PHOENIX AUS DER ASCHE


Vor 25 Jahren brannte in Venedig das Gran Teatro la Fenice bis auf die Grundmauern ab, nachdem Handwerker Feuer gelegt hatten. Sieben Jahre später konnte das Haus „wo es war und wie es war“ wieder eröffnet werden. Zum Jubiläum spielt die Feuerwehrkapelle Venedigs – wegen Covid-Einschränkungen ohne Publikum

© teatrolafenice.it

Als Verdi Venedig verzauberte – Die Fenice Oper Mitte des 19. Jahrhunderts

Mailand/Venedig – Es ist Montag der 29. Januar 1996. Dunkelheit umhüllt Venedig nach einem kalten Wintertag. Um 20 Uhr 58 geht bei der Feuerwache ein Anruf ein. Eine Frau meldet starke Rauchentwicklung in einem Seitenflügel des Gran Teatro la Fenice, den sie gegenüber von ihrem Arbeitsplatz in einem Hotel sehen kann. Das Opernhaus ist seit einigen Wochen wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Wenige Minuten nach dem Anruf erreicht die erste Feuerwehreinheit das weltberühmte Theater. Durch die Fenster der Fassade leuchten bereits Flammen.

Es gehört zur Geschichte der Oper, dass immer wieder Theaterbauten von Feuer zerstört wurden. Das gilt besonders für das 18. und 19. Jahrhundert, als man die Bühnen zuerst mit Kerzen- und später mit Gaslicht illuminierte. So entstand auch die heutige Oper Venedigs im Jahr 1792 nach dem Brand eines Vorgängerbaus. Man taufte sie auf den Namen „la Fenice“. Also auf den Sonnenvogel Phoenix, der sich der Mythologie nach wieder aus der Asche erheben konnte. Ein Namen der sich bewahrheiten sollte, denn 1836 wurde die neue Oper der Lagunenstadt durch einen Brand teilweise zerstört, konnte aber bereits ein Jahr später abermals eröffnet werden. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde sie dem Geschmack der Zeit nach umgestaltet. Als vor 25 Jahren erneut ein Feuer ausbrach, waren weder Kerzen- noch Gaslicht die Ursache und es sollte sieben Jahre dauern, bis dieser Phoenix sich wieder einmal aus der Asche erheben konnte.

Ein ganzes Stadtviertel ist bedroht

Ausgerechnet die Kanäle beim Theater führen an diesen Tagen wegen Reinigungsarbeiten kein Wasser. Die Feuerwehr muss lange Schlauchverbindungen teilweise bis zum Canal Grande legen. Funkenschlag und Rauchschwaden füllen die oft nur einen Meter breiten Gassen um das Theater. Ein ganzes Stadtviertel ist bedroht. Während man beginnt, die Umgebung weiträumig zu evakuieren, dringen Feuerwehrmänner durch den Bühneneingang ins Gebäude ein. In einem Dokumentarfilm erinnert sich einer von ihnen: „Als wir vom Pförtnergang zum Saal vorstießen, da hatte das Feuer bereits die Ränge erreicht und die meisten Logen zerstört. Da war nichts mehr zu machen.“Am nächsten Morgen ragen von der berühmten Opernbühne nur noch von Ruß geschwärzte Außenwände in den Winterhimmel.

Von Rossini bis Nono

200 Jahre lang wurde hier Musikgeschichte geschrieben. Der junge Gioachino Rossini feierte auf dieser Bühne erste Erfolge. Giuseppe Verdi ließ in der Fenice unter anderem die Opern „Ernani“, „Rigoletto“ oder „Simone Boccanegra“ uraufführen. Mit der Traviata , später ein Welterfolg, erlebte er ein Debakel. Das Publikum verlachte die rundliche und urgesunde Sängerin in der Rolle der schwindsüchtigen Kurtisane Violetta. Richard Wagner dirigierte kurz vor seinem Tod 1883 in Venedig im Foyer der Oper seine Symphonie in C Dur. Und im 20. Jahrhundert brachten Komponisten wie Igor Strawinsky oder Luigi Nono in der Fenice wichtige Werke zur Uraufführung.

Angesichts der Bedeutung der Bühne versprach der Bürgermeister der Stadt, der Philosoph und sozialdemokratische Politiker Massimo Cacciari, vor den noch rauchenden Trümmern des alten Opernhauses: „Wir werden das Teatro la Fenice wieder aufbauen, wo es war und wie es war.“

Während ein langer Prozess zur Planung der Rekonstruktion einsetzte, war die Polizei dabei, nach Ursachen und möglichen Tätern zu forschen. Vier Jahre nach der Katastrophe wurden ein Elektriker aus Venedig und sein Cousin wegen Brandstiftung verurteilt. Sie hatten einer Konventionalstrafe entgehen wollen, weil sie ihre Arbeiten bei der Renovierung der Fenice nicht termingerecht abschließen konnten. Mit einem auf ihren Baustellenbereich begrenzten Feuer hatten sie gehofft, Zeit zu gewinnen.

Notbetrieb der Oper in einem Zelt

Der Opern- und Konzertbetrieb wurde nach dem Brand mehreJahre lang in einem Zelt auf der Parkplatzinsel Tronchetto notdürftig fortgesetzt. Derweil arbeiteten Architekten und Handwerker am Wiederaufbau der Fenice nach alten Plänen und Dokumenten. Der große birnenförmige Saal mit fünf Logenreihen wurde nach den Vorlagen gestaltet. Und die dem Barock nachempfundenen Dekorationen, wie sie Mitte des 19. Jahrhunderts Mode waren, leuchteten sieben Jahre nach der Zerstörung wieder in Purpur und Gold.

Ab Dezember 2003 konnten im so rekonstruierten Gran Teatro la Fenice zunächst nur Konzerte stattfinden. Ein Jahr später im November 2004 wurde es nach der endgültigen Fertigstellung der Bühnentechnik auch für Opernaufführungen feierlich eröffnet. Mit einer Inszenierung von Verdis „La Traviata“ stieg der Phoenix in Venedig wieder aus der Asche.

Die Covid-19-Pandemie zwang die Oper 2020 erneut in die Knie. Die Saisonpremiere mit Beethovens „Fidelio“ am 20. November fiel ebenso aus wie kurz darauf die Eröffnung der symphonischen Spielzeit mit einem Konzert, das Riccardo Muti mit dem Cherubini-Jugendorchester geben sollte. Weihnachts- und Neujahrskonzert fanden ohne Publikum statt und wurden von Youtube bzw. vom italienische Fernsehen übertragen. Zum 25. Jahrestag der Brandkatastrophe konnte man jetzt am 29. Januar ein Konzert des Musikchors der venezianischen Feuerwehr im livestream verfolgen.

Der Deutschlandfunk hat zum Thema am 29.Januar 2021 ein Kalenderblatt gesendet.

Info zum weiteren Programm der Fenice hier