in der Oper: Salome


Das Musikdrama von Richard Strauss in einer Inszenierung der Mailänder Scala unter Covidbedingungen nur im Fernsehen (Rai 5, Raiplay) und im Radio (Rai 3, Euroradio)

© ph Brescia, Amisano/Teatro alla Scala

Eine Inszenierung „dark“ – Salome (Elena Stikhina) und das Blut von Jochanaan

Mailand – So mutieren Spielpläne in Zeiten der Pandemie: ursprünglich sollte die Mailänder Neuinszenierung der Salome von Richard Strauss am 8. März 2020 unter Leitung von Riccardo Chailly (Musik) und Damiano Michieletto (Regie) mit Malin Byström und Michael Volle Premiere haben. Die Proben waren schon weit fortgeschritten, als 23. Februar der Lockdown (nicht nur) den Kulturbetrieb lahm legte. Ein Jahr später wurde die Inszenierung jetzt mit teilweise neuem Cast (Elena Stikhina und Wolfgang Koch) ohne Publikum in der Scala aufgeführt (19.2.) und tags darauf zeitversetzt im Fernsehen und im Radio ausgestrahlt. Die Orchesterleitung sollte eigentlich Zubin Mehta haben, der aber aus gesundheitlichen Gründen passen musste. An seiner Stelle dirigierte (wie bei den Proben vor einem Jahr) Riccardo Chailly.

Die Geschichte der Salome, die sich vom Tetrachen Herodes den Kopf von Johannes den Täufer, serviert auf einem Silbertablett, wünscht, ist eine blutrünstige Legende. Damiano Michieletto, Italiens gegenwärtiger Star der Opernregie, schreckt nicht davor zurück, sie „dark“ zu erzählen. Doch verzichtet er auf allzu realistische Umsetzung, und transformiert die Handlung mit vielen symbolischen Anspielungen in die Gegenwart.

Ein Familiendrama

Wir erleben eine Art Familiendrama: Herodias hatte ihren Mann Herodes Philippus, den Vater von Salome, ermordet, um als Frau seines Bruders Herodes Antipas den Thron des Tetrachen zu besteigen. Dieser Herodes wiederum stellt seiner Stieftochter nach. Salome fasziniert dagegen der gefangene Jochanaan (Johannes), der sie aber abweist und verflucht: „Niemals! Tochter Babylons!“ Sie gibt schließlich dem Ansinnen Herodes nach, der ihr jeden Wunsch erfüllen will, wenn sie nur für ihn tanzen würde. Und fordert dafür aus Rache den Kopf des Täufers. Als Salome ihre Rache genießt und ihre „Liebe“ für ihn preist („Hättest Du mich angesehen, du hättest mich geliebt… Das Geheimnis der Liebe ist größer als das Geheimnis des Todes“), lässt Herodes sie voller Abscheu hinrichten: „Man töte dieses Weib!“

© Brescia, Amisano /Teatro alla Scala

Oper unter Covidbedingungen : das Orchester im Parkett, ohne Publikum und Übertragung im Fernsehen/Radio – die Mailänder Inszenierung der Salome

Die Bühne wird  minimalistisch von einem weißen Kubus geprägt, der unter einer schwarzen mondartigen Kugel wie ein Mausoleum wirkt, während im Hintergrund, nur mit einer Schiebewand getrennt, das Bankett des Herodes stattfindet. Johannes taucht aus einem Erdloch auf, das gleichzeitig das Grab des Philippus ist. Der „Tanz der sieben Schleier“ wird als Tanz mit sieben maskierten Männerfiguren choreographisch als Andeutung einer Vergewaltigung inszeniert. Nach der Hinrichtung erscheint Kopf des Täufers wie in dem Gemälde von Gustave Moreau als eine von Nimbusstrahlen umgebende Büste. Todesengel beherrschen durchgehend die Szene und begießen Salome am Ende aus einem Kelch mit dem Blut von Johannes, an dem sie sich labt. Kitsch? Schlechter Geschmack? Die Inszenierung erweist sich gerade in ihrer Überzeichnung als wirkungsvoll.

© Brescia, Amisano/Teatro alla Scala

Wie in einem Gemälde von Moreau – der Kopf des Täufers nicht auf einem Silbertablett, sondern als Abbild mit Heiligenstrahlen

Ausgewählte Kritiker, die der Aufführung live bewohnen durften, loben unisono die musikalische Leitung von Riccardo Chailly, den „vielfarbigen“ Orchesterklang und zumindest die kraftvollen Stimmen der Protagonisten Elena Stikhina als Salome und Wolfgang Koch als Jochanaan – dem kann man sich, soweit es der klangliche Eindruck einer TV-Übertragung erlaubt, nur anschließen.

Salome. Musikdrama. Text nach einem Bühnenstück von Oscar Wilde in der vom Komponisten gekürzten Übersetzung von Hedwig Lachmann. Musik: Richard Strauss. Mit Gerhard Siegel, Linda Watson, Elena Stikhina, Wolfgang Koch, Attilio Glaser u.a. Orchestra del Teatro alla Scala, musikalische Leitung: Riccardo Chailly. Regie: Damiano Michieletto, Bühne: Paolo Fantin, Kostüme: Carla Teti, Licht: Alessandro Carletti, Choreographie: Thomas Wilhelm. Eine Neuinszenierung des Teatro alla Scala 2020/21. Gesehen auf Rai 5 am 20.2.21