LICHT DURCHWIRKTE TABLEAUS


Tiepolo. Venezia, Milano, l’Europa – eine klar strukturierte Ausstellung erzählt, wie italienischer Kunst im 18. Jahrhundert den alten Kontinent erobert. Ihre Wurzeln hat sie in Venedig, das aufstrebende Mailand dient als Sprungbrett.

© Cluverius

Tiepolo in den Gallerie d’Italia in Mailand – ein repräsentativer Rahmen für repräsentative Kunst

Mailand – In Zusammenarbeit mit den Gallerie dell’Accademia di Venezia zeigen die Gallerie d’Italia (Bankgruppe Intesa Sanpaolo) in Mailand die bemerkenswerte Ausstellung Tiepolo – Venezia, Milano, l’Europa. Zu sehen sind rund 70 Exponate überwiegend von Giambattista Tiepolo (Venedig, 1896 – Madrid, 1770), aber auch von seinen Söhnen und von Zeitgenossen wie Canaletto, Piazzetta oder Ricci. Das reicht von Skizzen, Vorstudien für Fresken, bis zu großflächigen Arbeiten, wie der „Trionfo di Aureliano“ aus seiner Jugendzeit oder eine Darstellung San Francescos, vielleicht sein letztes Werk vor dem Tod in Madrid. Wie kein anderer seiner Zeit weiß er abwechselnd historische, mythologische oder religiöse Themen  zu illustrieren.

Thema der Ausstellung sind die Aktivitäten des Venezianers als Jugendlicher in seiner Heimatstadt und als reifer Künstler über die Lagunenstadt hinaus: in Mailand und der Lombardei, in Deutschland (Würzburg) oder Spanien (Madrid).

Das Jahrhundert Europas

Das 17. aber vor allem das 18. Jahrhundert sind die Jahrhunderte Europas. War es zuvor der Handel, der Grenzen übersprang, ist es jetzt die Kultur, die den Kontinent durchmischt. Italien, politisch zerrissen und bedeutungslos, bildet aber mit seinem Fundus von Antike und Renaissance das kulturelle Zentrum Europas. Reisende aus aller Herren Länder machen sich auf in „das Land, wo die Zitronen blühen“, um seine Kunstschätze zu entdecken. Umgekehrt sind italienische Künstler und Architekten an allen Höfen begehrt. Viele von ihnen kommen aus Venedig. Musiker wie Vivaldi, Dramaturgen wie Goldoni und eben Maler wie Tiepolo verbreiten den zeitgenössischen italienischen Stil (Barock und Barocchetto) zwischen Wien und Paris, London und Madrid. Und es ist besonders dieser Giambattista Tiepolo, der in Licht durchwirkten Tableaus mit immer wieder neuen, oft verspielten Erzählformen überrascht.

© Cluverius

Großzügige Hängung: Saal mit dem monumentalen Gemälde „Ulisse scopre Achille“ – ein Jugendwerk Tiepolos (um 1724) ursprünglich für den Palazzo Sandi in Venedig geschaffen, heute im römischen Waldorf Astoria Hotel

Mailand, das von den Kuratoren emphatisch als „zweite Heimat“ Tiepolos bezeichnet wird, fällt im europäischen Kontext eine wichtige Rolle zu. Es ist von Venedig aus gesehen die erste bedeutende italienische Stadt jenseits der Herrschaft der Serenissima. Und es ist auch durch die Entwicklung durch die Habsburger die am meisten international geprägte Stadt Italiens. Mailand, so erfährt es Giambattista Tiepolo, bietet mit aufstrebenden, untereinander wetteifernden Familien einerseits zahlungswillige Auftraggeber. Die Ausstellung geht etwa auf Arbeiten in den Stadtpalästen Clerici, Casati/Dugnani oder denen für die Basilica Sant’Ambrogio ein. Andererseits ist Mailand ein Sprungbrett für weitere Aufträge, die ihn aus Europa erreichen. Die herrlichen Deckenfresken zum Beispiel aus der Würzburger Residenz blenden die Ausstellungsmacher an die dafür eigens hergerichtete Decke der großen Eingangshalle der Gallerie d’Italia. Der Betrachter kann sie auch ohne Nackenschmerzen auf im Kreis aufgestellten Spiegelbänken studieren.

© Cluverius

Fresken für die Ambrosius-Basilika (um 1737)

Die Ausstellung musste kurz nach Eröffnung Ende Oktober 2020 schließen und wurde jetzt (bei verlängerter Ausstellungszeit über Ostern hinaus bis Anfang Mai) wieder eröffnet. In dem von der Gesundheitspolitik geprägten Hin und Her mit Schließungen und Öffnungen und entsprechend geringerem Publikumszuspruch kommen gegenwärtig den Katalogen eine erhöhte Bedeutung zu – man kann sich die Ausstellung zum Studium gleichsam nach Hause holen. Der von den Kuratoren Fernando Mazzocca und Alessandro Morandotti herausgegebene Katalog ist dankenswerter Weise nicht nur ein prächtig aufgemachtes Dokument dieser Ausstellung, sondern reflektiert darüber hinaus mit verschiedenen Aufsätzen und einem reichen Bildteil die europäische Rolle von Künstlern wie Giambattista Tiepolo und seinen Söhnen bis hin zu ihrer Wiederentdeckung und Neubewertung in der Kunstkritik des 19. und 20. Jahrhunderts – aber er liegt leider nur in italienischer Sprache vor.

© Cluverius

Deckenfresko im Treppenhaus der Würzburger Residenz gespiegelt in die Mailänder Gallerie d’Italia

Die Gallerie d’Italia, Museum und kulturelles Zentrum der Bankgruppe Intesa Sanpaolo, sind in Mailand an der Piazza della Scala im ehemaligen, von Luca Beltrami am Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten Palazzo della Banca Commerciale sowie in angrenzenden Stadtpalästen an der Via Manzoni untergebracht. Die historisierenden Formen der Fassade des Hauptgebäudes gehen einen Dialog mit dem klassizistischen Bau des Teatro alla Scala von Giuseppe Piermarini ein. Suggestiv wirken die Innenräume für Wechselausstellungen mit der repräsentativen Halle und den umstrukturierten Schaltern des einstigen Bankhauses. Sie bilden jetzt einen faszinierenden Rahmen für Tiepolo & Co.

Tiepolo. Venezia, Milano, L’Europa. Gallerie d’Italia, Mailand. Verlängert bis 2. Mai. Zurzeit Mo-Fr 10-20 Uhr (letzter Eintritt 18.30 Uhr) Eintritt 10 Euro, mögliche Vorbestellung über Ticket One. Der Katalog (Edizioni Gallerie d’Italia/Skira) kostet 39 Euro

 

 

Zur Ergänzung der Ausstellung zeigt  Intesa Sanpaolo eine kleine Serie von Videos unter dem Titel  „Sotto un unico cielo. Alla scoperta dei territori del Tiepolo“  (Unter einem Himmel. Zur Entdeckung der Landschaften des Tiepolo) sieben Beiträge über die wichtigsten Landschaften Italiens, in denen der Künstler gearbeitet und Werke hinterlassen hat. Zu den Videos hier. Und hier der Kalender der Veröffentlichungen: