QUELLE DES STOLZES


Der neue Kulturminister Gennaro Sangiuliano und sein Staatssekretär Vittorio Sgarbi zeigen sich polemisch

© Courtesy Ministero della Cultura

Journalist und Buchautor von Biographien: Gennaro Sangiuliano (Fratelli d’Italia) aus Neapal

Mailand/Rom – Das fängt ja gut an. Kaum war die neue italienische Regierung im Amt, suchte der frisch vereidigte Kulturminister Gennaro Sangiuliano Streit mit dem Leiter der Uffizien, Eike Schmidt. Der hatte – wie die meisten Direktorinnen und Direktoren staatlicher Museen des Landes – Anfang November den Montag als wöchentlichen Ruhetag eingehalten und sein Haus geschlossen, obgleich die Stadt an diesem Brückentag vor dem Allerheiligen Fest voller Touristen war. Wenn das überhaupt ein Grund zur Kritik war, warum bekam nur Schmidt einen Rüffel?

Und kaum hatte der neue Staatssekretär Vittorio Sgarbi seine Ernennungsurkunde erhalten – der Kunsthistoriker ist dafür bekannt, dass er seinen Sachverstand nicht selten im aufbrausenden Charakter ausschaltet – forderte er Mailand ultimativ auf, die Pietà Rondanini Michelangelos, die seit einigen Jahren in einem eigenen Saal im Castello Sforzesco („anonym, vulgär ohne Respekt für ein Meisterwerk“, so Sgarbi) ausgestellt wird (und seitdem ein Anziehungspunkt für das Publikum geworden ist), zurück an ihren alten Platz im Castello zu bringen. Und die Uffizien ließ er wissen, dass ein von Arata Isozaki entworfenes („widerwärtiges“ – so Sgarbi) neues Ausgangsportal nicht gebaut werde. Egal ob die Vorgängerregierung nach jahrelangem Tauziehen anders entschieden und entsprechende Verträge abgeschlossen hätte.

Italien hat unter der Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine neue, weit rechts stehende Regierung, die nicht nur im Kulturbereich, sondern etwa auch in der Frage der Zuwanderung populistisch die Muskeln spielen lässt. Allerdings kann man davon ausgehen, dass wenigstens Kulturminister Gennaro Sangiuliano von der Polemik wohl bald wieder in den Sach-Modus zurückschalten wird. Was man da von ihm und seiner politischen Führungsmannschaft mit Vittorio Sgarbi und zwei weiteren Staatssekretären zu erwarten hat, steht jedoch in den Sternen.

Vom Fernsehen in die Regierung

Gennaro Sangiuliano wurde 1962 in Neapel geboren. Er war zuletzt Chefredakteur des TG2, der Tagesschau des zweiten Kanals des öffentlich-rechtlichen italienischen Fernsehens. Zuvor hatte er vorwiegend für Zeitungen des rechten Meinungsspektrum gearbeitet sowie als Autor Biografien internationaler Persönlichkeiten von Trump bis Putin veröffentlicht. Nach einem Jurastudium und einem PhD in Ökonomie war er außerdem als Dozent u. a. an der römischen Universität La Sapienza tätig. In seiner Jugend hatte er sich früh in der postfaschistischen Partei MSI engagiert, aus der später zunächst die Alleanza Nazionale (AN) und dann die Fratelli d’Italia (FdI) hervorgingen.

Gennaro Sangiuliano löst Dario Franceschini von dem sozialdemokratisch orientierten Partito Democratico ab, der  – von einer kurzen Unterbrechung abgesehen – seit 2014 das Kulturministerium geleitet hatte. Franceschini hinterlässt vor allem eine gelungene Reform der staatlichen Museen, deren Autonomie gestärkt wurde. Die internationale Ausschreibung von Leitungsfunktionen führte außerdem dazu, dass durch ausländische Fachleute frischer Wind durch traditionelle Institutionen zog und etwa ein Eike Schmidt Direktor der Uffizien werden konnte. Auch konnte sich in Italien ein positives Klima entwickeln, das die Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Einrichtungen im Kulturbereich förderte.

Kultur als wirtschaftliche Ressource

Und jetzt? In einer programmatischen Rede vor dem römischen Parlament hatte die neue Regierungschefin Giorgia Meloni (FdI) in einem Satz auch die Kultur erwähnt. Italien, so Giorgia Meloni, sei ein Land, das mehr als jedes andere auf der Welt die Idee von landschaftlicher, künstlerischer, erzählerischer und ausdrucksstarker Schönheit verkörpere. Die ganze Welt wisse das, „liebt uns dafür, will deshalb italienisch kaufen, unsere Geschichte kennenlernen, bei uns Urlaub machen.“ Natürlich sei das eine Quelle des Stolzes, „aber vor allem ist es eine wirtschaftliche Ressource von unschätzbarem Wert, die unsere Tourismus- und Kulturindustrie speist.“ Ob Kultur dabei als Industrie nachhaltig und respektvoll oder eher ausbeuterisch betrieben wird, bleibt abzuwarten.

Ein ähnlicher Text ist im „Informationsdienst Kunst“ (Berlin) Nr. 765 erschienen