Giorgio Diritti erzählt vom Leben des Malers und Bildhauers Antonio Ligabue – und vom Umgang der Gesellschaft mit einem Außenseiter
Mailand (Cinema Arcobaleno) – Von klein auf schwer traumatisiert und am Rande der Gesellschaft lebend fand Antonio Ligabue (1899 – 1965) in einer Kleinstadt am Po weitgehend autodidaktisch zur Malerei und Bildhauerei. Mit ausdrucksvollen, bizarren Tier- und Naturschilderungen, aber auch mit vielen Selbstporträts mischte er naive Ansätze mit kunstvoll expressionistischen Elementen. Dem Film Volevo nascondermi („Ich wollte mich verstecken“) geht es dabei weniger um Ligabues künstlerische Entwicklung, sondern um sein Leiden mit sich und seiner Umwelt und wie sich das in seinen Werken niederschlägt. Wobei sich biographische Fakten und Elemente einer Fabel durchmischen. Großartig Elio Germano, der für seine Darstellung des nervlich zerrissenen und von der Gesellschaft abgestoßenen Künstlers auf der Berlinale 2020 ausgezeichnet wurde.
Regie führt Giorgio Diritti. Der 61jährige Filmemacher aus Bologna ist ein Schüler von Ermanno Olmi. In seinen Kinofilmen hat er sich sensibel mit Problemen und Ereignissen des Landes und seiner Geschichte gewidmet. Und zugleich viel Gefühl für die ästhetische Umsetzung aufgebracht. Filme, die mit vielen Preisen ausgezeichnet wurden, aber es nicht leicht im Kinobetrieb hatten. Sein erster Spielfim Il vento fa il suo giro über das Leben in einem abgelegenen Gebirgsdorf wurde erst durch Mundpropaganda zu einem Erfolg (- hier auf Cluverius). Der wichtige Film L’umo che verrà über das Massaker von Wehrmacht und SS an der Zivilbevölkerung von Marzabotto fand keinen deutschen Verleih (- auf Cluverius siehe hier).
Laiendarsteller vermitteln Authentizität
Wie in seinen vorangegangenen Filmen gelingen Diritti in Volevo nascondermi neben der solidarischen Beobachtung von Menschen eindrucksvolle Bilder besonders der Landschaft am Po unweit von Reggio Emilia, ihrer Orte und ihrer Bewohner. Und er bleibt sich seiner Arbeitsweise treu und setzt neben professionellen Schauspielern auch Laiendarsteller aus den Landschaften ein. Was dem Film Authentizität verleiht, ohne das es zum Bruch der Erzählung führt. Aber es ist ein erprobter Kino-Darsteller wie Elio Germano, der sich in die Figur von Antonio Ligabue mit einer Intensität einlebt, die unter die Haut geht. Der Film, der wegen des Lockdowns nur wenige Tage nach seinem Kinostarts Ende Februar zu sehen gewesen war, ist jetzt wieder angelaufen.
Volevo nascondermi. Regie: Giorgio Diritti. Buch: Giorgio Diritti, Tania Pedroni. Kamera: Matteo Cocco. Schnitt: Paolo Cottignola, Giorgio Diritti. Szenografie: Ludovica Ferrario. Kostüme: Ursula Patzak. Mit Elio Germano, Pietro Traldi, Orietta Notari, Fabrizio Careddu, Francesca Manfredini u.v.a. Produktion: Palomar, Rai Cinema. Italien 2010, 120 Min
Eine große Ligabue-Ausstellung ist unter dem Titel „Antonio Ligabue. Una vita d’artista“ in Ferrara (Palazzo dei Diamanti) vom 30.10.20 bis 5.4.21 zu sehen. Info hier