Thesy Kness-Bastaroli über Evergreens und Trends zur Einfachheit, die die kommende Mode prägen werden. Und über Schritte zu einer neuen Unternehmenskultur
Mailand – Das Coronavirus infiziert auch Italiens Modeszene. Nach einem mehrwöchigen, teilweisen Produktionsstop nehmen namhafte Modefirmen, unter anderem Prada und Cucinelli, der Luxusschuhhersteller Tod`s sowie Gucci, Celine (LVMH) und Loro Piana in diesen Tagen ihre Produktion wieder auf. Mit den Gewerkschaften wurden bereits die nötigen Sicherheitsmaßnahmen vereinbart. Gleichzeitig wird aber die in jüngster Zeit gestartete Herstellung von Schutzbekleidung und Schutzmasken, wie etwa bei Fendi und Bulgari sowie bei Prada und Armani fortgesetzt.
Der Präsident des Mode-Unternehmerverbandes Confindustria Moda, Claudio Marenzi bestätigt: „Wir sind bereit, neu anzufangen.“ Giorgio Armani, der sich in der jüngsten Krisenzeit mit Unterstützungen – eine Million Euro für das angeschlagene Gesundheitswesen – besonders großzügig zeigte, wartet jedoch noch Regierungsentscheidung ab, bevor er die Produktion wieder voll aufnehmen will.
Benetton Group, die ebenfalls in das Gesundheitswesen ihrer Heimatstadt Treviso investierten, haben die Krise auch genutzt, um mit ihrem weitverzweigtes Imperium zu wachsen. Sie erwarben über die von ihnen kontrollierte spanische Cellnex für 550 Millionen Euro das portugiesische Medienunternehmen NOS .
Das Coronavirus, das gerade unser Denken, Handeln und Wirtschaften durcheinander wirbelt, verändert natürlich auch das Modeszenario. Beim Nobelbetrieb Loro Piana aus dem Piemont heißt das Stichwort für die kommenden Kollektionen „komfortable Bescheidenheit“. Weniger Extravagantes und kein übertriebener Luxus, sondern ein neuer Trend zur Einfachheit sollen den Stil prägen. Prada kündet in ihrer neuen Werbekampagne einen Hauch von Surrealem für die kommenden Herbst Winter Modesaison an, was die Stimmung der gegenwärtige Situation aufgreifen will. Das Angebot für die Sommersaison wird dagegen ganz im Zeichen von Evergreens stehen.
Neue Wege gehen, mehr Solidarität üben
Diego Della Valle (Tod`s) ist überzeugt, dass sich der Lebensstil in den kommenden Monaten und Jahren ändern werde. Der Gründer und Mehrheitsaktionär des börsennotierten Schuhgiganten sieht den Kapitalismus in der gegenwärtigen Form an einen Endpunkt gekommen. Die vom Coronavirus ausgelöste Tragödie biete Anlass, alte Modelle des Wirtschaftens zu überdenken und neue Wege zu gehen. Vor allem Solidarität müsse künftig Priorität haben. Della Valle fordert Unternehmen auf, mehr in ihr „Territorium“ zu investieren, dort wo sie gegründet wurden und gewachsen sind. Ein Prozent des Gewinnes des Schuhherstellers soll deshalb in soziale Tätigkeit der mittelitalienischen Region Marken, wo Tod`s seinen Stammsitz hat, investiert werden. Das Unternehmen schüttet in diesem Jahr auch keine Dividenden aus, zudem verzichten die beiden Brüder Della Valle und ein Großteil des Spitzenmanagements auf einen Teil ihrer Kompensationen.
Eine Untersuchung der Beratungsfirma Boston Consulting Group schätzt, dass das Coronavirus dem Luxus- und Modesektor einen Verlust bis zu 100 Milliarden Euro bringen wird. Eine Erholung wird nicht vor 2021 erwartet, der Stand der Vorkrisenzeit soll bestenfalls 2022 erreicht werden. Wie immer gibt es auch Gewinner in der Krise. Hier ist an erster Stelle der E – Commerce zu nennen.