in der Oper: Le siège de Corinthe


Beim Rossini Festival in Pesaro thematisiert die Inszenierung der „Belagerung von Korinth“ durch La Fura dels Baus einen möglichen Krieg um die Wasservorräte der Erde.

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Tod in Korinth – Nino Machaidze als Pamyra una Luca Pisaroni als Mahomet

Pesaro (Adratic Arena) – Eine Hitzewelle überzieht Südeuropa. Wälder verbrennen, Flüsse und Seen trocknen aus und Wasser wird zu einer Kostbarkeit. Während die USA und Nordkorea aus vergleichsweise nichtigen Gründen ihre Atomwaffen in Stellung bringen, rückt so ein anderes Szenarium ins Bewusstsein – dass nämlich der nächste Weltkonflikt ein Krieg um die Ressource Wasser sein könnte. Wie sensibel Kunst und Kultur mögliche Problematiken vorweg nehmen können, kann man beim Rossini Opera Festival (ROF) in Pesaro an der Adriaküste erleben. Hier steht Oper Le siège de Corinthe (Die Belagerung von Korinth) im Mittelpunkt. Roberto Abbado dirigiert das Italienische Rundfunkorchester der RAI und Carlus Padrissa vom katalanischen Kollektiv La Fura dels Baus inszeniert die Handlung um einen türkisch-griechischen Konflikt eben als einen Krieg ums Wasser.

Gioachino Rossini (Pesaro 1792 – Paris 1868) schrieb das Werk 1826, als er seinen Lebensmittelpunkt von Italien nach Frankreich verlegte. „Le siège de Corinthe“ war seine erste Arbeit in französischer Sprache. Dafür arbeitete er einen Stoff um, den er bereits sechs Jahre zuvor unter dem Titel „Maometto II“ in Neapel auf die Bühne gebracht hatte. Die Handlung dreht sich um eine dramatische Liebesbeziehung zwischen Mahomet, dem Anführer der Türken, und Pamyra, der Tochter des Kommandanten der Griechen – in Neapel waren es noch Venezianer. Hin und her gerissen zwischen einer verbotenen Liebe und patriotischen Gefühlen wählt die junge Griechin am Ende den Freitod.

Ein musikalischer Triumph

Die Inszenierung vor Mauern aus himmelblauen Wasserflaschen zeigt Griechen, denen das kostbare Gut langsam ausgeht, während die angreifenden Türken vergeudend damit umgehen. Der Bühnenboden wirkt wie ein Feld aufgebrochener Erdschollen. Doch bleibt diese interessante Idee vom Krieg ums Wasser im Ansatz stecken und überträgt sich nicht auf die Führung der Sängerinnen und Sänger. Die werden zudem im zweiten Akt von aufdringlichen Videoprojektionen zerfließender Formen gleichsam an den Rand gedrängt. Und wo das Libretto eine große Balletteinlage vorsieht, verlässt sich die Regie bei meist nackter Bühne viele Minuten lang auf die Einblendung der Verse eines Poems von George Gordon Byron über den griechischen Unabhängigkeitskampf am Anfang des 19. Jahrhunderts, die merkwürdig mit den an dieser Stelle ganz festlichen Rossiniklängen kontrastieren.

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Krieg ums Wasser, Drama der Liebe – Cecilia Molinari (links) und Nino Machaidze

Es sind so das Orchester und die Sänger, die den Abend dennoch zu einem Triumph machen. Roberto Abbado, durch eine Armverletzung behindert, kann zwar nur mit der linken Hand dirigieren, doch führt er das Rundfunkorchester, das jetzt als Festivalorchester verpflichtet wurde, ausdrucksvoll durch die fesselnde Klangwelt dieser selten gespielten Rossinioper. Nino Machaidze, die in Pesaro bereits vor zwei Jahren in der „Gazza ladra“ überzeugte, bringt als in den Feind verliebte Griechin Pamyra das Publikum mit filigranen Koloraturen zum Jubeln. Bravourös geben der Bariton Luca Pisaroni (Mahomet) und der Tenor Sergey Romanovsky (als ebenfalls in Pamyra verliebter griechischer Hauptmann Néoclès) ihr Festivaldebüt.

Von der Werkausgabe auf die Bühne

Dennoch bestätigte sich auch mit dieser Inszenierung die überzeugende Grundformel des Festivals, das vor fast 40 Jahren gegründet wurde. Die Fondazione Rossini (Pesaro) erarbeitet nach und nach in Zusammenarbeit mit der Casa Ricordi (Mailand) die kritische Werkausgabe des umfangreichen Wirkens des Komponisten. Das Festival führt sie bei strenger musikwissenschaftlicher Treue und weit gehender Freiheit der Inszenierung auf. Nur so konnten lange vergessene Arbeiten wie „Il viaggio a Reims“ inszeniert 1984 unter der musikalischen Leitung von Claudio Abbado und in der Regie von Luca Ronconi von Pesaro aus zu einer neuen Weltkarriere verholfen werden. Mehr noch: Durch das Festival wurde Rossini, der für lange Zeit nur als Autor weniger leichter Opern wie „Il barbiere di Sevilla“ abgetan worden war, wieder auch als ein Meister des ernsten Fachs, der „opera seria“ entdeckt. So eben auch mit „Le siège de Corinthe“, dessen kritische Werkausgabe, erabeitet von Damien Colas, jetzt veröffentlicht wurde.

Das Festival kommt in die Jahre

Ernst, halb ernst, komisch – in diesem Jahr unterstreicht das ROF mit Aufführungen von Opern wie „Torvaldo e Dorliska“ oder „La pietra del paragone“ seine herausragende Rolle für die Rezeption des Maestro aus Pesaro, der mit 37 Jahren nach fast 40 Opernkompositionen plötzlich verstummte und anschließend bis zu seinem Tod im Alter von 76 Jahren nur noch Gelegenheitsarbeiten komponierte.

Aber langsam kommt auch das Festival in die Jahre. Der Mailänder Musikwissenschaftler und Dirigent Alberto Zedda, der es Jahrzehnte lang als künstlerischer Leiter geprägt hatte und zudem mit einer vorgeschalteten Sängerakademie für den notwendigen Nachwuchs im Belcanto-Fach gesorgt hatte, ist kürzlich gestorben. Der inzwischen 84jährige Intendant Gianfranco Mariotti, der das ROF 1980 ins Leben gerufen hatte, wird die Leitung wohl bald abgeben. Wer nach ihm nachfolgen wird, das ist noch offen. Die Stadt Pesaro mischt sich neuerdings stärker politisch in die Durchführung ein, was nicht unbedingt ein Vorteil sein muss. Beim Rossini Opera Festival neigt sich ein Zyklus langsam seinem Ende zu.

Info 38. Rossini Opera Festival bis 22. August 2017: www.rossinioperafestival.it

Ein Video zum Festival hier

Siehe auch im Archiv von Cluverius ein Gespräch mit Nino Machaidze aus dem Jahr 2009