KRANKHEIT UND KRISE


Thesy Kness-Bastaroli über die noch unabsehbaren Folgen des Coronavirus für die Luxusgüterbranche in Italien. Auch der Tourismus und die Kfz-Branche sind betroffen

© www.armani.com

Vor verschlossenen Türen – Armani Modenschau in Mailand

Mailand – Stardesigner Giorgio Armani hat mit seiner Modenschau am vergangenen Sonntag die Mailänder Fashion Week beendet. Die Schau fand vor Ausschluss der Öffentlichkeit statt (hier zum Video). Das hat es in der über 40-jährigen Karriere des Mailänder Modezaren noch nie gegeben. „Mir ist die Gesundheit meiner Kunden wichtiger als etwaige Geschäfte“, begründete der über Achtzigjährige seine Entscheidung. Armani zählt auch zu jenen Modeunternehmern, die Ihre Belegschaft derzeit  in Homework arbeiten lassen. Zumindest in den, vom Coronavirus gefährdeten Gebieten in und um Mailand.

Die Mailänder Modewoche ist noch mit einem blauen Auge davongekommen. Die Veranstalter berichten über ein Drittel weniger Kunden. Denn die Krise hatte sich erst am Wochenende mit dem gehäuften Auftreten von Coronavirus-Infizierungen zugespitzt. Die Veranstalter der weltweit größten Optikmesse MIDO, die Anfang März in Mailand stattfinden hätte sollen,  haben kurzfristig die Messe  abgesagt. Die im April geplante Design-und Möbelmesse wird auf Anfang Juni verschoben. Bei der Veranstaltung im vergangenen Jahr zählten 30.000 chinesischen Besucher zu den wichtigsten Kunden. Bei sämtlichen Modemessen in Mailand, bei der Schuh (MICAM) oder Lederwarenmesse, fehlten  diesmal die chinesischen Einkäufer. China zählt neben den USA und Deutschland zu den wichtigsten Auslandsmärkten und absorbiert knapp ein Fünftel der gesamten italienischen Luxusgüterexporte. Benetton bestätigte, dass bei der Modeschau am 20. Februar „kein einziger chinesischer Journalist“  präsent gewesen sei. 

Eine mögliche Rezession

Der Coronavirus hat das Wirtschaftsgeschehen in und um Mailand so gut wie lahm gelegt. Zumindest in der letzten Februarwoche. Mailand  liegt in der „gelben“ Sicherheitszone, welche die gesamte Lombardei umfasst. Die Folgen der von der Regierung beschlossenen Einschränkungen – geschlossene Kindergärten und Schulen, Universitäten, Theater und Kinos – sind noch gar nicht abzusehen. In der roten Zone, knapp 30 Kilometer südöstlich von Mailand, kommt man weder rein noch raus. Dort hat man die meisten Infektionsfälle festgestellt.  Vor diesem Hintergrund rechnen Ökonomen, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr  0,5 bis zu einem Prozent zurückgehen wird. Das würde Rezession bedeuten. Denn bereits im letzten Quartal 2019 entwickelte sich das Wirtschaftsaufkommen rückläufig.

 Notenbankchef Ignazio Visco zeigt noch einen gewissen Zweckoptimismus. Seiner Ansicht nach werde sich der BIP-Rückgang 2020 auf 0,2 bis 0,3 Prozent belaufen. Vorhergesehen waren jedoch plus 0,3 Prozent. Damit ist Italien bereits der Wachstums-Nachzügler im europäischen Umfeld. Zweifellos wird sich die Position Italiens im Jahresverlauf weiterhin verschärfen, das „Bel Paese“ droht zum Sorgenkind Europas zu werden.  Ministerpräsident  Giuseppe Conte warnte zu Wochenbeginn vor drastischen Auswirkung des Coronavirus auf die heimische Konjunktur, wollte aber keine präzisen Angaben zu einer möglichen Rezession machen. Beim Industriellenverband Confindustria heißt es, dass es noch zu früh sei, eine Schadensbilanz zu erstellen. Wichtig sei sich über die Auswirkungen der von der Regierung beschlossenen Einschränkungen in Norditalien auf eine ohnehin schon schwache Konjunktur bewusst zu werden.

 Eng mit Europa verflochten

Tatsache ist, dass sich der Virus vor allem in den norditalienischen Regionen Lombardei und Venetien breit macht,  die gemeinsam zu rund einem Drittel des Wirtschaftsaufkommens und zu 40 Prozent der landesweiten Exporte beitragen. Vor allem die Wirtschaft in Norditalien ist eng mit Europa verflochten. Deutschland und Österreich, Frankreich und die Schweiz zählen zu den wichtigsten Exportmärkten.  Eine Unterbrechung der Lieferkette würde nicht nur die Luxusgüterbranche, sondern auch den Maschinenbau, die Kfz-Branche oder die Pharmaindustrie betreffen. Symptomatisch ist der Fall BMW, wo laut dem Präsidenten des deutsch italienischen Wirtschaftsverbandes Eckart Petzold „bis zu 60 Prozent der Teile aus Italien stammen“

 Noch nicht abzusehen sind die Auswirkungen des Coronavirus auf den Tourismus.  Dieser trägt zu 10  Prozent zum nationalen Wirtschaftsaufkommen bei. In Mailand und Umgebung wurden in der letzten Februarwoche sämtliche Kulturattraktionen, vom Opernhaus La Scala über die Museen bis zum Mailänder Dom geschlossen. Wie lange die Sperre andauern wird, ist fraglich. Die ersten Auswirkungen auf den Tourismus, mit Stornierungen  für die Osterwochen, werden bereits von Mailand selbst und den Tourismusorten am Lago Maggiore und am Lago di Como gemeldet. Ganz zu schweigen vom Messetourismus, der in den Frühjahrsmonaten in der Regel Hotels und Restaurants füllt.

Italiens Modebranche beschäftigt knapp 400.000 Arbeitnehmer und verzeichnete 2019 einen Umsatz von 90 Milliarden Euro. Davon werden 80 Prozent exportiert. Laut einer Branchenanalyse der Mailänder Investmentbank Mediobanca trägt die Mode zu 1,2  Prozent zum BIP bei. Zu den  46 größten Luxus-Modegruppen Europas zählen 14 italienische, zehn britische, acht französische und vier deutsche Gruppen.

 Ein ähnlicher Beitrag ist im Wirtschaftsmagazin Trend (Wien) erschienen

Auf Cluverius siehe auch „Kultur in Quarantäne

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