in der Oper: La Cambiale di Matrimonio


In Pesaro geht das 41. Rossini Opera Festival – eine Notausgabe unter Pandemie-Bedingungen –  zu Ende. Das ganze Jahr möglich: der Besuch im Museo Nazionale Rossini

© ROF/Studio Amati Bacciardi

Auf Abstand – La Cambiale di Matrimonio im Teatro Rossini. Rechts Giuliana Gianfaldoni als Fannì und  dahinter Carlo Lepore als Mill – außerdem von links Davide Giusti (Milfort), Iurii Samoilov (Slook) und Martiniana Antonie (Clarina)

Pesaro (bis 20. August) – Der englische Kaufmann Mill will Tochter Fannì mit seinem amerikanischen Kolonialkorrespondenten Slook, dem er einen Heiratswechsel ausgestellt hat, verehelichen. Doch Fannì und der (scheinbar) verarmte Milfort sind ineinander verliebt und wollen heiraten, haben ihre Verbindung aber vor dem Vater geheim gehalten. Diese klassische Konstellation der Commedia dell’arte liegt der Oper La Cambiale di Matrimonio zugrunde und sorgt für viel Komik – eine ideale Vorlage für den jungen, 1792 in Pesaro geborenen Gioachino Rossini. Dies ist seine erste Opernkomposition überhaupt, 1810 wurde sie in Venedig uraufgeführt. Jetzt bildet sie in der abgespeckten Ausgabe des 41. Rossini Opera Festivals (ROF) in der Adria-Stadt Pesaro das Hauptereignis.

Die Oper wird im Teatro Rossini an einem Abend zusammen mit der Cantata Giovanna D’Arco gegeben, die, vermutlich um 1859 geschrieben, zu den letzten Arbeiten der Operistik des Komponisten gehört. Anfang und Ende, das Heitere und das Ernste kommen so zusammen  – eine gute Wahl für ein Festival in Notzeiten.

Bitte nichts ernst nehmen

Allerdings bleibt die Inszenierung der Cambiale unter der musikalischen Leitung von Dmitry Korchak – den man bislang vor allem als Sänger schätzen gelernt hatte – und der Regie von Laurence Dale eher blass. Dem lokalen Orchester fehlt es an Brillanz. Die Regie versucht durch eine Überinterpretation der Farce von allem störenden Realismus abzulenken: Mill wirkt mit Turban und weiten Kleidern wie ein Emigrant aus dem Orient – vermutlich wegen der Koproduktion mit der Oper von Maskat (Oman). Stumm turnt ein Grizzly über die Bühne. Und ein dümmlicher Trapper – Amerikaner sind so –  zieht sprachlos böse Fratzen.

Allein der Bühnenaufbau, eine Hausfassade aus frühkapitalistischer Zeit, vom Licht geschickt in dramaturgische Räume geöffnet, verweist auf den realen (nicht nur um 1800 aktuellen) Hintergrund – den Kauf einer Braut. Doch auch hier bricht plötzlich eine Gartenlandschaft aus Pappmaché nach dem Motto ein: bitte nichts ernst nehmen.

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Corona wollte es so: Das Orchester im Parkett, das Publikum in den Logen

Vielleicht ist das aber der legitime Versuch, sich den realen Zwänge zu erwehren, Spaß im Ernst zu haben. Die Musiker des Orchesters sitzen distanziert im leer geräumten Parkett. Den Besuchern bleiben die Logen, die aber nur mit höchstens zwei Personen besetzt werden dürfen. Auf der Bühne vermeidet man jeden Körperkontakt (und macht daraus einen „running gag“). Und vor Beginn des Festivals wurde auf der Piazza mit der Aufführung der Petite Messe Solennelle der zahlreichen Opfer der Pandemie im Landkreis Pesaro/Urbino gedacht.

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Viel Applaus vor allem für Sängerinnen und Sänger

Überzeugen können die Stimmen:  Etwa der neapolitanische Bass Carlo Lepore als Mill, ein alter Bekannter des Festivals. Als Fannì die spritzige Giuliana Gianfaldoni, eine junge Sopranistin aus Apulien, die im vergangenen Jahr in der Rolle der Corinna der Accademia-Inszenierung des Viaggio a Reims brilliert hatte. Etwas zurückhaltend dagegen Iurii Samoilov, ein Bariton aus der Ukraine und wie viele beim ROF ein Ehemaliger der Gesangsakademie, als Slook.

Eine Art Trotzreaktion

Das ROF ist in diesem Jahr eine Art Trotzreaktion auf die Einschränkungen durch die Covid-Bedingungen. Ein Signal, das Rossinis Geburtsstadt geben möchte: Gerade in gesellschaftlichen Notzeiten ist Kultur überlebenswichtig und Musiktheater möglich. Auch wenn das Festival nur in dieser Notausgabe veranstaltet werden konnte. Zwei neue Hauptproduktionen (Moïse et Pharaon und Elisabetta, Regina d’Inghilterra) wurden aufs kommende Jahr verschoben,  die traditionelle Gesangsakademie wird im November stattfinden (zusammen mit einem Barbiere di Sevilla). Geblieben sind die Neuinszenierung der Cambiale und Aufführungen des sonst den Schülerinnen und Schülern der Accademia zugeordnete Viaggio a Reims, diesmal mit „Ehemaligen“ besetzt und auf der Piazzabühne dargestellt. Dazu auf der Piazza einige vom Publikum umjubelte Konzerte u.a. je eines mit Jessica Pratt und den wie einen Lokalheiligen verehrten Juan Diego Flórez.

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Museo Nazionale Rossini in Pesaro – Palazzo Montani Antaldi

Die Stadt Pesaro hat neben der etwas melancholischen Dauerausstellung im Geburtshaus von Rossini inzwischen einen musealen Höhepunkt zu bieten: das Museo Nazionale Rossini im Palazzo Montani Antaldi, in dem auch die Bibliothek der Fondazione Rossini untergebracht ist. In zehn Sälen durchwandert man die wichtigsten Lebensstationen des Komponisten, taucht in Musik- wie Zeitgeschichte ein und kann an vielen audiovisuellen Einrichtungen Beispiele seiner Werke ausführlich und anschaulich verfolgen. Im Palazzo werden gelegentlich auch kleine Konzerte veranstaltet.

La Cambiale di Matrimonio. Farsa comica. Libretto: Gaetano Rossi. Musik: Gioachino Rossini. Mit u.a. : Carlo Lepore (Mill), Giuliana Gianfaldoni (Fannì), Iurii Samoilov (Slook), Davide Giusti (Milfort). Dirigent: Dmitry Korchak, Regie: Laurence Dale, Bühne/Kostüme: Gary McCann, Licht: Ralph Kopp. Orchestra Sinfonica G. Rossini (Pesaro/Fano). Neuproduktion ROF Pesaro 2020 in Zusammenarbeit mit dem Royal Opera House Muscat. Bis 20.8. im Teatro Rossini zusammen mit

Giovanna D’Arco. Cantata a voce sola. Orchesterfassung: Salvatore Sciarrino. Musik: Gioachino Rossini. Mit: Marianna Pizzolato.

(Gesehen bei der Generalprobe am 6. August, bei der die Cantata wegen einer Unpässlichkeit der Sängerin ausfiel. Hier aber ein Video)

XLV Rossini Opera Festival, Info hier 

Museo Nazionale Rossini. Palazzo Montani Antaldi. Via G. Passeri 72, Pesaro. Hier zur Info