Im Theater: Edipo Re. Una favola nera.


Die Inszenierung des Teatro Elfo Puccini verwandelt die Tragödie des Ödipus in ein faszinierendes Kaleidoskop von Traumbildern

© Lorenzo Palmieri / Teatro Elfo Puccini

Ödipus (Valentino Mannias) – von Schreckensbildern heimgesucht

Mailand (Teatro Elfo Puccini bis 14.4.) – Das ist die Fabel eines Jungen aus einer Hirtenfamilie, der das Böse besiegt, die Stadt befreit, dafür zu ihrem König ernannt wird und die schöne Witwe des vorherigen Königs zur Frau bekommt. Die Fabel schlägt aber um in eine Katastrophe, als der König Ödipus erfährt, dass er, wie vom Orakel vorhergesehen, der Mörder seines Vaters ist und schließlich sogar seine eigene Mutter geheiratet und mir ihr Kinder erzeugt hat. Der mythische Stoff ist von Sophokles in „König Ödipus“ (um 429 v. Chr.) als klassische Tragödie gestaltet worden mit der Botschaft, dass es unmöglich sei, seinem Schicksal zu entkommen. Die Bearbeitung durch Ferdinando Bruni und Francesco Frongia am Mailänder Teatro Elfo Puccini geht über Sophokles hinaus und führt einen Ödipus vor, der sich dem Mythos in von Form Traumgestalten erwehren will, aber schließlich in der unmöglichen Wahl zwischen Freiheit und Notwendigkeit gefangen bleibt.

Die Autoren schaffen so eine „schwarze Fabel“. Ödipus glaubt, mutig und richtig gehandelt zu haben, aber angetrieben von der Sucht, alles genau wissen zu wollen, muss er in einem Albtraum seinen eigenen Untergang erfahren. Bruni/Frongia benutzten dafür Bearbeitungen, Kommentare, Auseinandersetzungen mit dem antiken Stoff, die von Seneca bis Friedrich Nietzsche, von John Dryden bis Hugo von Hofmansthal, von Thomas Mann bis Cesare Pavese reichen. Während Ödipus von einem Schauspieler (Valentino Mannias) gespielt wird und eine eindeutige Identität besitzt, werden die anderen Rollen von einem rein männlichen Cast wechselseitig übernommen. Darunter auch Ferdinando Bruni, der etwa im Chor, als Sphinx, als Hirte usw. auftritt. Bis auf Ödipus tragen alle teilweise phantastisch gestaltete Masken, sie sind ein Mittel der Verfremdung, unterstreichen den traumhaften Charakter der Handlung und verhindern jeden Anflug von Realismus.

© Antonio Marras / Teatro Elfo Puccini

Ödipus als Flüchtling – in der Kostümskizze von Antonio Marras

Der Inszenierung gelingt es mit theatralischen Mitteln des Spiels und einem Mix aus Musik, Animation, Licht auf großartige Weise, den Angsttraum dieser „favola nera“ umzusetzen und gleichzeitig zu aktualisieren. In der Pest, die die Stadt Theben als Geisel nimmt, ist es nicht schwer, die Covid-Ära zu erkennen. Eine wichtige Rolle übernehmen schließlich die Kostüme des sardischen Künstlers und Designers Antonio Marras, die Kunstwerke für sich sind. Sie haben eine materielle Konsistenz über die Bekleidung hinaus, kombinieren barocke Elemente mit natürlichen Elementen wie Ästen und Büschen, nehmen gefangen und kommentieren. Und unterstreichen mit vielen „sardischen“ Elementen die Archaik des Mythos. Während die Bühne mit Holzlatten, Steinen, Staub und Seilen gleichsam als Installation der Arte Povera das Bewusste mit dem Unbewussten verbindet.

Edipo Re. Una favola nera. Erarbeitet und inszeniert von Ferdinando Bruni und Francesco Frongia. Mit Edoardo Barbone, Ferdinando Bruni, Mauro Lamantia, Valentino Mannias. Kostüme: Antonio Marras, Masken: Elena Rossi, Licht: Nando Frigerio, Ton: Giuseppe Marzoli. Produktion: Teatro Elfo Puccini, Milano, 2022. Gesehen bei der Premiere am 15.3.22

Hier ein Bericht der RAI (TG3)