in der Oper: Tosca


Die Scala eröffnet ihre neue Spielzeit mit dem von Riccardo Chailly wundervoll eingestimmten Puccini-Klassiker, den Regisseur Davide Livermore (vielleicht zu) bewegt in Szene setzt

© Brescia/Amisano - Teatro alla Scala

Das Ende von Scarpia – Anna Netrebko, Luca Salsi

Mailand (Teatro alla Scala bis 8.1.2020) – Im Januar 1900, also im letzten Jahr des 19. Jahrhunderts, wurde Tosca in Rom uraufgeführt. Das Melodram steht an der Schwelle zwischen der Operntradition Italiens und der Moderne des 20. Jahrhunderts. Giacomo Puccini verbindet in diesem Stück musikalisch Dissonanzen, verzerrte Harmonien und lyrische Passagen. Als eine typische Oper des Verismus geht es um Liebe, Leidenschaft und politische Gewalt bei konkreter historischer Verankerung. Heute gehört Tosca zu den fünf meistaufgeführten Opern der Welt. Die Scala hat jetzt mit ihr die neue Spielzeit 2019/2020 eröffnet. Dirigent Riccardo Chailly, musikalischer Leiter der Mailänder Oper, baut auf der von Puccini später leicht veränderten Urfassung des Stücks auf. Regisseur David Livermore löst sich vom historischen Rahmen, ohne den politischen Hintergrund aus den Augen zu verlieren.

Die realistisch anmutende aber frei erfundene Handlung (auf Grundlage eines Theaterstück von Victorien Sardou) spielt in Rom im Jahr 1800, nachdem eine republikanischen Regierung nach nur wenigen Monaten gescheitert war. Die päpstliche Geheimpolizei verfolgt gnadenlos frühere Revolutionäre und ihre Sympathisanten und schreckt auch nicht vor Folter und wahllosen Erschießungen zurück. Giacomo Puccini war von den Verwicklungen zwischen dem Maler Cavaradossi, der Sängerin Floria Tosca, seiner Geliebten, und dem brutalen Polizeichef Scarpia fasziniert. Eine blutrünstige Geschichte, die am Ende nur Opfer kennt.

© Brescia/Amisano - Teatro alla Scala

Der Maler und der Polizist – Francesco Meli (sitzend) und Luca Salsi (rechts im roten Mantel)

Chailly zeigt sich mit dem Scalaorchester auch in dieser Inszenierung als präziser Interpret von Puccinis musikalischem Material. Wie in den vorangegangen Mailänder Aufführungen der Opern des Komponisten: Turandot (2015), La Fanciulla del West (2016) und Madama Butterfly (2016/2017). Er unterstreicht rhythmisch die dunklen Töne besonders in den Bläserpartien, ohne sich in ihnen zu verlieren.

Am Ende Beifall für alle

Großartig die Protagonisten, allen voran Luca Salsi, in der dankbaren Rolle des Bösen. Francesco Meli überzeugt als stimmgewaltiger Cavaradossi. Anna Netrebko zeigt mit ihrem vollen, wundervollen Timbre eine zweifache Tosca: kämpfend gegen Scarpia (und nach dem Todesstoß mit Schuldgefühlen geplagt) – verspielt, fast ein Püppchen, zusammen mit Cavaradossi. In einer Nebenrolle erhielt auch Alfonso Antoniozzi als Sakristan am Ende viel Beifall.

Regisseur Davide Livermore, der nicht unbedingt den Zeitbezug um das Jahr 1800 sucht, scheut sich aber auch nicht, den offen antiklerikalen Charakter des Stückes zu unterstreichen. Den Rollen Scarpias und seiner Schergen gibt er zudem durch schwarze Kleidung und Uniformen Anklänge an faschistische Ästhetik. Er nutzt die technischen Mittel der Scala-Bühne mit vielen Drehungen und Wendungen des Bühnenaufbaus – im ersten Akt allerdings verwirrend (zu) oft. Dennoch ein gelungener Abend, die Eröffnungspremiere am 7. April (live übertragen neben Fernsehen und Radio auch in viele Spielstätten der Stadt) war groß gefeiert worden. Aber vielleicht würde man sich von der Scala etwas mehr Mut zum Risiko bei der Auswahl der Opern zur Saisoneröffnung wie auch bei der Wahl der Regisseure wünschen.

© Brescia/Amisano - Teatro alla Scala

Wenn Kinder die Ordnung durcheinander bringen – Alfonso Sntoniozzi und der der Kinderchor der Scala-Akademie

Die neue Spielzeit ist vom Intendantenwechsel gekennzeichnet. Alexander Pereira wechselt zum 1. Januar an den Maggio Musicale Florenz, im März tritt Dominique Meyer als Sovrintendente wie als künstlerischer Leiter in Mailand an (siehe hier auf Cluverius). Auf Tosca folgen zunächst Gounods Roméo et Juliette (Januar), Verdis Trovatore (Februar), Rossinis Turco in Italia (Februar/März) und Salome von Richard Strauss (März).

Die Akustik wird verbessert

Kleiner Nachtrag: Die Scala ist dabei, ihre Akustik zu verbessern – was natürlich nicht an die große Medien-Glocke gehängt wird. Jürgen Reinhold und seine Mitarbeiter von der Müller BBM (München) haben bereits im Sommer alle Oberflächen der Logen des 1. Rangs samt unnötiger Rückenpolster an den Wänden und der Armauflagen geändert. Ziel: Die Absorption zu minimieren und dadurch das Nachklingen zu vergrößern. Zudem sollen die Musiker und Sänger mehr Feedback aus dem Saal bekommen. 2020 kommen der 2. und 3. Rang an die Reihe und zum Abschluss dann 2021 der 4.Rang sowie die Galerien.

Tosca. Oper in drei Akten, Libretto von Luigi Illica und Giuseppe Giacosa. Musik von Giacomo Puccini (nach der Version Rom, 1900). Mit u.a. Anna Netrebko (Floria Tosca – im Januar gesungen von Saioa Hernández), Francesco Meli (Mario Cavaradossi), Luca Salsi (il barone Scarpia), Alfonso Antoniozzi (Il sagristano), Carlo Cigni (Cesare Angelotti), Carlo Bosi (Spoletta) sowie dem Kinderchor der Accademia Teatro alla Scala. Chor und Orchester des Teatro alla Scala, Leitung: Riccardo Chailly. Regie: Davide Livermore. Bühne: Giò Forma. Kostüme: Gianluca Falaschi. Licht: Antonio Castro. Video: D-Wok. Neue Produktion Teatro alla Scala 2019/2020. Gesehen am 13.12.2019 Info hier

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