ob diese Debatte nicht ein Gespenst, eben ein „Phantom-Problem“ sein könnte. Und so findet sich der Künstler nach dem Tod seines langjährigen Partners David Weiss in der ungewohnten Rolle des Kurators wieder.

Sicher sei die Malerei von Krisen geprägt – Fischli spricht lieber von Brüchen –, aber was passiert dann mit ihr in den Brüchen? Und so zieht sich durch diese anregende Ausstellung mit über 100 Exponaten die nachvollziehbare These, dass die Malerei sich immer wieder mit ihren eigenen Mitteln negiert. Und sich abschafft, indem sie weiter macht. Wobei oft Ironie, mal direkt, mal unterschwellig im Spiel ist. Zum Beispiel in Jean-Frédéric Schnyders gigantischem, 15 mal 3 Meter großem Patchwork „Hudel“ (1983-2004) aus unzähligen farbgetränkten Lappen, mit denen der Künstler seine Pinsel abgewischt hat. Aber wer ist hier ironisch, der Künstler oder der Kurator? Und nicht jede (Selbst-)Zerstörung ist eine Negierung, wie die Arbeiten von Lucio Fontana zeigen, der die Leinwände zerschneidet, um der Fläche einen neuen Raum zu öffnen.

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15  Meter langes Patchwork: Stofflappen mit Farbresten. Eine Arbeit von Jean-Frédéric Schnyder (1983-2004), Kunstmuseum Basel

Von Martin Kippenberger und Albert Oehlen ist die „Orgonkiste bei Nacht“ (1982) zu sehen: ein brauner Behälter, in dem bemalte Leinwände versteckt sind, die man durch eine halboffene Tür erspähen kann. Natürlich darf das berühmte „Bild“ von Robert Rauschenberg nicht fehlen, der eine Arbeit von De Kooning mit dessen Einwilligung zerstört, indem er sie übermalt (1953). Mit seiner ihm eigenen Liebe zu Dialektik geht Fischli „streng zufällig“ vor, „entschieden unentschieden“, und kreiert zehn Räume, zehn Kapitel, denen er Titel und Themen zuordnet. Da stößt man in dem Kapitel „Nichts zu sehen, nichts zu verstecken“ auf eine glänzende Silbertafel von Walter De Maria, die mit Velours verhängt werden kann („Silberporträt von Dorian Gray“, 1965). Eine Arbeit von Rosemarie Trockel, die elektrische Kochplatten wie ein Gemälde an die Wand hängt („Untitled“,1991), findet man im Abschnitt „Wenn Gemälde Dinge werden“.

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Die Ausstellung als Modell

Die schönste Arbeit ist aber bereits im Eingangsbereich zu sehen (und beim Weggehen bleibt man noch lange vor ihr stehen): Ein Modell der Ausstellung mit fast allen Exponaten in Miniatur. So wird die Ausstellung selbst zu einem Kunstwerk und belegt Peter Fischlis Aussage, dass „Stop Painting“ eigentlich seine Liebe zur Malerei unterstreichen soll. Zeitgleich läuft in Mailand die (Gegen-) Ausstellung „Painting is back“ über italienische Malerei der 1980er Jahre (Gallerie d’Italia bis 3.10.). Fast könnte man meinen, Fischli habe sich auch die ausgedacht. Hat er aber nicht. Dafür ist sie viel zu eindimensional entschieden und überhaupt nicht spannungsvoll zufällig.

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Josh Smith, Untiteled (Lack auf Aluminium) 2012, Privatsammlung Zürich

Stop Painting. Fondazione Prada in dem Palazzo Ca’ Corner della Regina, Santa Croce 2215, Venedig, bis 21. November. Geöffnet tgl. außer Di  10-18 Uhr. Eintritt 12 Euro, Katalog 75 Euro. Info hier