MIT GELD, GESCHMACK UND GUTEN BERATERN


Vor 200 Jahren wurde Gian Giacomo Poldi Pezzoli geboren, der Mailand das schönste Privatmuseum der Stadt hinterließ. Eine Ortsbesichtigung

© Museo Poldi Pezzoli Milano

Eine Ikone: Piero del Pollaiolo (1443-1496): Ritratto di Dama (um 1470)

Mailand – Eine Stupsnase hat sie und eine etwas einfältige Mundpartie – dennoch strahlt das Profilbild der in die Ferne blickenden jungen Dame aus Florenz Eleganz und Weitsicht aus. Das wird auch den Mailänder Sammler Gian Giacomo Poldi Pezzoli überzeugt haben, der es kurz vor seinem Tod 1879 kaufte. Zudem besaß Pollaiolos Arbeit aus dem späten 15. Jahrhundert mit 45,5 mal 32,7 Zentimeter ideale Maße für die Sammlung in den Privaträumen des reichen Lombarden im ersten Stock seines Stadtpalastes in der heutigen Via Manzoni. Zwei Jahre nach seinem Tod wurde die Wohnung mit der Sammlung wie testamentarisch bestimmt als Museum eröffnet. Und das Doppelte PP von Piero del Pollaiolo, gleichsam übertragen auf das Scherenschnitt-Profil der Stupsnasen-Dame, ist heute das markante Signum vom MPP, vom Museo Poldi Pezzoli (– dass das Gemälde vielleicht von Pieros Bruder Antonio stammt, wollen wir hier nicht diskutieren).

Also hereinspaziert in Mailands schönste Museumswohnung! Angefangen hatte Gian Giacomo mit einer Waffensammlung, die heute – von Arnaldo Pomodoro spektakulär inszeniert – im Erdgeschoss des Palazzo untergebracht ist. An einem Brunnen vorbei steigt man dann in den ersten Stock, um tastend den schon zu Poldi Pezzolis Zeiten etwas verwirrenden Grundriss einer Wohnung zu folgen, die sich ausgehend vom Sala degli Stanieri (mit Cranachs Luther-Porträt) im Laufe der vielen Jahrzehnte durch neue Nachbarräume erweitert zu einem kleinen Labyrinth entwickelt hat. Hier die Sala Nera der Renaissance Nordeuropas gewidmet und den alten Salonmöbeln, die bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg zum Glück nicht zerstört wurden. Dort das nach dem Willen des Gründers barock gestaltete Schlafzimmer heute mit Glasarbeiten aus Murano. Im Salone Dorato flaniert man an Piero della Francesca, Bellini oder Botticelli vorbei. Weiter geht es zu den mechanischen Uhren.

Das Museum als Wunderkammer

Poldi Pezzoli sammelte alles, was ihm unter die Finger kam: archäologische Funde, wissenschaftliche Instrumente, Schmuck, Keramik (wundervolle Arbeiten des 18. Jahrhunderts aus Meißen – der Mann hatte neben Geld auch Geschmack und gute Berater), Grafik, Skulpturen, Textilarbeiten, natürlich Gemälde und, und, und. Seine Nachfolger haben sich dieser Tradition gestellt – bis hin zur Aufnahme einer Sammlung von Netsuke (Japan 17. Jahrhundert) im Jahr 2005. Das ist ein Museum wie eine Wunderkammer, hübsch geordnet nach Räumen und im Bestand laufend erweitert. Doch fehlt dem neuen Ambiente noch die Aura des Alten. Und es wird ein bisschen dauern, bis sie mit dem Privatambiente von Gian Giacomo Poldi Pezzoli eine Einheit bilden. Der erblickte am 27. Juli 1822 das Licht der Welt. Gefeiert werden darf also just in diesen Tagen sein 200. Geburtstag: Auguri – und MPP weiterhin viele Besucher!

Museo Poldi Pezzoli. Via Alessandro Manzoni 12, 20121 Mailand. Tgl. außer Di 10-18, 14-18 Uhr. Eintritt 14 Euro

Ein ähnlicher Text ist im Informationsdienst Kunst 757 (Verlag Lindinger Schmid, Berlin) erschienen