IN AUSGESCHLOSSENER GESELLSCHAFT


Biennale (2): Anne Imhof bespielt den Deutschen Pavillon mit der beeindruckenden Performance „Faust“ – und hat dafür einen goldenen Löwen bekommen

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Hinter Glas – Performerin im „Faust“ von Anne Imhof

Venedig (bis 26. November) – Das Gebäude ist schwer gesichert. Ein hoher Gitterumlauf schließt es ein. Im Umlauf drehen – mit langen Pausen nach den strengen Regeln des Tierschutzes – vier Dobermann-Hunde ihre Runden. Im bis unter das Dach ganz weiß getünchten Inneren bewegt man sich im Hauptsaal wie in den Nebenräumen auf einem erhöhten Glasboden und zwischen Glaswänden. Alles erscheint kalt, steril, unnahbar und zugleich zerbrechlich. Ein Gefühl der Unsicherheit macht sich breit. Unter dem Boden und hinter den Glaswänden bewegen sich einige junge Männer und Frauen. Stumm, teilnahmslos bilden sie mit ihren Körpern Ensembles, die laufend wechseln. Lebende Bilder, die Machtbeziehungen erkennen lassen, Gewalt suggerieren, seelische Verletzungen spürbar machen, aber auch Befreiungen andeuten. Das Glas schafft Distanz, es macht jedoch den Besucher mit seinen Blicken andererseits zum Beteiligten. Weitere Performer kommen herausgekrochen und marschieren zwischen den Besuchern durch den Raum. Einige bewegen sich in schwindelnder Höhe am Deckenrand (aber mit einem Gurt gesichert) auf einem schmalen Grat. Dazu ertönt aus Lautsprechern ein Soundtrack aus Musik, Stimmen und Geräuschen.

Anne Imhof  hat den Deutschen Pavillon bei der diesjährigen Kunstbiennale eingerichtet und diese albtraumhafte Performance mit dem Titel „Faust“ inszeniert, die in voller Länge 5 Stunden dauert aber auch in kürzeren Fassungen aufgeführt wird. Zudem, so die 38jährigen Künstlerin aus Frankfurt, sei es dem Besucher überlassen, wie lange er selbst Teil des Stückes und der Choreographie bleiben möchte.

Eine atemberaubende Karriere

Anne Imhof hat, nachdem sie 2012 mit dem Absolventenpreis der Städelschule ausgezeichnet worden war, eine geradezu atemberaubende internationale Karriere hingelegt. Ausstellungen in Berlin und Köln, Paris und New York festigten ihren Ruhm vor allem mit performativen Arbeiten. Arbeiten, die das Publikum in glühende Anhänger oder erboste Gegner spalten. Ihr Stück „Angst“ wurde im vergangenen Jahr jeweils erweitert und verändert („Angst I, II, III“) in Basel, Berlin und Montreal aufgeführt. Viele der 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Venedig dabei sind, bringen diese Erfahrung jetzt auf der Biennale ein. In „Faust“ bewegen sie sich hinter Glas in ausgeschlossener Gesellschaft.

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Auf Glas – Besucher im Deutschen Pavillon während der Vernissage

Außenminister Sigmar Gabriel, der den Pavillon offiziell eröffnete, kommentierte die Arbeit von Anne Imhof nicht. Er plädierte jedoch grundsätzlich für eine Kunst und Kultur, die „Augen, Seelen und Hirne öffnen.“ Der Deutsche Pavillon scheint in diesem Jahr ein guter Raum dafür. Zurecht hat ihn die Biennale mit einem goldenen Löwen für die beste Ländervertretung ausgezeichnet.

Anne Imhof: Faust. Deutscher Pavillon in den Giardini der Kunstbiennale Venedig bis 26.November. Katalog (Hg. Susanne Pfeffer), Koenig Books 2017, wahlweise Deutsch oder Englisch, 29,80 Euro. Info: Deutscher Pavillon.org

Ein ähnlicher Beitrag wurde in der Stuttgarter Zeitung vom 13./14. Mai veröffentlicht.